Beck, Ulrich - Das Soziale löst sich auf (Texterörterung)

Schlagwörter:
Ulrich Beck, Gewalt unter Jugendlichen als Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse, Deutschland, Jugendgewalt, Gewalt unter Jugendlichen, Ursachen und Folgen der wachsenden Gewaltbereitschaft, Referat, Hausaufgabe, Beck, Ulrich - Das Soziale löst sich auf (Texterörterung)
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Referat

Texterörterung - Thema: Ulrich Beck „Das Soziale löst sich auf“

Aufgabe: 
Analysieren Sie den Text! Setzen Sie sich erörternd mit dem hier entworfenen Bild der Jugend auseinander! Verdeutlichen Sie Ihre persönliche Haltung zu ausgewählten Textproblemen!


Gliederung:

A: Einleitung – Gewalt unter Jugendlichen als Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse 
B: Hauptteil 

1 Analytische Textbeschreibung

1.1 Allgemeine Angaben zum Text
1.2 Thematik und Textproblem
1.3 Textwiedergabe
1.4 Darstellung des Gedankengangs und der Argumentationsstruktur unter Berücksichtigung auffälliger sprachlicher Mittel 

2 Texterörterung

2.1 Textkritik
2.2 Auseinandersetzung mit einzelnen Aussagen des Textes
2.3 Erörterung der eigenen Sicht auf das Problem

C: Schluss – Ausblick in die nahe Zukunft der Bundesrepublik Deutschland


Der Spiegelartikel „Das Soziale löst sich auf“ von Ulrich Beck setzt sich kontrovers mit der Problematik Jugendgewalt auseinander. Hierbei untersucht er ausführlich die Ursachen und Folgen und stellt Prognosen für die wachsende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen.

Der publizistische Text „Das Soziale löst sich auf“ von Ulrich Beck erschien im Jahr 1996, in der dritten Ausgabe des Spiegels auf Seite 102 und den folgenden. Hierin schildert der Verfasser die erschreckend hohe Gewaltbereitschaft unter den heutigen Jugendlichen und ihre Motive. So weist er auf den stetig wachsenden Druck, der auf die Jugend ausgeübt wird, hin. Auch sieht er den Staat nicht schuldlos in dieser Problematik.
Ulrich Beck beschreibt die Jugendkriminalität als ein Gesellschaftsproblem, das sich nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern auch in anderen westlichen Industrienationen, zum Beispiel den Vereinigten Staaten von Amerika, zu einem immer größeren Problem wird. Als Ursache sieht der Autor dafür die heutigen Gesellschaftsverhältnisse und die zunehmende Individualisierung der Jugend. Die Tatsache, dass Jugendliche immer früher wichtige Entscheidungen treffen müssen und sich dadurch vermehrt unter Druck setzen, führt heutzutage ebenfalls zu körperlicher Gewalt unter Jugendlichen. Die Haltlosigkeit in der Gesellschaft, die letztendlich zu Gewaltausbrüchen führt, ist laut Ulrich Beck auf die zunehmend kaputten Familienverhältnisse (Scheidung → alleinerziehende(r) Mutter bzw. Vater) zurückzuführen. Selbst wenn die Familien noch intakt sind, kann der vermeintlich richtige Erziehungsweg der Eltern auch eine Stütze der Gewaltausbrüche sein. Auch spielt der Staat in der Argumentation von Ulrich Beck eine zentrale Rolle: Er sieht die Strafmaßnahmen für jugendliche Kriminelle als zu harmlos an. Seine dargestellten Ursachen sieht der Autor im Lebensbild der heute Heranwachsenden bestätigt: Die Jugend ist politikverdrossen und es zählen nur materielle Werte. Abschließend zieht Beck eine daraus resultierende Verbindung zwischen Jugendkriminalität und der verfehlten Erziehungspolitik der Eltern. Außerdem verurteilt er die Erziehungsinstanzen zur fehlenden Vermittlung von Normen und Werten. Für sie zählt allein die Vermittlung von Bildung, die scheinbar aber trotzdem nicht vor Kriminalität schützt.

Seine Argumentation beginnt Ulrich Beck mit seiner Kernthese „Das Soziale löst sich auf“ als Titel seines Artikels. Der Artikel ist in sechs Sinnabschnitte gegliedert, wobei sich der erste von Zeile 1 bis Zeile 4 erstreckt. Hier gibt Ulrich Beck eine Einführung in das Problem, indem er ein Argument in Form einer Berufung auf eine Autorität, dem Soziologen Oskar Negt, formuliert: „Jede Jugend zeigt der Gesellschaft das Bild ihrer eigenen Zukunft“ (Z.1). Diese Expertenmeinung reflektiert die grundsätzliche Position des Autors, die er mit einer vergleichenden Behauptung erweitert: „Während damals eine Null-Bock-Stimmung im Nachwuchs alarmierend wirkte, kann die junge Generation von heute die Erwachsenen das Fürchten lehren.“ (Z.2-4) Auffällig ist hierbei die Verwendung des Wortes „Null-Bock-Stimmung“ (Z.3), das der Jugend- bzw. Umgangssprache zuzuordnen ist, zeigt aber wiederum, dass sich der Verfasser mit der Jugendgeneration und seinen Umgangsformen vertraut gemacht hat. Diese Wirkung erzielt er ebenso bei dem Gebrauch der allgemein bekannten Redewendung „jemandem das Fürchten lehren“, was die ernste Problematik aber auch auflockert.

Der zweite Sinnabschnitt erstreckt sich von Zeile 5 bis Zeile 12 und stellt Prognosen bzw. Tendenzen der Problematik dar. Der Autor Ulrich Beck beginnt seine Beweisführung mit einem Verweis auf einen Experten. Das als Argument eingesetzte Zitat des Pädagogikprofessors Wilhelm Heitmeyer, dass „die Gewaltprobleme sowohl in der Mitte der Gesellschaft als auch in den Randzonen wachsen werden“ (Z.5-6), stellt eine brisante Prognose für die Zukunft dar. Er untermauert seine Aussagen durch die Verweisung auf Parallelen, wie zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika, die einen ähnlichen Trend verzeichnen müssen (Z.9-12).
An diese Argumente schließt sich der dritte Sinnabschnitt, der die Zeilen 13 bis 43 beinhaltet. Inhaltlich befasst sich Ulrich Beck im ersten Teil des dritten Abschnitts mit den Ursachen der Gewaltbereitschaft. Er behauptet: „Erwartet wird ein ‚Sturm‘ der Jugendgewalt, zumal ein kopfstarker Nachwuchs in die aktiven Jahre kommt und so mancher haltlos dasteht: ‚vaterlos, gottlos und arbeitslos‘. (Z.13-14) Hierbei setzt er bewusst den Kontrast bei seiner Wortwahl mit dem positiv konnotierten Adjektiv „kopfstark“ (Z.13) und den negativ konnotierten Adverbien „haltlos“, „vaterlos“ und „arbeitslos“ (Z.14). Die Reihung der negativ konnotierten Adverbien kann auch als Klimax gedeutet werden. Weiterhin fügt Beck ein argumentatives Zitat Heitmeyers an: „Die Jugendlichen [...] sind nicht die Motoren einer solchen Entwicklung“ (Z.15-16). Auf diesen Ausspruch folgt eine Behauptung von Ulrich Beck, der darin die Ursachen der Gewalt sieht: Jugendliche reagieren manchmal aggressiv, wenn sie aus den wenigen Möglichkeiten, die ihnen geblieben sind, ihr Leben gestalten müssen. (Z.16-17) Anschließend fügt der Verfasser ein konträres Argument an: In der Vergangenheit waren die Lebensläufe „durch vielfältige Zwänge und Klassenschranken vorgefertigt“ (Z.18-19), wohingegen die heutige Jugend unzählige Wahl- und Handlungsfreiheiten besitzt, mit denen sie ihren persönlichen Lebensweg selbst bestimmen können und auch wollen. (Z.18-21) Weiterhin argumentiert Ulrich Beck mit der Kehrseite der Freiheit im zweiten Teil des dritten Sinnabschnitts: „Die heranwachsenden Individuen stehen unter dem neuen Zwang, ihre Lebensläufe selbst herstellen und schon in frühen Jahren wichtige Entscheidungen zu treffen, deren Auswirkungen sie in der verwirrenden Welt mit ihren rasanten Veränderungen und komplizierten Rückkopplungen nicht ermessen können.“ (Z.22-25) In diesem Argumentationsteil fällt die erstmalige Präzisierung der Ursachen auf, im vorhergehenden Teil hat sich der Verfasser immer sehr allgemein gehalten. Weiterhin schildert er die Folgeerscheinungen, die sich an ein „quälendes Gefühl der Verunsicherung“ (Z.26) anschließen. Er argumentiert mit der Tatsache, dass betroffene Jugendliche dazu neigen, „ihre Aggressionen nach innen gegen sich selbst zu richten – bis hin zu selbstzerstörerischen Süchten – oder neuerdings verstärkt in Gewalttätigkeit auszuleben.“ (Z.27-28) Als Ursachen für die Haltlosigkeit der Jugendlichen in der heutigen Gesellschaft und die daraus resultierende Gewaltbereitschaft sieht Ulrich Beck drei Tatsachen: Erstens „die epochalen Auflösungserscheinungen der Familien“ (Z.29-30) als Hauptgrund der Haltlosigkeit, zweitens „der Erziehungsstil der Eltern [, der] einem Wechselbad gleicht“ (Z.30) und drittens die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft „letztlich alles über Gewalt geregelt“ (Z.36) wird. Ulrich Beck zieht einen indirekten Vergleich mit seiner Formulierung „wenn der Erziehungsstil der Eltern einem Wechselbad gleicht“ (Z.30), indem er die variable Erziehungspolitik scharf verurteilt. Es lässt sich herausdeuten, dass Beck eine einheitliche Politik in Sachen Erziehung fordert, man sollte nach seiner Meinung auf keinen Fall zwischen autoritärer und antiautoritärer Methoden schwanken. Diese Unentschlossenheit der Eltern lässt bei den Kindern nämlich eine Form der Unsicherheit entstehen. Seine Argumentation unterbricht der Verfasser mit einer Vielzahl von statistischen Beispielen, die seinen Gedankengang unterstützen und belegen sollen. So zeigt er sich wieder als Kenner der Jugend, indem er ein authentisches Zitat anbringt: „Manchmal hat man eben Bock auf Zoff“ lautet es in Zeile 31. Durch die Einfügung eines solchen Zitats erreicht er eine Glaubwürdigkeit beim Leser, aber auch eine gewisse Schockierung, da das Zitat recht brutal wirkt. Seine statistischen Beispiele zeigen auch, dass Gewalt alltäglich ist und kaum noch als außergewöhnlich angesehen wird. Der Satz: „Mehr als jeder vierte im Westen und jeder dritte im Osten bejaht das Motiv, daß Jugendliche durch Gewalttätigkeit ‚klare Verhältnisse‘ schafften, während die Erwachsenen nur viel redeten und nicht wüßten, ‚was heute wirklich Sache ist‘“, (Z.33-35) zeigt die erschreckenden Ausmaße innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die Generationen leben aneinander vorbei, ohne die Fehler der nachwachsenden Generation zu erkennen oder geschweige denn zu verhindern. Hierbei zeigt sich Ulrich Beck wieder als Kenner der jungen Generation, indem er deren Umgangssprache einbezieht: „was heute wirklich Sache ist“ (Z.35). In Zeile 37 zieht der Verfasser folgendes Zwischenfazit: „Finster das Weltbild von vielen“, gemeint ist damit die Weltanschauung der Jugendlichen, da sie Gewalt normalisieren und die Hemmgrenze beim gegenseitigen Umgang deutlich herabsetzen. Diese Schlussfolgerungen kann man aus den Statistiken ziehen, die Beck erneut als Beweiselemente einsetzt: „Für knapp die Hälfte der männlichen und ein Drittel der weiblichen Jugend ist Gewalt normal.“ (Z.37-38) Gewalt wird unter Jugendlichen legalisiert. Weiterhin fühlen sie sich von Gleichaltrigen oder von ihren eigenen Eltern nicht genug beachtet: „Für mehr als jeden zehnten stellt ein brutaler Akt ein Mittel dar, um das verunsicherte Ego aufzurichten, ‚weil man nur so beachtet wird‘“. (Z.38-39) Schockierend und alarmierend wirkt folgende Statistik, in der es um die Anwendung von Gewalt geht, um seine Interessen durchzusetzen, auf den Leser: „Dazu sind 17 Prozent im Westen und 22 Prozent im Osten bereit.“ (Z.41) Als Abschluss dieses Sinnabschnitts zieht Ulrich Beck eine Wertung und Folgerung: „Offenbar bringt der hochgeschätzte Wert der Effizienz, der die Wirtschaft auf Touren hält, als negative Seite Gewalt als letztes Mittel sozialer Effizienz hervor.“ (Z.42-43)

Der vierte Sinnabschnitt geht von Zeile 44 bis Zeile 60. Darin werden die Folgen und Auswirkungen der Haltlosigkeit und der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen dargestellt. Der Verfasser beginnt seinen Gedankengang mit dem Argument: „Das harte Klima hat dazu geführt, daß so mancher gerüstet durch die Gegend läuft.“ (Z.44) Auffällig an diesem Satz ist die Wortwahl, z.B. die Metapher „das harte Klima“, womit der Autor die rauhen und oft auch brutalen Umgangsformen der Jugendlichen symbolisiert. Dieses Argument belegt er durch das erschreckende Beispiel: „18 Prozent der Teens und Twens haben ein Messer, einen Schlagstock, eine Gaspistole oder ein Gasspray bei sich.“ (Z.45-46) Im Anschluss zitiert der Verfasser erneut den Pädagogikprofessor Heitmeyer: „‚Erschreckend hoch‘ fand Heitmeyer den Anteil der Jugendlichen [...], die Mißtrauen gegen eine ‚verweichlichte Demokratie‘ hegen, könne sie doch die ‚vielen Kriminellen‘ kaum bändigen.“ (Z.47-49) Dieses Argument belegt er erneut mit statistischen Werten: So waren es im Westen ein gutes Drittel und im Osten mehr als die Hälfte der Jugendlichen, die die bei uns herrschende Demokratie als nicht ausreichende Staatsform in Bezug auf das Straf- und Justizwesen ansieht. (Z.47-48) Wertend urteilt er über die Widersprüchlichkeit von manchen, die auf der einen Seite Gesetz und Ordnung fordern, auf der anderen Seite aber gewalttätig handeln: „Scheinbar schizophren der Ruf nach ‚law and order‘ gerade bei denjenigen, die ‚gleichzeitig brachial gegen das fundamentale Recht auf persönliche Unversehrtheit verstoßen.‘“ (Z.50-51) Ulrich Beck sieht für diesen Widerspruch drei Ursachen, die alle aus der „elementaren Verunsicherung“ (Z.52) resultieren: Erstens sieht er die Verfassung des Individuums als Ursache, das seine Grenzen noch recht unterschiedlich ausmacht, zweitens „[d]ie verbreitete Billigung von Gewalt bildet den Humus, auf dem Jugendkriminalität gedeiht“ (Z.54) und drittens die immer noch bestehende Wahrscheinlichkeit, dass man trotz der vielen Wahlmöglichkeiten im Leben keinen Platz für sich findet (Z.59-60): „Er landet haltlos im Nichts“ (Z.60) des Lebens als Fazit und verfällt der Kriminalität, um auf sich aufmerksam zu machen. Unterstützend wirkt sein Belegbeispiel für die zweite von ihm aufgestellte Ursache der verbreitenden Billigung von Gewalt: „22 Prozent gestanden ein, daß sie in den zurückliegenden zwölf Monaten prügelten, raubten, drohten, erpreßten, einbrachen oder ihre Zerstörungswut an Dingen ausließen.“ (Z.55-56) Weiterhin behauptet er stark wertend: „In ihren eruptiven Ausbrüchen kommen die ungeheuren Probleme einer rückständigen Jugend zum Ausdruck. Sie stellt die unglückselige Vorhut in dem epochalen Prozeß, der die vorgeformten Biographien hinwegfegte.“ (Z.57-59)

Der fünfte Sinnabschnitt (Z.61-74), der eine pauschalisierte Situation der heutigen Jugend darstellt, ist stark wertend von Seiten des Verfassers geschrieben worden. Er unterstellt ihnen, dass Traditionen für sie keine Rolle mehr im Leben spielen: „Wo Traditionen nur noch Ruinen sind“ (Z.61). In dieser Formulierung besticht der indirekte Vergleich der Traditionen mit Ruinen, die für den Verfall durch die zeitliche Voranschreitung stehen. Traditionen sind laut Beck veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Weiterhin unterstellt er der Jugend, sie lebe in einem hedonistischem Milieu, unabhängig von der sozialen Stellung (Z.61-62). Jugendliche sind genusssüchtig und lassen ihre Triebbefriedigung als Weltanschauung hochleben. Des Weiteren verurteilt er die Jugend als politikverdrossen (Z.63). „Pflicht gilt als gestriges Gedöns, zum Kichern die treudeutschen Tugenden wie Sparsamkeit, Sauberkeit und Sicherheit.“ (Z.64-65) Auch diese Pauschalisierung zeugt von wenig Bewunderung der jungen Generation von Seiten des Verfassers. Überhaupt sind Jugendliche laut Beck „konsumgeil“, für die Herausforderungen im Leben nicht genügend motiviert und deshalb auch schnell frustriert (Z.65-69). „Man schlägt sich mit Selbstwertproblemen herum. Das kleine Ego, das krampfhaft um sich selbst kreist, scheut nicht zurück, sich an anderen schadlos zu halten.“ (Z.69-71) Als Folge dieser Art von Lebensführung sieht Ulrich Beck die inneren Probleme der Heranwachsenden, die sich unter anderem aus der Adoleszenzphase ergeben, außerdem neigen sie zum Egoismus und sehen schließlich nur in Gewalt oder Kriminalität eine Lösung. Im weiteren Verlauf geht Ulrich Beck wieder in die Beweisführung über. Er argumentiert mit der Tatsache, dass die Jugendlichen begriffen haben, „daß in diesem Land fast alles über Status, Leistung und Konsum geregelt wird, und reagieren um so panischer, je knapper ihnen die Möglichkeiten erscheinen, irgendwie mitzuhalten“ (Z.72-74) und spielt damit auf das Geld als Wunscherfüller Nummer eins an. Wer viel Geld hat, wird von der sogenannten Gesellschaft geachtet und bewundert – wer kein Geld hat, wird von der Gesellschaft ins Abseits gestellt. Diese Tatsache wird von den Jugendlichen so verinnerlicht, da sie es bereits in frühen Jahren (Kindergarten, Schule → Gruppenzwang, Markenzwang) erlebt haben, dass sie viel Geld als alleiniges Mittel zum Zweck ansehen.

Der letzte Sinnabschnitt, der die Jugendkriminalität und die verfehlte Erziehungspolitik der Eltern verbindet, erstreckt sich von Zeile 75 bis Zeile 84. Hierin erläutert Ulrich Beck sein letztes Argument: „Langzeituntersuchungen haben gezeigt, daß man Jugend-Deliquenz keinesfalls so leicht wie bisher nehmen sollte, nämlich als Entwicklungserscheinung, die sich nach den Irrungen und Wirrungen der Pubertät von selber geben wird.“ (Z.75-77) In diesem Satz blickt er rückwirkend auf die bisherigen Deutungsversuche der Jugendstraftaten, welche sich jedoch als falsch erwiesen haben. Somit steht fest, dass Jugendkriminalität keine bloße „Phase“ in der Entwicklung ist, sondern ein ernstzunehmendes und tiefwurzelndes Problem der Gesellschaft: „... die gewachsene Frühkriminalität ist immer ein Hinweis auf eine tiefgreifende Problematik“ (Z.77-78) als Gegenargument zu seiner ersten Theorie. Weiterhin dehnt er seine Gegenseite der Argumentation mit Kritik am deutschen Schulsystem aus. Hierbei fehle ihm das soziale Lernen, wohingegen nur die „instrumentelle Vermittlung von Wissen“ (Z.80) im Vordergrund steht. Abschließend formuliert Ulrich Beck sein stark wertendes Schlussfazit: „Man kann aber auch kulturpessimistisch schlussfolgern, daß die Zivilisierung der Gesellschaft durch bessere Bildung gescheitert ist: Viel Stoff im Kopf hält die Schlägerhand offenbar nicht zurück.“ (Z.82-84) Mit diesem direkten Schlusswort beendet der Verfasser den Kreis zwischen der Schule als Erziehungsinstanz und der Erziehungspolitik der Eltern.

Auffällig am Sprachstil des Autors ist die innerhalb des Artikels aufgebaute Synonymreihe für den Begriff „Jugendlicher“, so betitelt er sie unter anderem als „Halbwüchsige“ (Z.31), „heranwachsende Individuen“ (Z.22), „junge Genießer“ (Z.67) oder als „Teens und Twens“ (Z.45). Überhaupt ist seine Sprache teilweise der der Umgangs- bzw. Jugendsprache zuzuordnen, um die angesprochene Thematik etwas aufzulockern. Den überwiegenden Teil seines Artikels hat er jedoch in einer anschaulichen Normsprache gestaltet. Beim Satzbau überwiegen die Hypotaxen als Aussagesätze, die die Überzeugung des Autors widerspiegeln sollen. Als Tempus wählte Ulrich Beck das Präsens, um die Aktualität der Problematik zu bewahren.

Der Journalist Ulrich Beck beweist in seiner Spiegelveröffentlichung „Das Soziale löst sich auf“ ausreichend Sachkompetenz, um diese Problematik glaubhaft darstellen zu können. Es lässt sich beim Lesen eine klare gedankliche Gliederung erkennen. Seine Argumentation ist im wesentlichen schlüssig. Allerdings ist sie sehr einseitig angelegt, da er nur ein kurzes Gegenargument in seinem publizistischen Text aufnahm. Weiterhin pauschalisiert er in einem unzulässigen Rahmen die Situation der Jugendlichen. Des Weiteren geht er in seinen zahlreichen statistischen Beispielen nicht auf den deutlich erkennbaren Ost-West-Unterschied ein. Überhaupt gibt der Text keine Lösungsansätze zu dem aufgeworfenen Problem; Ulrich Beck stellt immer nur fest, was Eltern, Schule und Gesellschaft alles falsch gemacht haben. Aus dieser Kritik kann man schlussfolgern, dass Ulrich Beck keinen konstruktiven Artikel, sondern eher einen Tatsachenbericht der aktuellen Situation und deren Ursachen und Folgen geschrieben hat. Außerdem wirkt die Schreibweise des Verfassers stellenweise auf den Leser vereinnahmend.

Die Behauptung, die Ulrich Beck im ersten Abschnitt seines Artikels aufstellt, dass die Jugend der achtziger Jahre keinerlei Motivation zeigte, die Jugendlichen von heute dagegen den Erwachsenen das Fürchten lehren, ist wieder sehr pauschal gehalten. (Z.2-4) Aber was ist besser, Jugendliche, die gar nichts sagen, oder Jugendliche, die ihre Meinung öffentlich kundtun? Für einen Staat sicherlich die erste Variante, obwohl sie dabei keine Rückmeldungen des Volkes haben, das ihre Arbeit eigentlich kritisch beobachten sollte. Eine auflehnende Jugend zeigt der Öffentlichkeit herrschende Missstände und Probleme, die ansonsten stillschweigend gebilligt werden. Überhaupt ist die Jugend eine existentielle Bedrohung für einen Staat, da meist nur von ihr anarchistisches Gedankengut ausgehen kann und dieses bis zum absoluten Chaos, in dem es keinerlei Normen und Werte mehr gibt, ausgelebt werden kann. In diesem Chaos setzt sich Gewalt durch, da es keine „Herrscher“ mehr gibt. Dieses Dilemma ergibt sich aber auch in einer Demokratie als Staatsform: In einer Demokratie herrscht das Volk, aber wenn das Volk herrscht, über wenn hat es denn dann noch die Macht, wenn alle herrschen. Rebellische Jugendliche sehen den Weg über Repräsentanten als zu umständlich und elitär an, sie wollen sofort uneingeschränkte Macht, die sie am besten durch Gewalt erreichen können und leider auch machen. Des Weiteren herrscht ein gestörtes Miteinander zwischen den Generationen. Allerdings gibt es diese Erscheinung schon seit der Antike, so dass man davon nicht die heutigen Erscheinungen der Jugendkriminalität ableiten kann, obwohl Eltern mit ihrer Erziehung viel dazu beitragen können, indem sie falsche Normen und Werte vermitteln oder überhaupt keine Zeit für ihren Nachwuchs haben. Viele Eltern halten sich auch aus Bequemlichkeit aus der Erziehung heraus und überlassen es anderen Instanzen, zum Beispiel dem Kindergarten, der Schule oder den Medien. Dieser Egoismus oder die Bequemlichkeit der Eltern hat aber fatale Folgen: So wurden 1997 mehr als doppelt so häufig männliche Heranwachsende wie männliche Erwachsene wegen Verbrechen oder Vergehen (ohne Straßenverkehr) verurteilt. Zumal Ulrich Beck einen Sturm der Jugendgewalt erwartet, muss man sich überlegen, ob unser Strafrecht noch zeitgemäß ist, da Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafrechtlich belangt werden können. „Straffällig gewordene Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren [...] werden nach Jugendstrafrecht abgeurteilt, das den Erziehungsgedanken in den Vordergrund stellt. Auf freiheitsentziehende Strafen wird bei Jugendlichen nur nach besonders schweren oder wiederholten Straftaten erkannt.“ Hierbei sollte man sich vielleicht überlegen, ob die Regelung nicht für Kinder und Jugendliche eher eine heimliche Motivation darstellt als eine Schutzfunktion.

Ulrich Beck bedauert die Jugendlichen, da manche von ihnen „haltlos“, „vaterlos, gottlos und arbeitslos“ dastehen. (Z.14) Diese Behauptung ist sicherlich vereinzelt zutreffend, jedoch liegen die Gründe in der heutigen Gesellschaft, die hauptsächlich von unseren Eltern geprägt wurde. So ist in Deutschland ein stetiges Wachstum der Ehescheidungen seit 1955 zu verzeichnen. „Von der Scheidung sind [jedoch] nicht nur die Ehepartner betroffen, sondern auch deren Kinder. 1998 erlebten 157.000 minderjährige Kinder die Scheidung ihrer Eltern.“ Diese Tatsache kann einen Teil der jugendlichen Haltlosigkeit erklären, jedoch muss man auch immer die persönlichen Ausmaße der Scheidungen berücksichtigen. So können Kinder auch eine Scheidung der Eltern befürworten, wenn sie zum Beispiel im Kindes- und Jugendalter Gewalt erleben mussten, was dann wiederum zu einer seelischen und körperlichen Erholung führt. Die Beck‘sche Darstellung der gottlosen Jugend ist durchaus begründet: Die Jugend sieht in keiner der großen Konfessionen ihre Glaubensrichtung für eine religiöse Ausübung. Die Kirchen, im Besonderen die katholische, gelten als veraltet und prüde (z.B. Verhütung, Abtreibung, Scheidung usw.), um vor allem die städtische Jugend, die von ihren Eltern von Geburt an an die Kirche gebunden waren, zu halten. Jedoch als größte Ursache der jugendlichen Haltlosigkeit in der Gesellschaft ist nach wie vor die viel zu hohe Arbeitslosigkeit, vor allem in den östlichen Bundesländern, anzusehen. Die beiden verschiedenen Regierungen der letzten acht Jahre haben zwar die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Jugendliche propagiert und auch sicherlich teilweise realisiert, aber die heute herrschenden Dimensionen (zum Beispiel die Arbeitslosenquote der 20- bis 24-Jährigen in den östlichen Bundesländern: 18,9 Prozent im Jahresdurchschnitt )sind immer noch deutlich zu hoch, um Jugendlichen eine Perspektive im eigenen Land geben zu können. Allerdings muss man die einem angebotenen Möglichkeiten auch nutzen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Die Behauptung, die Jugend von heute sei hedonistisch und möchte nur genießen (Z.62-63), stellt für mich als jungen Leser eine unzulässige Pauschalisierung dar. Überhaupt glaube ich nicht, dass man eine ganze Generation zusammenfassen kann. Obwohl diese Tatsache sicherlich wahr ist, muss man es immer noch stark differenzieren. Die Jugend von heute ist sehr stark durch Funk und Fernsehen, Internet und Zeitungen beeinflussbar, vielleicht ist sie sogar die bis jetzt am meisten beeinflusste Generation überhaupt, da sie vor allem die neuen Medien stark nutzen. Jugendliche wollen alles haben, was man ihnen zeigt, sei es als Statussymbol (Handy, Auto, Markensachen usw.) oder als reines Vergnügen (Reisen, Discobesuche, Konzerte usw.). Natürlich sollen es auch noch am besten die Eltern bezahlen – da muss schon mal zum 18. Geburtstag ein Auto vor der Tür stehen, der Führerschein ist natürlich auch schon von Mami und Papi bezahlt. Dieses gängige Verhalten ist jedoch nicht auf alle sozialen Schichten zu übertragen, da diese in Deutschland sehr stark variieren. Das Schlimme an diesem Verhalten ist allerdings erst die Rückkopplung auf die unteren sozialen Schichten, die zum Beispiel in der Schule aufeinandertreffen. Die sozial benachteiligten Kinder wollen natürlich mithalten, wissen aber genau, dass ihre Eltern stark finanziell belastet sind, so dass für viele Diebstahl als gängiger Schlüssel in die Welt der Reichen dient.

Im letzten Absatz seines Artikels sieht Ulrich Beck die Jugend als Ankläger des staatlichen deutschen Schulsystems, das das soziale Lernen sträflich vernachlässigt. (Z.80-81) Die sture Vermittlung von Wissen reicht in unserem Industriezeitalter nicht aus. Die Unternehmen als spätere Arbeitgeber bevorzugen neben dem Fachwissen auch andere Werte, die von Anfang an vermittelt werden sollten, wie zum Beispiel Teamarbeit, Toleranz, humanistische Werte usw. Hierzu müsste man das aktuelle Schulsystem gänzlich reformieren, um die Schüler auch wieder international wettbewerbsfähig zu machen: Die Bildung muss im Bundeshaushalt eine hohe Priorität einnehmen, um die Schulen materiell besser ausstatten zu können. Die alleinige Ausstattung macht aber noch keine klügeren Schüler, man muss auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis deutlich dezimieren, um eine optimale Förderung eines jeden Schülers gewährleisten zu können. Es kann nicht sein, dass ein Lehrer bis zu 30 Schüler vor sich zu sitzen hat und noch nicht einmal die einzelnen Namen nach einem Schuljahr kennt. Überhaupt ist das Schüler-Lehrer-Verhältnis nur auf den unterrichtsspezifischen Inhalt beschränkt, diese Tatsache muss sich ändern, damit in den deutschen Schulen eine lernwilligere Atmosphäre herrschen kann, die dann auch wieder international verglichen bessere Ergebnisse als bei der letzten PISA-Studie erreichen lässt.

Die Problematik der wachsenden Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen entsteht meiner Meinung nach zu aller erst in den Köpfen der Täter, was allerdings sehr stark durch die Gesellschaft geprägt wird. Ich glaube, man muss die allgemein herrschende Billigung von Gewalt reduzieren oder möglichst abschaffen. Dieses erreicht man vor allem durch eine möglichst früh angelegte Präventivarbeit, die schon in Kindergärten beginnen muss und auch die Elternhäuser mit einbeziehen muss. Nur durch diese Verbindung kann eine solche Kampagne effektiv wirken. Es reicht aber nicht aus, wenn Eltern ihren Kindern die richtigen Normen und Werte vermitteln, sie müssen sie auch vorleben, denn gerade diese „Scheinerziehung“ ist für unsichere Jugendliche meist fatal. Die Medien sollten auch eine gewisse Verantwortlichkeit in der Erziehung der jungen Generation übernehmen und nicht immer primär auf die Einschaltquoten als Indiz für ein gutes Programm Wert legen. Gerade Gewalttätigkeit ist im Fernsehen bereits am Nachmittag Normalität, so dass sogar Kleinstkinder, die unbeaufsichtigt fernsehen, brutale Vergewaltigungen oder sogar Mord sehen. Im Gegenzug dazu sollten die Städte mehr soziale Jugendeinrichtungen schaffen, um gelangweilte Kinder und Jugendliche von der Straße zu bekommen und ihnen Halt geben können.

Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen ist ein akutes Problem der Bundesrepublik, das in den nächsten Jahren unbedingt in den Griff bekommen werden muss. Die Jugend stellt ja bekanntlich die Zukunft eines Landes dar, und wenn diese keine Werte und Normen mehr vermittelt bekommen haben, wie dies zur Zeit erscheint, wenn man sich die Statistiken anschaut, dann sieht es für unser Land in den nächsten fünfzig Jahren schlecht aus. Das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben der nächsten Generationen steht in Gefahr und muss von beherzten jungen und auch älteren Menschen angepackt werden, um es einzudämmen – bevor es zu spät ist. 

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