Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf von Angelus Silesius
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Der Frühling kommt heran, |
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Der holde Blumenmann, |
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Es geht schon Feld und Anger |
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Mit seiner Schönheit schwanger. |
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Der Blütenfeind, der Nord, |
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Steht auf und macht sich fort. |
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Das Turteltäubelein |
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Laßt hörn die Seufzerlein. |
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Die Lerch ist aus der Gruft |
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Und zieret Feld und Luft |
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Mit ihrem Direlieren, |
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Das sie so schön kann führen. |
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Die Künstlern Nachtigall |
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Lockt und zickt überall. |
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Die Vöglein jung und alt |
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Sind munter in dem Wald. |
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Die Sonne führet schon |
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Ihr'n freudenreichen Thron |
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Durch ihre güldnen Pferde |
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Viel näher zu der Erde. |
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Die Wälder ziehn sich an |
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Und stecken auf ihr Fahn. |
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Der Westwind küßt das Laub |
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Und reucht nach Blumenraub. |
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Das Wild lauft hin und her |
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Die Läng und auch die Quer. |
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Es tanzen alle Wälder, |
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Es hüpfen alle Felder. |
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Das liebe Wollenvieh, |
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Das weidet sich nun früh. |
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Die stumme Schuppenschar |
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Schwimmt wieder offenbar. |
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Die ganze Kreatur |
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Wird anderer Natur. |
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Die Erde wird verneuet, |
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Das Wasser wird erfreuet, |
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Die Luft ist lind und weich, |
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Warm, tau- und regenreich. |
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Der Himmel lacht uns an, |
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So schön er immer kann. |
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Drum kreuch auch meine Seel |
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Herfür aus deiner Höhl. |
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Laß deines Herzens Erden |
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Zu einem Frühling werden. |
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Zertritt Gefröst und Eis |
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Und werd ein grüner Reis. |
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Sei eine neue Welt |
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Und tugendvolles Feld. |
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Laß deine Seufzer gehn |
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Mit lieblichem Getön. |
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Laß hören dein Verlangen, |
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Den Bräutgam zu empfangen. |
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Sei eine Nachtigall, |
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Und lock mit Liebesschall |
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Der Himmel höchste Zier, |
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Den süßen Gott, zu dir. |
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Schwing dich behend und fein, |
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Gleich wie ein Lerchelein, |
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Vom irdischen Getümmel |
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Und schwebe frei im Himmel. |
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Bereite dich mit Klang |
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Und stetem Lobgesang, |
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Den Schöpfer zu verehrn |
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Und seinen Ruhm zu mehrn. |
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Es fähret schon herein |
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Sein gnädger Sonnenschein. |
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Er läßt schon seine Strahlen |
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Dein ganzes Herz bemalen. |
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Sein Geist, der süße Wind, |
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Weht schon dich an, sein Kind. |
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Drum blüh in seiner Lieb |
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Und folge seinem Trieb. |
Details zum Gedicht „Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf“
Angelus Silesius
9
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306
1624 - 1677
Barock
Gedicht-Analyse
Der Verfasser des Gedichtes ist Angelus Silesius, ein Barockdichter aus dem 17. Jahrhundert. Das Gedicht mit dem Titel „Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf“ ist in neun Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt und kann inhaltlich folgendermaßen zusammengefasst werden:
Das erste Drittel des Gedichts beschreibt den Erwachen der Natur im Frühling. Vögel, die Sonne, der Wind und die Tiere sind munter und aktiv. Es wird eine idyllische und farbenprächtige Landschaft mit hüpfenden Feldern, weidenden Tieren und wunderschönen Blumen beschrieben.
Im zweiten Drittel wird auf eine deutliche Veränderung der Natur eingegangen: Sie wird erneuert und erfreut sich am warmen, weichen Wetter.
Das lyrische Ich fordert in den folgenden Versen seine Seele auf, ähnlich wie die Natur aus ihrer winterlichen Starre zu erwachen, ihr „Eis“ zu zerdrücken und zu einem „grünen Reis“ zu werden, was bedeutet, dass es sich neuen Wegen und Möglichkeiten öffnen soll.
Am Ende des Gedichts wird die Metapher fortgesetzt: Die Seele soll sich „behend und fein“ wie eine Lerche von der Erde erheben und sich im Himmel frei bewegen. Sie soll sich durch beständigen Lobgesang bereit halten, um den „Sonnenschein“ des Schöpfers zu empfangen, also seine Liebe und Gnade. Das Gedicht endet mit der Aufforderung an die Seele, in dieser Liebe des Schöpfers zu erblühen und seinem Einfluss zu folgen.
Die Sprache und die Versform des Gedichts sind gekennzeichnet durch eine reiche und anschauliche Symbolik und Metaphorik, wie sie typisch für die Barockdichtung sind. Die Natur wird dabei als lebendiges, sich ständig veränderndes und erneuerndes Wesen dargestellt, dessen Zyklen und Wandlungen als Vorbilder für das individuelle und spirituelle Wachstum des Menschen gesehen werden. Der Reim ist regelmäßig und die Verse haben aufgrund der Metrik einen melodischen Klang, der die natürliche Harmonie und den rhythmischen Fluss des Erwachens der Natur und der Seele des lyrischen Ichs unterstreicht.
Weitere Informationen
Angelus Silesius ist der Autor des Gedichtes „Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf“. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Epoche des Barock folgt auf die Epoche des Humanismus und der Renaissance. Sie umfasst den Zeitraum von etwa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich aus dem Portugiesischem ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte Deutschland einen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung verlor in jener Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in nahezu allen Städten des Landes. Die Literatur des Barocks ist beeinflusst von der Antithetik. Das bedeutet, die Menschen der damaligen Zeit nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut, Krieg und Krankheit geprägt. Bei den Adeligen herrschten dennoch Verschwendung und Luxus. Unter den Literaturgattungen genossen die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama größere Bedeutung. Während die Autoren der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, ihre Werke verfassten, war man nun bestrebt, sich dem Deutschen zuzuwenden. Im Zeitalter des Barocks war der überwiegende Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Fürstenhuldigung. Für den wohlhabenden Bürger schrieben Lyriker zum Anlass von Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten. Die Lyrik der Literaturepoche des Barocks wird deswegen auch Gesellschaftsdichtung genannt.
Das vorliegende Gedicht umfasst 306 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 81 Versen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Des Weisen Goldmachung“, „Vom Wissen“ und „Vom Gewissen“. Zum Autor des Gedichtes „Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.
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