Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten von Angelus Silesius
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O du allerliebster Gott, |
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Was wird mit dir werden? |
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Daß du liegst voll Angst und Not |
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Bebend auf der Erden, |
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Daß dein rosenfarbnes Blut |
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Durch dein Antlitz dringet |
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Und ein Engel Trost und Mut |
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Dir, dem Tröster, bringet? |
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Ach, du siehst die große Pein |
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Und das bittre Leiden, |
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Welches dir wird Mark und Bein, |
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Leib und Seel durchschneiden. |
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Siehst, daß aller Menschen Schuld |
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Und, was ich verbrochen, |
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Ernstlich und ohn einge Huld |
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Wird an dir gerochen. |
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Ach, wie sollte nicht dein Herz |
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Zittern, beben, zagen, |
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Weil es schon des Todes Schmerz |
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Fühlt und all die Plagen! |
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Weil auf dich alleine fällt |
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Alle Last der Sünden, |
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Mußt du freilich, Heil der Welt, |
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Große Pein empfinden! |
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Ach mein Heiland, könnt ich doch |
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Mindern solches Leiden |
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Und von diesem schweren Joch |
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Eine Bürd abschneiden! |
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Könnt ich doch, o Gotteslamm, |
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Dir was helfen tragen |
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Und für dich, mein Bräutigam, |
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Zittern, stehn und zagen. |
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Denn du bist in diesen Tod |
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Meinetwegen kommen, |
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Hast aus Liebe meine Not |
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Ganz auf dich genommen. |
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Du ergibst dich willig drein, |
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Gottes Vaterwillen |
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Auch in unerhörter Pein |
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Gänzlich zu erfüllen. |
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Ei, so hilf denn, ewger Freund, |
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Meiner armen Seele, |
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Wenn sie vor dem Tod und Feind |
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Bebt samt ihrer Höhle. |
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Laß mir deinen teuren Schweiß |
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Wohl zustatten kommen, |
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Wenn ich von dem Erdenkreis |
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Werde weggenommen. |
Details zum Gedicht „Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten“
Angelus Silesius
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54
215
1624 - 1677
Barock
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten“ wurde von Angelus Silesius verfasst. Silesius, dessen tatsächlicher Name Johannes Scheffler war, lebte im 17. Jahrhundert, was ihn zur Epoche des Barocks zählt. Das bedeutet, dass er in einer Zeit des kulturellen Wandels lebte, in der soziale und religiöse Spannungen herrschten.
Beim ersten Lesen fällt auf, dass es sich um ein sehr emotionales und leidvolles Gedicht handelt. Es thematisiert die Auferstehung Christi und sein Leiden im Garten Gethsemane.
In seinem Gedicht, das aus sechs Oktaven besteht, spricht das lyrische Ich direkt zu Gott und zeigt seine tiefe Besorgnis und Mitgefühl für das Leiden Christi. Es ist sich der Bedeutung und Tragweite dieses Leidens bewusst und drängt darauf, daran teilzuhaben oder es zumindest zu lindern. Unter dieser Schicht der Verehrung und Mitgefühl liegt jedoch eine weitere bedeutungsvolle Ebene: das Bewusstsein der eigenen Schuld und der Wunsch nach Erlösung.
Die Sprache und Form des Gedichtes spiegeln seinen Inhalt wieder. Die Verse sind regelmäßig, was den Eindruck von Ordnung und Struktur gibt - vielleicht als Reflexion der göttlichen Ordnung. Die leidvollen und emotionalen Worte in Verbindung mit den lebhaften Bildern, wie dem „rosenfarbenen Blut“, das durch Christi Antlitz dringt, oder seinem Herzen, das zittert und bebt, intensivieren die Emotionalität des Gedichtes.
Angelus Silesius nutzt religiöse Symbolik und klassische Konzepte des Barocks wie den Tod, die Vergänglichkeit und christlicher Erlösungsmythos. Durch die Verwendung der direkten Anrede und der Ich-Perspektive erzeugt der Dichter ein starkes Gefühl der persönlichen Beziehung und Nähe zu Gott.
Insgesamt handelt es sich bei dem Gedicht um eine komplexe Geflecht aus Leid, Hingabe, Hoffnung und dem Wunsch nach Erlösung. Es drückt eine tiefgreifende religiöse Betroffenheit aus und dient gleichzeitig als Ausdruck persönlicher Andacht und Frömmigkeit.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Geboren wurde Silesius im Jahr 1624 in Breslau. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt – Hunger, Seuchen, Vergewaltigung und Tod sorgten für großes Leid bei den Menschen in Europa. So schrumpfte die Bevölkerung in Deutschland von ca. 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Es herrschte in der Literaturepoche des Barocks ein sehr gegensätzliches (antithetisches) Weltbild. Luxus und Verschwendung im Leben des Adels standen Armut und Leid innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur des Barocks war ebenso geprägt von inhaltlichen Widersprüchen. Jenseits und Diesseits standen sich ebenso gegenüber wie Ernst und Spiel oder etwa Sein und Schein. Unter den Literaturgattungen erlebten die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama einen Aufschwung. Während die Dichter der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, ihre Werke schrieben, war man nun bestrebt, sich dem Deutschen zu widmen. Im Barockzeitalter war der größte Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man schrieb bei Hofe als Fürstenhuldigung oder zur gehobenen Unterhaltung. Für den wohlhabenden Bürger schrieben Dichter zum Anlass von Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten. Die Dichtung der Literaturepoche des Barocks wird daher auch als Gesellschaftsdichtung bezeichnet.
Das vorliegende Gedicht umfasst 215 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 54 Versen. Die Gedichte „Das Vieh lebt nach den Sinnen“, „Die Gliedmaßen der Seelen“ und „Du mußt geübt werden“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Zum Autor des Gedichtes „Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.
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Zum Autor Angelus Silesius sind auf abi-pur.de 1832 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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