Kühl, Eike - Anonymität tut weh. Aber wir müssen sie aushalten (Erörterung zur Klarnamenpflicht im Internet)

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Referat

Erörterung zur Klarnamenpflicht im Internet mit Bezug auf den Artikel „Anonymität tut weh. Aber wir müssen sie aushalten.“ von Eike Kühl

„Anonymität tut weh. Aber wir müssen sie aushalten.“ Dieser von Eike Kühl verfasste Artikel wurde am 29. Mai 2019 auf der Website des Magazins Fluter veröffentlicht. Zentrales Thema ist die Diskussion um eine Klarnamenpflicht im Internet, die nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile auch in Österreich in Gange ist. Kühl geht der Frage der Sinnhaftigkeit der Klarnamenpflicht nach und lehnt die Maßnahme entschlossen ab.

Die Überschrift weist sowohl in provokanter Art und Weise auf die zentrale Problemstellung des Artikels hin, als auch auf die Position des Autors. Der Einstieg in das Thema erfolgt über die aktuelle Diskussion über die Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken in Österreich, wobei als Anlass für die Kontroverse Hasskommentare im Netz angeführt werden. Kühl führt dabei eigene, höchst unerfreuliche Leserpost als Beispiel an.

Dennoch positioniert sich der Autor gegen eine Klarnamenpflicht und beginnt seine Argumentation damit, dass eine solche Pflicht nicht die Verfasser von Hasskommentaren treffen würde, sondern besonders die gewöhnlichen Nutzer.

Kühl zeigt weiterführend in Bezug auf das Rechtssystem auf, dass die Anonymität im Netz Teil der demokratischen Prinzipien sei und zudem ein Schutz dabei, frei seine Meinung zu äußern, wie es auch bei anonymen Wahlen und dem Demonstrationsrecht sei. Als Beispiel zieht Kühl einen Vergleich zu dem Besuch einer Kneipe, bei dem auch nicht die Personalien und Unterhaltungen aufgenommen würden.

Fortführend argumentiert der Autor, dass eine Klarnamenpflicht in Widerspruch zum sogenannten Recht auf informelle Selbstbestimmung stehe und zudem neue Möglichkeiten für Hacker gebe, die er im weiteren Verlauf des Textes noch weiter belegt.

Zunächst aber gibt Kühl eine mögliche Alternative zur Klarnamenpflicht, die vorwiegend eine verbesserte Strafverfolgung vorsieht. Aus diesem Punkt leitet er auch das folgende Argument ab, dass diejenigen, die tatsächlich anonym bleiben möchten, das auch mit Klarnamenpflicht schaffen würden.

Schlussendlich argumentiert Kühl mit Fakten und Daten aus Südkorea, dass eine Klarnamenpflicht die Menge an Hasskommentaren nicht effektiv vermindern würde. Erfahrungen dort würden dies belegen und zudem auch ein Beispiel für den enormen Datendiebstahl darstellen, den die Klarnamenpflicht Hackern ermöglicht habe.

Eike Kühl endet mit einer direkten Leseransprache, dass eine solche Pflicht keinesfalls sinnvoll wäre.

Hinsichtlich der Sprachverwendung des Autors lässt sich sagen, dass vor allem eine insgesamt einfache, leicht verständliche Alltagssprache vorherrschend ist und lediglich vereinzelt Fachbegriffe verwendet werden. Teilweise nutzt Kühl auch umgangssprachliche Ausdrücke wie beispielsweise „Kneipe“ (Z. 20). In Verbindung mit dem wenig komplexen Satzbau ist der Text daher nicht sehr anspruchsvoll zu lesen und kann eine sehr breite Leserschaft ansprechen. Durch einzelne Wortneuschöpfungen wie „Pseudonymität“ (Z. 13), unterstreicht Kühl den wichtigen Schutz, der aus der Anonymität bei der Verwendung von Pseudonymen im Internet entsteht.

Zudem lässt sich eine starke Leserlenkung erkennen, die durch die Verwendung von Beispielen, aber auch direkten Leseransprachen, wie zum Beispiel „Wer diese Vorstellung nicht unbehaglich findet, bestelle das erste Bier“ (Z.22f.), hervorgerufen wird. Auch negativ konnotierte Begriffe, wie die Ersetzung der „Klarnamenpflicht“ (Z. 7-24) durch die Formulierung „Klarnamenzwang“ (ab Z. 27) beeinflussen die Meinung des Lesers entgegen deiner solchen Maßnahme.

Im Folgenden soll nun die Stichhaltigkeit von Eike Kühls Argumenten näher untersucht werden. Zunächst einmal ist es sinnvoll, dass der Autor zu Beginn auf Gründe der Gegenseite eingeht, indem er die eigene Leserpost erwähnt. Damit werden auch eventuelle Befürworter der Klarnamenpflicht angesprochen.

Kühls Argument in Bezug auf demokratische Prinzipien wie Wahlen und Demonstrationen stellt ein schlagkräftiges Argument dar. Würden die Namen der Bürger im Internet gefordert werden, so könnte man fast auch namentliche Abstimmungen im Parlament fordern. Dies ist jedoch weder in der Politik, als auch für Normalbürger, die im Internet ihre Meinung preisgeben wollen, vertretbar. Kühl hat demnach recht, dass mit der Klarnamenpflicht Rechte der Demokratie verletzt würden.

Die Demokratie lebt zudem von Diskussionen, auch im öffentlichen Raum. Kühl stellt dabei richtigerweise dar, dass ein nicht anonymisierter Austausch über persönliche Themen die Diskussionskultur verringern würde. Aus meiner Sicht stellt sich dabei zudem das Problem, dass dieser digitale Austausch und Diskurs wegfallen könnte, aus Angst, dass Krankenkassen, Konzerne oder Behörden die Daten einsehen können. Im Internet verschwindet bekanntliche nichts, weshalb es ein enormes datenschutzrechtliches Problem gäbe.

Ein weiterer von Kühl angesprochener Punkt war das Beispiel, dass auch kaum jemand in einer Kneipe seine Personalien und Gespräche aufnehmen lassen würde. Dem kann ich nur zustimmen, denn in der analogen Welt läuft wohl niemand mit einem Namensschild herum. Das würde die freie Meinungsäußerung enorm hemmen. Auch ein Urteil des BGH im Jahr 2009 bestätigt, dass die Verpflichtung, sich namentlich zu einer Meinung zu bekennen, die Gefahr der Selbstzensur birgt. Allerdings muss man Kühls Aussage ein wenig einschränken, denn bei einer physischen Anwesenheit kann ein Straftäter meist sofort zur Rechenschaft gezogen werden.

Im weiteren Verlauf ist jedoch vor allem Kühls Bezug zum Recht der DSGVO, selbstständig über seine personenbezogenen Daten verfügen zu können, ein sehr starkes Argument. Sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention fordert, dass die Digitalisierung diesbezüglich keine Verletzung der persönlichen Freiheit darstellen darf, als auch das deutsche Grundgesetz. Nach Artikel 2 Absatz 1 gilt diese Freiheit einem jedem, solange sie sich nicht gegen andere richtet. Da das auf die Mehrheit der Internetnutzer zutrifft, lässt sich auch Kühls Aussage bestätigen, dass eine Klarnamenpflicht vorwiegend „Unschuldige“(Z. 12) beeinträchtigen würde. Des Weiteren kann ich der Auffassung des Autors, dass Hackerangriffe eine Gefahr und damit ein Argument gegen die Klarnamenpflicht darstellen, nur zustimmen. Nicht nur die Netzwerkbetreiber und die eigene Regierung hätten Zugriff, sondern über Hackerangriffe auch andere Regierungen oder Straftäter, für die sich ein Schwarzmarkt zum Datenhandel auftun würde. Aus dem eigentlichen Problem der Hasskriminalität wird also noch ein viel größeres Problem, das den Datenschutz des Einzelnen nicht mehr gewährleisten kann.

Zumal an dieser Stelle noch Kühls aus meiner Sicht vollkommen richtiges Argument mit einbezogen werden muss, dass eine Klarnamenpflicht kaum für mehr Frieden im Netz sorgen kann. Erstens werden schon jetzt vermehrt Hasspostings unter Klarnamen veröffentlicht, zweitens haben Forscher der Universität Zürich herausgefunden, dass eine Abschaffung der digitalen Anonymität sogar eine „Zunahme von Shitstorms“ zur Folge habe. Und drittens haben sich in Südkorea mit der Einführung der Klarnamenpflicht viel mehr kuriose und kreative Beleidigungen entwickelt, die strafrechtlich gar nicht als solche gelten und nicht verfolgbar sind. Das Problem der Hasskriminalität wird also keinesfalls durch eine Klarnamenpflicht beseitigt.

Daher ist die aufgezeigte Alternative des Autors, Politik und Behörden stärker bei der Nachverfolgung von Straftaten im Netz in die Pflicht zu nehmen, eine gelungene und effektivere Möglichkeit. Kühl stellt aber auch ganz richtig fest, dass diejenigen, die „wirklich anonym bleiben möchten“ (Z. 33), das ohnehin schaffen würden. Daher lässt sich seine Lösungsmöglichkeit in der Hinsicht kritisieren, als dass sie zum jetzigen Zeitpunkt, trotz des 2020 verabschiedeten Gesetzes gegen Hasskriminalität, relativ realitätsfern ist.

Zusammenfassend ist der vom Autor aufgestellten These aufgrund vielfältiger Gründe zuzustimmen. Trotz einfacher sprachlicher Gestaltung weist Kühls Argumentation wenige Lücken auf. Hinsichtlich einer eventuellen Lösungsmöglichkeit gegen Hass im Netz hätte er noch präziser werden können, an sich begründet Eike Kühl jedoch äußerst nachvollziehbar, dass eine Klarnamenpflicht im Internet keineswegs die richtige Option ist.

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