Die Psyche sehnt sich mit verlangendem Seufzen nach Christo von Angelus Silesius

1	1
2	O Jesu, meine Lieb,
3	Wie sehn ich mich nach dir!
4	O wesentliche Sonne,
5	Mein einge Freud und Wonne,
6	Wann, wann erscheinst du mir?
7	2
8	O angenehmster Gast,
9	Wie wart mein Herz auf dich!
10	O tausendliebste Seele,
11	Wann kommst in meine Höhle,
12	Wann, wann besuchst du mich?
13	3
14	O zuckersüßer Trost,
15	Den ich alleine mein!
16	O auserwähltes Leben,
17	Das meinem Kraft muß geben,
18	Wann seelst du dich mir ein?
19	4
20	O liebelichster Kuß,
21	Herzlabender Geschmack?
22	O innigliche Quelle,
23	Erquickendes Gefälle!
24	Wann ist dein Ankunftstag?
25	5
26	O ewg' Ersättigung,
27	Ruh aller Liebsbegier,
28	Fried über allen Sinnen,
29	Mein einziges Beginnen!
30	Wann kommst du, Gott, zu mir?

Details zum Gedicht „Die Psyche sehnt sich mit verlangendem Seufzen nach Christo“

Gedicht-Analyse

Der Verfasser des vorliegenden Gedichts ist der deutsche Lyriker und Theologe Angelus Silesius. Das Gedicht geht auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr emotional und von starkem religiösen Bezug geprägt. Es scheint das Sehnen einer Person nach der göttlichen Figur Jesus Christus auszudrücken.

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen, in denen die innige Sehnsucht und tiefe Verehrung des lyrischen Ichs gegenüber Gott – dargestellt in der Figur von Jesus – ausgedrückt wird. Jede Strophe endet mit einer Frage, die den Wunsch des lyrischen Ichs unterstreicht, von Jesus besucht und von ihm Trost, Kraft und letztlich Erlösung zu erhalten.

Formal weist das Gedicht eine traditionelle, in der Barockzeit verbreitete Strophenform auf: Es besteht aus fünf Strophen zu je fünf Versen. Die Verse reimen sich dabei kreuzweise (ababccdedeeffgfg..).

Sprachlich ist das Gedicht stark von religiösen Bildern und Metaphern durchzogen. So wird Jesus im Gedicht als „wesentliche Sonne“, „angenehmster Gast“, „zuckersüßer Trost“ und „liebelichster Kuß“ bezeichnet. Die religiöse Inbrunst des lyrischen Ichs wird durch die intensive Sprache und die Emotionen, die in den verschiedenen Bezeichnungen für Jesus zum Ausdruck kommen, verstärkt.

Zusammenfassend handelt es sich bei dem vorliegenden Gedicht um ein religiöses Lyrikstück aus der Barockzeit, in dem der Autor Angelus Silesius seine tiefe Sehnsucht und Verehrung für Jesus Christus in emotionaler und bildhafter Sprache zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Psyche sehnt sich mit verlangendem Seufzen nach Christo“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Der Autor Angelus Silesius wurde 1624 in Breslau geboren. In der Zeit von 1640 bis 1677 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Bei dem Schriftsteller Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche des Humanismus und der Renaissance und umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Durch die Pest starben ca. 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verfall im Deutschen Reich. Trotzdem lebten die Fürsten einen ausschweifenden und überaus luxuriösen Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Dreißigjährigen Krieg, um eine Neugliederung der Territorien vorzunehmen und ihre Macht weiter auszubauen. Die Dichter des Barocks thematisierten die Gegensätze in fast allen Lebensbereichen. Dies wird auch als Antithetik bezeichnet. Inhaltlich folgten die Dichter der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Vordergrund – etwa Diesseits und Jenseits, Schein und Sein oder Verfall und Blüte. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch, die Autoren der Literaturepoche des Barocks begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Zu den bekanntesten Schriftstellern des Barocks gehören: Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Paul Fleming und Caspar Ziegler.

Das 99 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere Werke des Dichters Angelus Silesius sind „Du mußt geübt werden“, „Gott ist mein Himmelbrot“ und „Des Weisen Goldmachung“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Psyche sehnt sich mit verlangendem Seufzen nach Christo“ weitere 1832 Gedichte vor.

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