Celan, Paul - Todesfuge (Interpretation)
Paul Celan, Gedichtinterpretation, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Celan, Paul - Todesfuge (Interpretation)
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Referat
Paul Celan: Todesfuge
Todesfuge ist ein Gedicht des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan, das mit lyrischen Mitteln die nationalsozialistische Judenvernichtung thematisiert. Es entstand zwischen 1944 und Anfang 1945 und erschien zunächst in rumänischer Übersetzung im Mai 1947. Die deutsche Originalfassung wurde 1948 in Celans erster Gedichtsammlung „Der Sand aus den Urnen“ veröffentlicht, erreichte aber erst nach der Aufnahme in den Folgeband „Mohn und Gedächtnis“ 1952 eine größere öffentliche Wahrnehmung und Bekanntheit. Kennzeichnend für das Gedicht sind ein an die musikalische Fuge angelehnter mehrstimmiger, die Motive wiederholender und variierender Aufbau sowie die Verwendung von paradoxen Chiffren wie „Schwarze Milch der Frühe“, die die historischen Ereignisse andeuten, ohne sie konkret zu benennen.
Das Gedicht „Todesfuge“ ist Celans bekanntestes Gedicht und wurde in zahlreichen Anthologien und Schulbüchern abgedruckt, auf Gedenkfeiern zitiert und vielfach künstlerisch adaptiert. Das Gedicht ist aber auch häufig zum Gegenstand von Kontroversen geworden. Für seine Bildformeln wurden vermeintliche und tatsächliche Vorläufer entdeckt. Vor dem Hintergrund von Theodor W. Adornos Aussage „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“ warfen Kritiker Celan vor, die „Schönheit“ der lyrischen Umsetzung werde der Thematik der Judenvernichtung nicht gerecht. Die Todesfuge erreichte dennoch internationalen Rang als eines der wichtigsten Gedichte, die an die Opfer des Holocaust erinnern, und wurde kennzeichnend für die Poetik einer Holocaust-Lyrik.
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Einleitung
In dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan geht es um das Leben und Sterben in Konzentrations- und Arbeitslagern. Vermutlich will der Verfasser dabei die Gräueltaten und die Absurdität des Handelns mancher nationalsozialistisch geprägter Menschen der damaligen Zeit deutlich machen.
Inhaltsangabe
In dem Gedicht geht es um eine schwarze Milch, die vom lyrischen „Wir“ konsumiert wird, während ein Aufseher sie überwacht. Dieser zwingt sie auch, Gräber auszuheben und zum Tanz aufzuspielen, während er andererseits Briefe nach Deutschland an eine Margarete schreibt. Der Aufseher spielt mit Schlangen und sorgt dafür, dass die Juden in den Himmel kommen, während seine untergeordneten Mitarbeiter die Arbeit des lyrischen Wirs beobachten, die von einer Waffe bedroht werden. Das Gedicht endet mit der Gegenüberstellung von Margarete und Sulamith.
Interpretation
Inhalt
Eine entscheidende Rolle spielt die „schwarze Milch“. Dabei fällt besonders der Gegensatz auf: Während „schwarz“ im Allgemeinen mit Tod, Trauer, Gefahr und Dunkelheit in Verbindung gebracht wird, steht „Milch“ eher für Nahrung, Leben und natürlich Weiße, Reinheit. Durch dieses Oxymoron bekommt die Milch ebenfalls einen bedrohenden, gar todbringenden Beigeschmack. Das lyrische Wir wird dazu verurteilt, diese todbringende Flüssigkeit zu konsumieren, der ganze Tagesablauf scheint davon bestimmt zu sein. Durch diesen Zwang, der durch die ständige Wiederholung zwar besonders betont wird, gleichzeitig aber auch eine gewisse Monotonie verursacht, die sich vielleicht im Leben der Lagerinsassen eingenistet haben mag, wird selbst der positive „Touch“ des Begriffes „Frühe“, normalerweise mit Anfang, Frische und Leben assoziiert, entkräftet. Eine weitere Tätigkeit des lyrischen Wirs ist das Schaffen eines Grabes in der Luft. Dies soll augenscheinlich Bezug nehmen auf die Krematorien, in denen man „nicht zu eng“ liegt, also offensichtlich befreit wird aus der Enge und Eingeschränktheit des Lagers.
Gegensätzlich dazu steht der Mann, der Aufseher des Lagers. Dieser Mann ist ein Mensch der Gegensätze: Auf der einen Seite ist er eine Person, die mit Heimweh an seine Margarete mit den goldenen Haaren aus Deutschland schreibt, in einem Haus wohnt und einen Blick für die Sterne übrig hat. Dieses Haus mag auch als Symbol für Abgeschiedenheit, Trennung vom restlichen Lagerleben zu verstehen sein. Die Sterne blitzen, keine Wolke aus den Verbrennungsöfen verdunkelt den Himmel und sein Gewissen. Seine Margarete verkörpert neben dem typischen Idealbild einer arischen Frau („goldenes Haar“, V. 6) andererseits ebenso die unschuldige Geliebte des Mannes, die Verbindung zum Heimatland hat und damit gleich doppelt den Wunsch weckt, bei ihr zu sein.
Andererseits hat dieser Mann auch seine dunkle Seite: Er pfeift nach Juden und Rüden und erteilt ihnen Befehle. Während er die Rüden, also offensichtlich ihm untergebenen Aufseher, herbeipfeift, pfeift er die Juden hervor. Hier ist zu erkennen, dass er zwar sowohl über den Aufsehern als auch über den Juden steht, die Juden aber eher wie Tiere aus Löchern hervorkriechen. Offensichtlich existieren sie nicht mehr als reale Menschen. In seinen Befehlen an die Juden wird besonders der Kontrast zwischen der Aufforderung zu musizieren, während andere ihr eigenes Grab ausheben, hervorgehoben. Vielleicht spricht Celan dort auch von eigenen Erfahrungen im Arbeitslager. Es scheint nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, die Lagerinsassen musizieren zu lassen. Auch ein solch bekanntes Lied wie „Die Moorsoldaten“ ist schließlich im Konzentrationslager entstanden. Demgegenüber stellt sich die Frage, was diese parallel ablaufenden Tätigkeiten für einen Sinn gehabt haben. Womöglich ist es eine Anspielung auf den Totentanz, während andererseits auch auf die Vertuschungstaktik der Nazis angespielt werden könnte: Außenstehende wussten oft nichts von den Vorkommnissen in einem Konzentrationslager, genauso wie hier durch die Musik vom wirklichen Hintergrund des Grabens abgelenkt werden soll.
Die Seele des Mannes wird überdies von den Schlangen verkörpert, mit denen er spielt. Die Schlange gilt allgemein als Symbol des Bösen, welches sie mit ihrer Listigkeit schon während des Sündenfalls demonstrierte. Er spielt also mit dem Bösen, welches aber, da es keine Ohren hat, gleichwohl nicht seinen Befehlen gehorchen kann. Eine kriechende Schlange hat außerdem die Form eines „S“. Assoziiert man mehrere Schlangen nun mit der SS, gelingt der Bogen zurück zu den der SS unterstellten Arbeits- und Konzentrationslagern. Mit den Schlangen können also ebenfalls die Befehle der dem KZ übergeordneten Autorität gemeint sein.
In Vers 10 tritt wieder die „schwarze Milch“ auf. Allerdings wird sie im Gegensatz zu Vers 1 jetzt direkt angesprochen: „Wir trinken dich nachts.“ (V. 10) Diese Personifizierung zeigt, dass die Lagerinsassen diesen Teil ihres Lebens so weit verinnerlicht haben, dass der Konsum der Milch und dabei der Konsum des Todes immer mehr zur Selbstverständlichkeit avanciert. Es klingt fast wie Resignation gegen die Befehle des Aufsehers, der sie ein Grab in die Freiheit schaufeln lässt. Der Name Sulamith, im jüdischen Glauben mit einer schönen Geliebten gleichzusetzen, steht mit ihrem „aschenen Haar“ (V. 15) dabei für die gesamten Lagerinsassen. Dieses „aschene Haar“ schafft zudem eine erneute Verbindung zu den Verbrennungsöfen.
Im weiteren Verlauf wird vor allem die Grausamkeit des Aufsehers deutlich. Er treibt die Insassen nicht nur wie Sklaven zu immer neuen Höchstleistungen an, sondern bedroht sie gleichzeitig, indem er eine Waffe schwenkt. Die angesprochenen blauen Augen verdeutlichen zum einen dieses Bild von Kälte und Grausamkeit, zum anderen lassen sie auch wieder den Bezug zum arischen Idealtyp zu. Bestätigt wird diese weiterhin durch die Bezeichnung des Todes als „Meister aus Deutschland“ (V. 24). Dies zeugt nicht nur von der Tatsache, dass die Befehle aus Deutschland kommen; die gleichzeitige Bezeichnung des Todes als Meister zeugt von absoluter Brutalität und ebensolcher Überzeugung des Aufsehers von seinem Tun und damit auch von dem System der Nationalsozialisten, in dem sich Menschen anmaßen, über das Leben und Sterben anderer zu entscheiden und sich damit auf eine Stufe mit Gott bewegen. Der Ausdruck „als Rauch in der Luft“ (V. 25) zeigt dabei sowohl einen Bezug zu den verbrannten Leichen, als auch zu den Gaskammern, in denen die Lagerinsassen getötet wurden. „wir schaufeln ein Grab in den Lüften“ (V. 15) wird gesteigert durch die Formulierung „dann habt ihr ein Grab in den Wolken“ (V. 26). Diese Tendenz findet ihren Höhepunkt in der Bezeichnung „schenkt uns ein Grab in der Luft“ (V. 33). Daraus ist eine deutliche Tendenz zu erkennen, den Tod als Erlösung zu sehen. Der Tod als Meister zielt mit der Waffe auf die Insassen, da er eines seiner Augen geschlossen hält. Der genaue Schuss garantiert einen weniger schmerzvollen Tod als den Tod in der Gaskammer. Auch hierbei wird der Wunsch der Insassen nach der Erlösung von ihrem Los deutlich. Ebenfalls deutlich ist hier die Ursache allen Übels, der Tod als Meister aus Deutschland. Er wird in dem Abschnitt von Vers 27-34 dreimal wiederholt, während die Aufseher auf die Insassen gehetzt werden und der Leiter sich mit den Schlangen beschäftigt.
Die letzten beiden Verse zeigen nochmals deutlich den Täter-Opfer-Kontrast. Sowohl Margarete als auch Sulamith verkörpern die Geliebte. Während die arische Margarete allerdings mit Wohlstand assoziiert wird und das Volk der Deutschen verkörpert, stellt Sulamith eher das Leid der Insassen dar. Dieser Kontrast sorgt für einen eindrucksvollen Abschluss des Gedichts, der gleichzeitig einen der Hauptinhalte auf den Punkt bringt.
Form
Das Gedicht besteht aus acht unregelmäßigen Strophen. Überwiegend tritt hierbei kein Reim auf. Einzige Ausnahme bilden hierbei die Verse 30 f., die dadurch sowohl einen engen Zusammenhang in dem sonst satzzeichenlosen Gedicht darstellen, als auch Kaltblütigkeit vermitteln. Die fehlenden Satzzeichen lassen den Eindruck entstehen, es seien völlig sinnlose Gedanken aneinandergereiht worden. Dieser Eindruck wird durch die ständige Wiederholung und die willkürliche Groß- und Kleinschreibung am Beginn des einzelnen Verses widerlegt. Bei näherer Betrachtung fällt außerdem auf, dass die Strophen 2, 4 und 6 die Befehle und Aussagen des Mannes enthalten, die letzte Strophe – wie vorher schon erwähnt – einen Abschluss bildet und die restlichen Strophen die wiederholten Sequenzen beinhalten. Richtet man nun sein Augenmerk auf den Titel, ergibt diese Aufteilung durchaus Sinn. Eine Fuge ist ein Musikstück für mehrere Instrumente, in der das Thema mit leichten Abweichungen wieder und wieder aufgenommen wird. Dieses geschieht auch in dem vorliegenden Gedicht. Dabei werden die gegenübergestellten Hauptthemen – hier das Verhalten des Mannes und der Milchkonsum – nochmals in Nebenthemen, wie zum Beispiel die Rolle der Schlange, unterteilt. Der Aufbau des Gedichtes zeigt demzufolge eine recht komplexe Struktur, die zur Organisation der Vernichtung von Juden in Nazideutschland passt.
Schluss
Abschließend ist zu bemerken, dass das Gedicht besonders den Kontrast zwischen Befehlenden und Ausführenden und zwischen Täter und Opfer eindrucksvoll darlegt. Die eigenen Erfahrungen des Verfassers scheinen stark in das Gedicht eingeflossen zu sein. Offensichtlich verarbeitet er dadurch das Erlebte, welches seinen Eltern das Leben kostete. Der flüchtige Leser mag vielleicht den Sinn dieses Gedichtes nicht ganz erfassen, aber der genau Hinterfragende sollte dahinter die Qualen erkennen, die ein solch langsames Sterben verursacht. Für mich persönlich klingt in diesem Warten auf den Tod die Sehnsucht nach der baldigen Erlösung beinahe wie ein Gebet, dessen Erklärung nicht im Ermessen Gottes, sondern in dem der Aufseher liegt. Und so schwebt für mich ein Satz über dem gesamten Gedicht, der eine der Aussagen besser ausdrückt als jede andere: „Arbeit macht frei!“
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