Celan, Paul - Die Halde (kurze Interpretation)

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Paul Celan, Gedichtinterpretation, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Celan, Paul - Die Halde (kurze Interpretation)
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Referat

„Die Halde“ von Paul Celan

zum Autoren

Paul Celan wurde am 23. November 1920 in Czernowitz (Cernauti) (Rumänien) geboren und verstarb am 20. April 1970 in Paris. Celan war ein bedeutender deutschsprachiger Lyriker.

Paul Celan wurde als Sohn einer Familie deutschsprachiger Juden geboren. Er besuchte eine deutsch-hebräische Grundschule und später ein rumänisches Gymnasium, wo er 1938 sein Abitur machte. Im selben Jahr begann er sein Medizinstudium in Tours, kehrte jedoch ein Jahr später nach Czernowitz zurück, um dort Romanistik zu studieren.

1940 wurde die nördliche Bukowina und somit auch Czernowitz von den Sowjets besetzt, Celan konnte seine Studien fortsetzen. Als aber 1941 rumänische und deutsche Truppen Czernowitz besetzten, wurden die Juden gezwungen, in ein Ghetto zu gehen. Seine Eltern wurden 1942 deportiert. In einem Lager in Transnistrien starb sein Vater an Typhus, seine Mutter wurde erschossen.

Von 1942 bis 1943 wurde er in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern festgehalten und musste Zwangsarbeit leisten. Nach der Befreiung durch die Sowjets kehrte Celan im Dezember 1943 nach Czernowitz zurück und nahm sein Studium wieder auf. Zwischen 1945 und 1947 hielt er sich in Bukarest auf und arbeitete dort als Lektor und Übersetzer. 1947 flüchtete er über Ungarn nach Wien und übersiedelte 1948 nach Paris. Dort lernte er 1951 seine künftige Frau Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft. 1955 wurde ihr Sohn Eric geboren (als zweites Kind, das erste Kind starb 1953 kurz nach der Geburt). Im April 1967 entschieden er und seine Frau, in Zukunft getrennt voneinander zu leben.

In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1970 starb er, vermutlich durch Selbsttötung, durch Sturz von einer Brücke in die Seine.

zum Gedicht

„Neben mir lebst du“ → mir muss das lyrische Ich sein, wer ist dann das du? Das nächste Personalpronomen (wir) deutet ebenfalls auf eine weitere Person hin.

Ein weiteres menschliches Wesen bietet sich in dem Wort Geliebte an.

Wir haben also ein lyrisches Ich und (s)eine Geliebte. Beide werden mit einem Stein verglichen: als ein Stein

Der Vergleich scheint momentan noch nicht schlüssig, also suchen wir weiter nach Stein: In Vers 6 wird der Vergleich zu einer eindeutigen Metapher: wir Steine, wobei das wir unseren Befund: lyrisches Ich und Geliebte = Stein unterstützt. Das Motiv Steine lässt sich nun leicht weiter verfolgen: rollen (V. 5), runder (V. 7).

Über das Rollen und runder erschließen sich logisch die zeitliche und örtliche Komponente (pausenlos, von Rinnsal zu Rinnsal) Steine rollen abwärts, von Rinnsal zu Rinnsal lässt auf abwärts fließendes Wasser schließen, vielleicht im Gebirge, folglich ist auch die Halde logisch integriert. Wir sind also nun bei einem Bergabhang mit kleinen Wasserläufen, in denen Steine langsam abwärts rollen und sich dabei naturgemäß durch Reibung und Wasser langsam abschleifen → „runder von Mal zu Mal“. Damit werden sie auch immer ähnlicher, individuelle Kanten verschwinden, sie werden abgeschliffen, was am Schluss bleibt – in der Halde, also unten am Abhang – ist ein kleiner, glatter, runder Kieselstein.

Aber nun kommt das „Fremder“!? Zurück zum Ausgangspunkt: Stein gleicht lyrisches Ich und Geliebte, die zusammen leben, zusammen diesen Weg machen, sich angleichen. Aber Achtung: Erstes Wort im Gedicht: Neben mir lebst du, gleich mir – hier steht nicht „Mit mir lebst du“. Nebeneinander leben bedeutet im Gegensatz zu miteinander leben eine gewisse Unpersönlichkeit, eine Fremdheit → fremder. Das gleich mir kann sich sowohl darauf beziehen, dass nicht nur sie neben ihm, sondern auch er neben ihr (daher)lebt, gleichzeitig ist es das Bindeglied zum nächsten Vers: als ein Stein; beide sind sie Steine. (Ein typisches Arbeiten mit mehreren, gleichzeitigen Ebenen).

Jetzt können wir vielleicht auch den Vers in der eingesunkenen Wange der Nacht knacken:

Wange – Nacht – Geliebte wird zunächst eindeutig positiv assoziiert. Eingesunkene Wange entspricht aber gleichzeitig als Bild der Halde, real gesehen kann man eingesunkene Wange mit Unwohlsein, Krankheit, ja Tod assoziieren – womit die Nacht eine neue Bedeutung bekommt.
Hier ließe sich als erster Interpretationsansatz dann das Sterben einer Liebe (Geliebte – fremder) herausholen, wobei das Sterben dieser Liebe nicht durch irgendein äußeres oder inneres Ereignis oder Geschehen hervorgerufen wird, sondern ganz einfach durch dieses gemeinsame pausenlos rollen von Rinnsal zu Rinnsal. Pausenlos, ohne Unterbrechung, ohne Höhepunkt (nur von Rinnsal zu Rinnsal). Und dieses dauernde Zusammenleben ohne Höhepunkte macht sie auf der einen Seite immer ähnlicher, auf der anderen Seite immer fremder. Die gemeinsamen Punkte und Reibflächen werden wie bei den Steinen gegen null reduziert (man klebe zwei runde Steine aneinander).

Celan gibt sich aber damit leider noch nicht zufrieden. Er bringt ein drittes Wesen ins Spiel: dieses trunkene Auge. Das „wir“ gibt einen ersten Anhaltspunkt. Das Umherirren, das die drei verbindet, bringt eine neue Komponente ins Spiel: nicht nur pausenlos, sondern auch ziel- und orientierungslos (umherirren) sind sie auf ihrem Weg. Vom Bild des Bergabhangs und der Halde ausgehend, muss das Auge über ihnen sein. Auge in der Kunst häufig Darstellung für Gott, der alles sehende, alles erkennende und alles wissende. Und der schaut die beiden als eins an → ähnlicher, beide Krone der Schöpfung etc. Warum dann staunend? Staunt man manchmal nicht auch selber über das, was aus einer Beziehung, einer großen Liebe im Laufe der Zeit wird oder geworden ist, ganz ohne spektakuläre Ereignisse, Zerwürfnisse? Religiös gesehen könnte also auch Gott (oder „jenes höhere Wesen, das wir verehren“, um Bölls Dr. Murkes gesammeltes Schweigen zu bemühen) staunend auf das Ergebnis schauen: da liegen sie nun nebeneinander, kaum zu unterscheiden und doch so fremd. In einer säkularisierten Interpretation kämen wir hier sogar ohne „Gott“ aus. Ein anderer, der ziellos umherirrt, betrachtet die beiden, von denen er annimmt, dass sie Liebe verkörpern, und sieht sie als nebeneinander liegende Kieselsteine unter all den anderen Kieselsteinen in der (Geröll)Halde: der moderne Mensch in der modernisierten Welt.

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