Lasker-Schüler, Else - Dem Abtrünnigen (oder: Hinter Bäumen berg ich mich)

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Else Lasker-Schüler, Formell, Inhalt, Referat, Hausaufgabe, Lasker-Schüler, Else - Dem Abtrünnigen (oder: Hinter Bäumen berg ich mich)
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Referat

Else Lasker-Schüler - Dem Abtrünnigen

Else Lasker-Schüler - Dem Abtrünnigen (1902) (auch bekannt mit dem Titel: Hinter Bäumen berg ich mich)

Der Titel des Gedichts ist nicht eindeutig festgelegt, da beide Titel verwendet werden können, je nach Quelle und Kontext:

  • „Dem Abtrünnigen“: Dieser Titel legt den Fokus auf die Adressierung des Gedichts an eine bestimmte Person, nämlich den „Abtrünnigen“. Er betont die emotionale Verbindung und den Verrat, der inhaltlich zentral ist. Diese Titelvariante ist oft in Sammlungen und Interpretationen zu finden.

  • „Hinter Bäumen berg ich mich“: Dieser Titel stammt aus der ersten Zeile des Gedichts und rückt den Zustand des lyrischen Ichs in den Vordergrund – das Sich-Verstecken und Verbergen als Reaktion auf den Schmerz. Er ist ebenfalls gängig und wird manchmal als Alternativtitel verwendet.

Es ist nicht unüblich, dass Gedichte, insbesondere im Expressionismus, mehrere Titel haben oder mit dem ersten Vers als Titel zitiert werden. Beide Varianten sind also korrekt und spiegeln unterschiedliche Aspekte des Gedichts wider. Im Weiteren nennen wir das Gedicht Dem Abtrünnigen. Auch wenn der Titel Hinter Bäumen berg ich mich ebenso gebräuchlich für das Gedicht ist.

Hinter Bäumen berg ich mich
von Else Lasker-Schüler

Hinter Bäumen berg ich mich
Bis meine Augen ausgeregnet haben,
 
Und halte sie tief verschlossen,
Daß niemand dein Bild schaut.
 
Ich schlang meine Arme um dich
Wie Gerank.
 
Bin doch mit dir verwachsen,
Warum reißt du mich von dir?
 
Ich schenkte dir die Blüte
10 
Meines Leibes,
 
11 
Alle meine Schmetterlinge
12 
Scheuchte ich in deinen Garten.
 
13 
Immer ging ich durch Granaten,
14 
Sah durch dein Blut
 
15 
Die Welt überall brennen
16 
Vor Liebe.
 
17 
Nun aber schlage ich mit meiner Stirn
18 
Meine Tempelwände düster.
 
19 
O du falscher Gaukler,
20 
Du spanntest ein loses Seil.
 
21 
Wie kalt mir alle Grüße sind,
22 
Mein Herz liegt bloß,
 
23 
Mein rot Fahrzeug
24 
Pocht grausig.
 
25 
Bin immer auf See
26 
Und lande nicht mehr.

(„Hinter Bäumen berg ich mich“ von Else Lasker-Schüler ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.3 KB) zur Unterstützung an.)

Autor:

Else Lasker-Schüler war eine deutsche Dichterin jüdischen Glaubens. Sie gilt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus. Sie war aber auch eine bedeutende Zeichnerin. Geboren wurde sie am 11. Februar 1869 in Elberfeld, heute Wuppertal. Gestorben ist sie im Alter von 75 Jahren am 22. Januar 1945 in Jerusalem.

Zeitlich:

Expressionismus

Formell:

Das Gedicht besteht aus dreizehn Strophen mit jeweils zwei Versen. Zwischen der sechsten und siebenten Strophe befindet sich ein reiner Endreim (Garten – Granaten). In der 10. Strophe kommt eine Unstimmigkeit vor („du spanntest ein loses Seil“).

Inhalt:

Aus dem Titel erkennt man, dass die Autorin dieses Gedicht jemandem widmet, der von ihr geht. Im ersten Teil des Gedichtes schreibt Else Lasker-Schüler über den Schmerz des Verlustes. Durch Verschließen der Augen verhindert sie, dass jemand das Bild ihres Geliebten sieht. Im zweiten Teil schreibt sie über die Zusammengehörigkeit der beiden. Sie sieht das Blut der Liebe und meint die Liebe kennt keine Grenzen („die Welt überall brenne vor Liebe“). Zuletzt kommt sie endlich zu Sinnen, bemerkt, dass er doch nur ein „falscher Gaukler“ war. Ihr Herz pocht schnell vor Wut und jeglicher Versuch, sie umzustimmen, schlägt fehl. Sie kommt nie wieder zurück.

Interpretationsansätze von Else Lasker-Schülers Gedicht „Dem Abtrünnigen“

Else Lasker-Schülers Gedicht Dem Abtrünnigen ist ein beeindruckendes Werk des Expressionismus, das von intensiven Gefühlen und bildhafter Sprache geprägt ist. Das lyrische Ich durchläuft eine emotionale Reise von Schmerz über Liebe bis hin zu enttäuschter Wut und endgültiger Loslösung.


1. Der Titel: „Dem Abtrünnigen“

Der Titel deutet auf einen Bruch oder Verrat hin. Der „Abtrünnige“ könnte ein geliebter Mensch sein, der die Beziehung verlassen hat. Bereits der Titel stellt die emotionale Zerrissenheit des lyrischen Ichs in den Mittelpunkt und verweist auf die zentrale Thematik: Trennung, Verlust und die Auseinandersetzung mit der Endgültigkeit.


2. Der Ausdruck von Schmerz und Trauer

Die ersten Strophen beschreiben den tiefen Schmerz des Verlustes. Die Metapher „Hinter Bäumen berg ich mich“ zeigt, wie sich das lyrische Ich zurückzieht, um ungestört zu trauern. Das Bild des „Ausregnens der Augen“ verstärkt die Vorstellung von intensivem Weinen. Das lyrische Ich hält die Augen „tief verschlossen“, um das Bild des Geliebten in sich zu bewahren und vor anderen zu schützen. Diese Geste der Abwehr und des Schutzes verdeutlicht die Verbundenheit und die tief empfundene Trauer.


3. Die Verbundenheit der Liebe

In den mittleren Strophen beschreibt das lyrische Ich die innige Verbindung zum Geliebten. Die Metapher „Ich schlang meine Arme um dich / Wie Gerank“ deutet auf eine Verschmelzung hin, eine Art symbiotische Beziehung, in der das lyrische Ich sich selbst verliert. Die Frage „Warum reißt du mich von dir?“ verdeutlicht die Unverständlichkeit und Grausamkeit der Trennung aus der Sicht des lyrischen Ichs.

Die Darstellung von „Blüte“ und „Schmetterlingen“ symbolisiert die Hingabe und die Schönheit der Liebe, die das lyrische Ich in die Beziehung eingebracht hat. Das Bild der „Granaten“ steht für die Gefahren und Opfer, die die Liebe mit sich brachte, und das „Blut“ wird zur universellen Metapher für Leidenschaft, Schmerz und die alles verzehrende Kraft der Liebe.


4. Wut und Desillusionierung

Ab der Strophe „Nun aber schlage ich mit meiner Stirn / Meine Tempelwände düster“ vollzieht sich ein Wandel. Die anfängliche Trauer weicht der Wut und Desillusionierung. Das lyrische Ich erkennt, dass der Geliebte ein „falscher Gaukler“ ist, der mit einem „losen Seil“ eine unsichere und unverlässliche Beziehung geschaffen hat. Die Metapher des „losen Seils“ steht für Betrug und fehlende Stabilität.

Der Verlust hat das lyrische Ich zutiefst verletzt, was durch das Bild „Mein Herz liegt bloß“ und das „rot Fahrzeug / Pocht grausig“ verstärkt wird. Das Herz, als Zentrum der Emotionen, wird hier schutzlos dargestellt und zeigt die Verwundbarkeit des lyrischen Ichs.


5. Das Gefühl von Haltlosigkeit

Die abschließende Zeile „Bin immer auf See / Und lande nicht mehr“ verdeutlicht die Orientierungslosigkeit und das Gefühl, keinen festen Boden mehr unter den Füßen zu haben. Das lyrische Ich beschreibt eine endlose Suche, die jedoch ohne Ziel bleibt. Die Beziehung hat eine Leere hinterlassen, die nicht gefüllt werden kann.


6. Stilistische Elemente

Das Gedicht nutzt typische Elemente des Expressionismus:

  • Intensive Bildsprache: Metaphern wie „Blut“, „Granaten“ und „Gerank“ verstärken die emotionalen Extreme.
  • Fragmentierung: Kurze Zeilen und abrupte Wendungen spiegeln die innere Zerrissenheit wider.
  • Subjektivität: Das Gedicht ist ein tief persönlicher Ausdruck der Gefühle des lyrischen Ichs, das keine objektive Außenwelt beschreibt.

7. Fazit

Dem Abtrünnigen ist ein emotional aufgeladenes Gedicht, das universelle Themen wie Liebe, Verlust und Desillusionierung behandelt. Else Lasker-Schüler gelingt es, die Zerrissenheit und Verzweiflung des lyrischen Ichs in intensiven Bildern darzustellen. Das Gedicht ist nicht nur ein Ausdruck von Trauer, sondern auch von Selbsterkenntnis: Die Wut und der endgültige Bruch ermöglichen es dem lyrischen Ich, sich von der Abhängigkeit zum „falschen Gaukler“ zu lösen und einen neuen Weg zu suchen – auch wenn dieser zunächst ziellos erscheint. Die Vielschichtigkeit des Gedichts lädt dazu ein, immer neue Facetten zu entdecken und die emotionalen Tiefen zu ergründen.

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