Goethe, Johann Wolfgang von - Der Zauberlehrling (Interpretation)

Schlagwörter:
Johann Wolfgang von Goethe, Analyse, Ballade, Reimschema, Strophen, Deutungshypothese, Referat, Hausaufgabe, Goethe, Johann Wolfgang von - Der Zauberlehrling (Interpretation)
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Referat

Interpretation „Der Zauberlehrling“ - Johann Wolfgang von Goethe

Der Zauberlehrling ist eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe, die zu seinen populärsten Werken gehört. Im Druck veröffentlicht wurde die Ballade erstmals im Jahr 1827. Entstanden ist sie in der Weimarer Zeit Goethes, im Jahre 1797, dem sogenannten Balladenjahr der Klassik, das in die literarische Geschichte einging. Der Zauberlehrling ist eines der bekanntesten Gedichte Goethes. Noch heute ist "Der Zauberlehrling" häufiger Unterrichtsstoff an Schulen.

Die Ballade „Der Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe handelt von einem jungen Zauberlehrling, der durch sein Tun und seine Sprache zeigt, dass es ihm an Balance, am richtigen Verhalten zur Welt und zu sich selbst fehlt. Es wird ein deutlicher Kontrast zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Können, also der Gegensatz zwischen Amateurhaftigkeit und Professionalität in das Zentrum der Ballade gerückt.

Die Ballade kann in drei deutlich voneinander abgetrennte Abschnitte eingeteilt werden. Goethe verwendet zur Abtrennung Bindestriche (vgl. Vers 40 und Vers 88).

Die Ballade besteht aus 14 Strophen, die durch Einrückung aufgeteilt sind in sieben eigentliche Strophen und sieben Strophen in Form eines Refrains. Jede (Voll-)Strophe besitzt dabei 8 Verse. Der erste Teil jeder Strophe setzt sich aus vier Versen mit vierhebigen Trochäen zusammen, gefolgt von vier weiteren Versen mit dreihebigen Trochäen. Während die ersten vier Verse der Strophen alle eine klingende Kadenz aufweisen, wechseln sich in den letzten vier Versen der Strophen jeweils klingende und stumpfe Kadenzen ab. Der Refrainteil weist sechs Verse mit vier zweihebigen und zwei vierhebigen Trochäen auf. Die ersten vier Verse weisen dabei eine stumpfe, die zwei abschließenden eine klingende Kadenz auf.

  • 7 Strophen mit je 8 Versen
  • 7 Refrainstrophen mit je 6 Versen
  • Reimschema (Strophe): [abab cdcd] (jeweils im Kreuzreim)
  • Reimschema im Refrainteil der Strophen ist: [effgeg]

In dem ersten Abschnitt (Vers 1 – 40) ist der Zauberlehrling vollkommen von seinen Fähigkeiten als Zauberer überzeugt und nutzt die Möglichkeit, dass der Meister ihn alleine gelassen hat, um einen Zauber auszusprechen. An diesem Punkt verlieren alle Verbote kurzfristig ihre Bedeutung. Er nutzt einen magischen Zauber für seine persönlichen Bedürfnisse und ist gewillt einen Besen zu beleben um Wasser in die Badewanne zu befördern. Er führt die Tat aus und ist völlig berauscht von deren vermeintlich positiven Verlauf. Das lyrische Ich ist völlig begeistert von seiner Tat, dass es die Entstehung des eigentlichen Problems nicht bemerkt.

In dem zweiten Abschnitt (Vers 41 – 88) wird Angst im Lehrling geweckt, da er bemerkt, dass er den Zauberspruch nicht mehr rückgängig machen kann. Er ist bemüht, das selbst geschaffene Problem wieder unter Kontrolle zu bringen, scheitert aber daran. Hier wird der Versuch der Problemlösung deutlich dargestellt. Seine anfängliche Euphorie schwindet, wobei im Gegenzug Angst, Hilflosigkeit sowie anschließende Wut in ihm geweckt wird.

Im Übergang vom zweiten zum dritten Abschnitt ist während des Rettungsversuches deutlich Enttäuschung und Selbsterkenntnis erkennbar. Der zweite Abschnitt endet mit einem erneuten Hilferuf an den Meister. Im letzten Abschnitt (Vers 89 – 98) erscheint der Meister, erkennt die problematische Situation und bringt die Misere wieder in Ordnung.

Goethe verwendet in den acht-zeiligen Strophen kontinuierlich einen Kreuzreim. In den sich immer wiederholenden sechs-zeiligen Strophen lässt sich eine Kombination aus einem umarmenden Reim (vgl. Vers 9 u. Vers 13), einem Paarreim (vgl. Vers 10 u. Vers 11) und einem Kreuzreim (vgl. Vers 12 u. Vers 14) erkennen. Die Silbenbetonung ist nach dem Schema eines Trochäus aufgebaut, wobei fast durchgehend vier Hebungen zu erkennen sind. Eine Ausnahme bildet ein drei-hebiger Trochäus, welcher Atemlosigkeit beim Lesen hervorruft. Diese Verknappung der Hebungen greift ebenfalls auch die inhaltliche Hektik und Panik des Zauberlehrlings auf, die im zweiten Abschnitt dargestellt wird. Bei der Betrachtung der Kadenzen, ist festzustellen, dass die Verse sechs und acht einer acht-zeiligen Strophe männliche Kadenzen aufweisen, wobei alle anderen Verse weibliche Kadenzen zeigen.

In Vers fünf ist eine Alliteration erkennbar, die den Anfang der problematischen Situation einleitet. Unterstützt wird dieses Stilmittel durch zwei Inversionen in Vers sechs „und den Brauch“ und in Vers 8 „auch“, die deutlich die Selbstüberschätzung des lyrischen Ichs aufzeigen sollen. Goethe hat zwei weitere Alliterationen (Vers 9 und Vers 11) zusammen mit einem Imperativ (Vers 9) in die sechs-zeilige Strophe integriert, um zusammen mit dem komplexen Reimschema eine kunstvoll verwobene Zauberformel zu präsentieren. Die Personifikation „Knecht“ (Vers 17) positioniert den Besen ins Zentrum der Geschehnisse, denn durch die Euphorie des Zauberlehrlings gleichen seine Worte denen eines Kindes, da er – wie ein Kind – mit einem nicht lebendigem Gegenstand redet. Hinzu kommt, dass das Possessivpronomen „meinen“ (Vers 18) das Selbstbewusstsein und die Naivität des lyrischen Ichs aufzeigt. Der Zauberlehrling ist vollkommen überzeugt von den eigenen Fähigkeiten. Dass Goethe den Zauberlehrling das Wort „Seht“ (Vers 29) aussprechen lässt, steht für die Kreation eines imaginären Publikums. Das lyrische Ich spricht mit dem irrealen Publikum um seine Begeisterung kund zu tun. Die Hyperbel „Blitzesschnelle“ (Vers 31), sowie die Inversion „wieder“ (Vers 31) verdeutlichen die Begeisterung und den großen Stolz des Zauberlehrlings. Als rhetorische Verstärkung wirkt hier eine Anapher in den Versen 34 und 35. Das lyrische Ich erkennt sein vollbrachtes Werk und triumphiert darüber, dass es dem Besen alles befehligen kann, was ihm beliebt. Dieser vollkommene Machtrausch wird in Vers 37 als Imperativ dargestellt. In Vers 38 wird das imaginäre Publikum („wir“) erneut angesprochen, wobei erkennbar ist, dass der Zauberlehrling seine Euphorie und seine Selbstsicherheit allen mitteilen will. Die Interjektion „Ach“ (Vers 41) ist ein Ausdruck der Emotionalisierung und wird durch eine Emphase (Vers 41) verstärkt. Außerdem ist die Emphase zugleich eine Alliteration, die die Angst des Zauberlehrlings ausdrücken soll. In der folgenden Strophe ist eine Trias zu erkennen.

Diese Dreierfigur „Ach“ (Vers 43, Vers 45 u. Vers 49) ist ebenfalls ein Zeichen der Emotionalität und Aufgewühltheit. Die aus dem Inhalt deutlich erkennbare aufsteigende Panik des lyrischen Ichs ist in der Dreierfigur wiederzufinden. Denn der Abstand der einzelnen Interjektionen zeigt keine Gleichmäßigkeit auf, was in jedem Falle für Ungeordnetheit steht und somit den Inhalt stilistisch untermalt. Außerdem beginnt in dieser Strophe die Verknappung der Hebungen. Es sind nur noch drei Hebungen erkennbar und auch die Wortwahl unterstützt die Atemlosigkeit. Goethe wählt bewusst zuerst das Wort „Güsse“ (Vers 47), welches einen weniger dramatisch klingenden Inhalt hat. Jedoch lässt er nicht nur durch die Dreierfigur und die Verknappung Atemlosigkeit aufkommen, sondern wählt bewusst zusätzlich das Wort „Flüsse“ (Vers 49), das einen viel gefährlicheren Eindruck erweckt, da er das Wort außerdem noch Teil einer Hyperbel werden lässt („hundert Flüsse“). Diese inhaltliche Steigerung und stilistische Übertreibung verstärken die Panik des lyrischen Ichs.

Das Metrum im Vers 51 nennt man Spondäus, da es drei aufeinander folgende betonte Silben gibt. Es wird als Ausnahme eingefügt und spiegelt die Panik und Hilflosigkeit wieder. Der Autor zeigt damit, dass die Zeit drängt und der Zauberlehrling etwas gegen die problematische Situation unternehmen muss. Die Panik wird außerdem nochmals in Vers 55 mit der Interjektion „Ach“ aufgezeigt. Eine Repetitio in Vers 56 ist ebenfalls erkennbar und soll als rhetorische Verstärkung dienen.

Weiterhin ist eine Interjektion in Vers 57 vorhanden. In derselben Zeile verwendet Goethe sehr negative und aggressive Wörter wie „Ausgeburt“ und „Hölle“, die die entstehende Wut des Zauberlehrlings zu erkennen geben sollen. Die Personifikation in Vers 58 und gleichzeitige rhetorische Frage zeugen von Hilflosigkeit und Wut. In Vers 60 wird eine Hyperbel „Wasserströme“ verwendet, wobei diese, auch inhaltliche Übertreibung die Wut des lyrischen Ichs aufzeigen soll. Um seiner Wut mehr Ausdruck zu verleihen, integriert Goethe in Vers 64 einen erneuten Imperativ „Steh doch wieder still!“. Die Anapher „Will“ (Vers 65, Vers 67 u. Vers 68) ist als rhetorische Verstärkung des sich entwickelnden Wutzustandes zu sehen.

Der Rettungsversuch wird durch zwei Anaphern in den Versen 71 und 76, sowie in den Versen 77 und 78 zum Ausdruck gebracht. Das lyrische Ich schöpft erstmals Hoffnung, die aber in der nächsten Strophe sofort durch die einleitende Emphase (Vers 79) und die folgenden Verse entkräftet wird. In Vers 84 ist eine Interjektion zu erkennen, die Ausdruck von Einsicht zeigt.

Das lyrische Ich erkennt, dass es sich selbst überschätzt hat und die problematische Situation, in der es sich befindet, nur mithilfe von hohen Mächten (vgl. Vers 84) bewältigen kann. Dies wird ebenfalls durch den eingefügten Imperativ in Vers 84 deutlich. Zwei folgende Alliterationen in den Versen 85 und 86 zeigen als rhetorische Verstärkung die Verzweiflung des Zauberlehrlings auf. In Vers 88 wird ein erneuter Hilferuf an den Meister ausgesprochen, wonach der oben genannte dritte Abschnitt anfängt. Die Interjektion „Ach“ (Vers 89) präsentiert die Erleichterung des lyrischen Ichs. Die in Vers 91 folgende Inversion „Die ich rief, die Geister“ dient der Problemdarstellung.

Der dritte Abschnitt enthält in Vers 94 eine Repetitio, die verdeutlicht, dass der Meister sein Augenmerk ausschließlich auf das eigentliche Problem legt. Die nachfolgende Ellipse „Seid‘s gewesen!“ steht für die Auslassung unwichtiger Wörter. So muss der Meister keine langen Sätze sprechen um seine Professionalität zu zeigen, sondern beweist seine Kompetenz durch die Benutzung der wichtigsten Wörter. Und auch das Possessivpronomen „seinem“ (Vers 97) verdeutlicht die Machtverhältnisse zwischen dem Zauberlehrling und ihm.

Abschließend sehe ich meine anfangs erwähnte Deutungshypothese, dass Sein Tun und seine Sprache zeigen, dass es ihm an Balance, am richtigen Verhalten zur Welt und zu sich selbst fehlt, bestätigt. Die vom Meister hinterlassene Ordnung geht zwangsläufig verloren, wenn der Zauberlehrling herrscht. Der Meister dagegen verhindert bereits mit seiner Gegenwart die Unordnung. Durch die wenigen Worte, die er spricht, finden die Dinge, in diesem Fall die Besen, wieder ihren richtigen Platz. Das lyrische Ich hat sich grenzenlos selbst überschätzt, seine Erfahrungslosigkeit nicht beachtet und keine Beschränkung für das eigene Wollen und Tun anerkannt.

Goethe zeigt in dem Gedicht "Der Zauberlehrling" seine Skepsis gegenüber dem Streben nach Autonomie, das noch seine Sturm-und-Drang-Zeit bestimmte. Der Versuch, gegen die Herrschaft des Meisters aufzubegehren und selbstständig zu handeln, führt aufgrund massiver Kompetenzdefizite des Lehrlings ins Chaos. Erst die Besinnung auf die alte Autorität und die ursprüngliche Ordnung rettet letztlich die Situation. Der Zauberlehrling ist so gesehen das Gegenstück zu Prometheus. Das Gedicht spiegelt das Gedankengut der Weimarer Klassik wider. Die Handlung der Ballade bleibt in sich geschlossen, lässt sich aber doch auf zahlreiche Bereiche übertragen. Besonders die Übertragung auf die Erkenntnisse der Wissenschaft und die nicht immer abschätzbaren Folgen liegt nahe. Der Satz „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los“ beschreibt sehr anschaulich die Dilemmata einer Wissenschaft, die für die Folgen ihrer Forschung verantwortlich gemacht wird.

Die Ballade steht nicht nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Französischen Revolution. Mit seiner Warnung vor der Eigenmächtigkeit von Menschen, die im Grunde genommen nur „Lehrlinge“ sind, reagiert Goethe auf die Revolution auf ähnliche Weise wie sein Freund Friedrich Schiller, der in seinem 1799 veröffentlichten Lied von der Glocke warnt: Der Meister kann die Form zerbrechen / Mit weiser Hand, zur rechten Zeit; / Doch wehe, wenn in Flammenbächen / Das glüh’nde Erz sich selbst befreit!

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