Bichsel, Peter - San Salvador (Analyse)

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Peter Bichsel, Kurzgeschichte, Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Bichsel, Peter - San Salvador (Analyse)
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Referat

Interpretation / Analyse: „San Salvador“ von Peter Bichsel

Die Kurzgeschichte „San Salvador“ von Peter Bichsel aus dem Jahr 1964 handelt von dem Fluchtgedankengang eines Mannes, nach Südamerika zu gehen, während seine Frau außer Haus ist. Doch schlussendlich entscheidet er sich dagegen und bleibt bei seiner Familie.

Der Protagonist schreibt mit einem Füllfederhalter eine Abschiedsbotschaft „Mir ist es hier zu kalt, ich gehe nach Südamerika“ an seine Frau, welche gerade auf der Probe eines Kirchenchors ist. Danach schaut er sich an, was alles im Kino läuft, doch entschließt sich, dass es schon zu spät ist, zu Hause zu bleiben. Als er nun das Radio ausschaltet, ist er alleine mit seinen Gedanken, und spekuliert, wie die Reaktion seiner Frau ausfallen wird, wenn er wirklich weg wäre. Nachdem er die Gebrauchsanweisung des Füllfederhalters mehrmals gelesen hat, kommt seine Frau nach Hause und fragt ihn, ob die Kinder schon im Bett seien.

Es handelt sich bei diesem dreiundfünfzig zeiligen Text eindeutig um eine Kurzgeschichte. Nicht nur der Inhalt ist komprimiert. Die Sprache ist alltäglich und es handelt sich hier auch um eine alltägliche Situation, den Traum seinen Verpflichtungen zu entkommen und ein neues Leben zu beginnen, welchen man aber nie ausführen wird. Wie schon weiter oben erwähnt, wird die Erzählung in erlebter Rede geschrieben und startet direkt im Geschehen. Es gibt keine Einleitung und man wird direkt in die Situation, dass der Mann seine neue „Füllfeder“ (Z. 1) erprobt (vgl. Z. 3 f.), hineingeworfen. Außerdem gibt es ein offenes Ende mit der Frau, welche sich die „Haare“ (Z. 53) aus dem Gesicht streicht. Somit lässt die Kurzgeschichte einige Fragen offen.

Die Überschrift „San Salvador“ ist spanisch und bedeutet „heiliger Retter“. Ebenso ist so eine Stadt in Mittelamerika benannt. Somit kann man hier ganz klar die Überschrift als Metapher zu der Stadt sehen, in die der Protagonist flüchten will. Zudem steht „heiliger Retter“ für die Sehnsucht nach Freiheit und Veränderung. Der Protagonist sehnt sich sehr ein neues Leben im „Land der tausend Möglichkeiten“ zu beginnen, dass er es als eine Rettung ansieht. Es ist zu vermuten, dass er sich so sehr danach sehnt, dass die Erfüllung ihm Seelenheil verspricht und er sich Zuhause eingesperrt fühlt.

Der Text lässt sich in sieben Abschnitte gliedern. Der 1. Abschnitt erstreckt sich bis Zeile 14. Dort wird beschrieben, wie der Protagonist mit der neu erworbenen „Füllfeder“ (Z. 1) etwas übt und dann die Nachricht „Mir ist es hier zu kalt“ (Z. 6 f.) verfasst und wartet, wie die Tinte trocknet. Hier treffen wir auf die Motive der Flucht und der Kälte „mir ist es hier zu kalt“ (Z. 6 f.). Somit startet diese Erzählung schon gleich mit einer eher pessimistischen Stimmung und einer Fluchtsituation.

Als Nächstes haben wir einen kurzen Abschnitt von Zeile 15 bis Zeile 20, in dem sich der Protagonist erst die Zeitung ansieht, um zusehen, was alles im Kino läuft. Dann zerreißt er den Übungszettel und füllt die Feder erneut. Hier wird die Stimmung angehoben, da der Mann die Idee aufbringt, ins Kino zu gehen und damit doch nicht die Frau zu verlassen (vgl. Z. 15). Danach erfahren wir von Zeile 21 bis 27 mehr über die Frau und wo sie sich nun befindet. Dieser Abschnitt scheint auf den ersten Blick einen Erzählerwechsel zu beinhalten, doch bei genauerer Betrachtung ist dies nur ein innerer Monolog des Mannes. Seine Frau ist nämlich auf einer Probe des Kirchenchors und wird um halb zehn zu Hause sein. Hier haben wir wieder das Motiv der Zeit, welche immer schneller voranschreitet. Nun kehrt ein Wendepunkt ein, da der Mann auf seine Frau wartet und sich nicht nach Amerika aufmacht (vgl. Z. 23).
Der nächste Abschnitt verläuft von Zeile 28 bis 34. Es wird ein Blick auf die Zeit geworfen, es ist bereits neun Uhr. Dazu fängt der Protagonist an, sich in die Situation von seiner Frau hineinzuversetzen und sich vorzustellen, wie diese auf seine Nachricht reagieren würde.

Dabei hat er die fortschreitende Zeit im Hintergrund, welche ihm immer weniger eine Chance gibt, die Flucht anzutreten. Somit ist hier wieder von einem inneren Monolog die Rede.

Dieser führt auch hinaus über den darauffolgenden Abschnitt von Zeile 35 bis 38. Es wird beschrieben, wie die Frau sich „in den Löwen“ (Z. 35) telefonieren würde, doch dieser zu dieser Zeit geschlossen hat. Daraufhin würde die Frau verzweifelt lächeln. Die Stimmung ist hier abrupt auf verzweifelt umgeschlagen.

Ein etwas längerer Abschnitt verläuft von Zeile 39 bis 50. Dieser scheint auch zunächst aus der Situation der Frau geschildert zu sein. Es spielt sich aber nur in den Gedanken des Protagonisten ab. Dabei beschreibt er, die Reaktion der Frau und ihre Verzweiflung. Er selbst sitzt auf seinem Stuhl und vertreibt sich die Zeit. Es scheint, dass irgendetwas ihn davon abhält, sich auf den Weg zu machen. Dabei wird beschreiben, wie er sich verschiedenste Gedanken macht, einerseits über die Palmen im Exil und andererseits über seine Frau.

Der letzte Abschnitt beinhaltet wieder einen Wendepunkt, da die Frau nun nach Hause kommt und den Mann fragt, ob die Kinder bereits schlafen. Somit hat der Protagonist sich nicht auf den Weg nach Südamerika gemacht. Es wird beschrieben, wie die Frau sich die Haare aus dem Gesicht streicht, so wie der Mann es bereits vorher beschrieben hat.

Inzwischen haben wir einige Vorkenntnisse, mit welchen ich diese Kurzgeschichte näher erläutern kann.

Zuerst begegnen wir der Füllfeder. Sie ist vergleichbar mit einem Füller (oder Füllfederhalter). Eigentlich müsste man annehmen, dass jeder Haushalt eine solche besitzt, da man ja eigentlich immer etwas zum Schreiben zu Hause haben sollte. Doch diese ist neu „gekauft“ (Z. 1). Die Feder steht auch für das Fliegen und die Freiheit, somit hat der Protagonist sich praktisch schon das „Ticket“ zu seiner Freiheit gekauft und muss es nun nur noch in Form der Nachricht an seine Frau einlösen.

Die Füllfeder ist deshalb ein Symbol für die Freiheit und auch ein Schlüsselwort, da diese oftmals wiederholt wird. Zuerst wird sie „Feder“ (Z. 12, 19) genannt, doch später, als der Protagonist sich entschloss doch zu bleiben, wird sie nur als „Füller“ (Z. 45) betitelt. Somit hat diese im Laufe der Handlung ihre Bedeutung als Eintrittskarte in die Freiheit verloren. Die „Unterschrift“ (Z. 2), welche der Protagonist mehrmals übt, scheint wie eine offizielle Entscheidung zu sein, da er sichergehen will, dass er seine Initialen nicht verfehlt.

Diese Übung, die der Mann dort vornimmt, bedeutet, dass er mit sich selbst noch nicht einig ist, ob er diesen Schritt wirklich wagen möchte. Nun steht „seine Adresse“ (Z. 3) im Kontrast zur „Adresse seiner Eltern“ (Z. 4), welches zeigt, dass er auch eine dritte Option in Erwägung zieht. Die Optionen sind, nach San Salvador zu flüchten, bei seiner Frau bleiben und zuletzt, zu seinen Eltern ziehen. Mit dem „neuen Bogen“ wird der Neuanfang metaphorisch dargestellt. Die Nachricht „Mir ist es hier zu kalt“ (Z. 6 f.) steht nicht nur im Kontrast zum warmen Südamerika, sondern auch metaphorisch für die Kälte, welche seine Frau ihm gibt. Dies deutet auf eine schlechte Beziehung zwischen beiden hin und ein Drang zur Loslösung. Die genaue Betrachtung seiner Nachricht und das Zusehen der „Tinte“ (Z. 10) beim Trocknen, steht für eine hypnotisierende Szene. Der Protagonist versucht sich an die Nachricht zu krallen und mit „schwarz“ (Z. 11) auf weiß zu besiegeln, dass er auswandern wird. Er glaubt, mit der Nachricht sei es nun endgültig und es gibt kein Zurück mehr. Auch da Tinte üblicherweise blau ist, kann man hier von einer grotesken Handlung sprechen, da der Protagonist extra schwarze Tinte für seine Nachricht nimmt (vgl. Z. 11). Drum steht die Farbe Schwarz nicht nur im Kontrast zum eigentlichen Blau der Tinte, sondern zeigt schon mit der Farbwahl, dass diese Nachricht schlechte Nachrichten bringen soll. Die „Kinoinserate“ (Z. 16) können wir uns heute vorstellen wie ein Kinoprogramm in der Zeitung, mit den aktuellen Vorführungen des Tages. Doch hier steht das Kinoinserat für das erste Indiz eines Misserfolges des Planes, die Frau zu verlassen. Der Mann macht sich nicht auf den Weg zum Flughafen, sondern bleibt und schaut, was er im Kino sehen könnte, doch stellt dann fest, dass es dafür bereits „zu spät“ (Z. 20) ist. Wobei dies das Motiv der Zeit veranschaulicht, welche in dieser Kurzgeschichte immer weiter voranschreitet. Die Aussage „Für die Kinovorstellung war es jetzt zu spät“ (Z. 19 f.) zeigt einerseits die späte Tageszeit an, doch andererseits steht diese für die Zeit des Mannes, die er noch hat, um seine Flucht zu vollziehen. Das „zu spät“ (Z. 20) bezieht sich nicht auf die Zeit, da Kinos meist abends Vorstellungen bieten. Das Zerreißen des „Zettels“ (Z. 18) auf dem er seine Schrift übte, zeigt eine leichte Aggressivität des Protagonisten. Dennoch steht dies für das Wegwerfen seiner alten Adresse. Unterschrift und die Adresse seiner Eltern, welche noch dort standen. Symbolisch gesehen lässt er somit sein altes Leben hinter sich. Als Nächstes finden wir einen Kontrast mit dem „entleer(…)[en]“ (Z. 18 f.) und wieder auffüllen (vgl. Z. 19) des Füllers. Somit scheint es, dass der Protagonist noch etwas der Nachricht hinzufügen möchte, doch nicht genau weiß was. Es hat den Anschein, dass ihm noch etwas auf dem Herzen liegt, was er seiner Frau mitteilen möchte. Das zeigt sich auch in dem Nachdenken (vgl. Z. 16) und dem Zeitvertreib durch Aufräumen und Zeitung überfliegen. Dass der Protagonist nun „wartet auf Hildegard“ (Z. 23), zeigt, dass er seinen Gewohnheiten nach geht und sich dazu entschlossen hat, doch zu bleiben.

Das Thema ist aus dem Alltag ausbrechen und Flucht. Der Protagonist will damit auf die schlechten Verhältnisse in den Familien aufmerksam machen. Die Geschichte verkörpert einerseits den Gedanken an das freie Land Amerika, dem nachgesagt wird, dass dort alles möglich sei und die Sehnsucht nach Veränderung.

Dem Alltag entfliehen und sein Leben genießen, keine Verpflichtungen haben und sein Leben gestalten, wie man es will. Die Kurzgeschichte zeigt aber leider auch die bittere Wahrheit, da wir diese Freiheit nie wirklich umsetzen werden, sondern nur davon träumen. Außerdem wird hier gezeigt, wie die Familie oftmals nichts von den Absichten und Gefühlen der Familienmitglieder erahnen können. Welche Verzweiflung das plötzliche Flüchten eines Partners auf den verlassenen Menschen auslösen kann, bleibt ebenso im Dunkeln. Peter Bichsel spricht eine eher ältere Zielgruppe an. Dennoch ist die Geschichte zeitlos und regt zum Nachdenken an.

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