Epistel an die Frau von der Lühe, geborne von Brandenstein, zu Gotha von Susanne von Bandemer

Die feine Kunst der niedern Schmeicheley
Ward nie von mir geübt; mein Beyfall und mein Tadel
Ist ohne Bitterkeit und ohne Heucheley;
Nicht immer allzu klug, doch wenigstens getreu.
Vor allen gilt bey mir des Herzens echter Adel:
Dann bin ich gern – Dank sey es der Natur,
Die mir ein weiches Herz gegeben –
Bey kleinen Schwächen blind; und lächle schalkhaft nur,
 
Wenn Thor und Thörinn ihren Schellenschmuck erheben.
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Doch wann in einer schönen Harmonie
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Geist, Herz und Witz mit zärtlichen Gefühlen
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Vereint, in himmlischen Akkorden spielen,
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Dann wirkt auf mich allmächtige Magie
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Durch seelenvolle Sympathie.
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Und dieser Zug der selten uns betrieget,
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Reißt mich zu dir, du holde Dichterinn!
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Mit einem süßen Zauber hin.
 
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Heil dir, ο Phantasie! von dir sanft eingewieget,
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Durchstreift der Geist des Weltalls Raum. Auf deinem Wink
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Ist unser Wunsch erfüllt. Du bist der Zauberring,
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Mit dem einst Salomo die Geister und Dämonen
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Zum Dienst der Knechtschaft zwang; du reichst dem Bettler Kronen,
 
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Und mir giebst du in einem Augenblick
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Des Lebens längst verlornes Glück
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Mit mitleidsvoller Hand zurück. –
 
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Verzeih mir, edle Frau! schon glaubt’ ich dich zu sehen,
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So gütig, liebevoll vor meinen Augen stehen,
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Als ich dein theures Bild in meiner Seele schuf.
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Schon hört’ ich deiner Stimme Ruf,
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Und eilte schnell dich an ein Herz zu drücken,
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Das mit dem zärtlichsten Entzücken
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Dich, süße Liedersängerinn verehrt: – allein
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Mein Zaubertraum verschwand, du wurdest mir entrissen,
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Und nur im Geist kann ich dich, Theure, küssen,
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Und deiner Muse Blumen streun.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.1 KB)

Details zum Gedicht „Epistel an die Frau von der Lühe, geborne von Brandenstein, zu Gotha“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
245
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Epistel an die Frau von der Lühe, geborne von Brandenstein, zu Gotha“ wurde von Susanne von Bandemer verfasst, die von 1751 bis 1828 lebte. Auf Grundlage dieser Daten lässt sich das Werk zeitlich in die Epoche der Empfindsamkeit bzw. frühen Romantik einordnen.

Das Gedicht vermittelt zunächst den Eindruck einer Bewunderung der Adressatin durch das lyrische Ich. Dieses scheint sie als Person zu schätzen, die sowohl bezüglich ihres Charakters als auch ihrer dichterischen Fähigkeiten Vorzüge aufweist.

Inhaltlich geht das lyrische Ich auf seine Haltung zu Schmeichelei – die es nicht mag und nicht nutzt – und seine Wertschätzung für Herzlichkeit ein. Es betont die Wichtigkeit von Echtheit und Natürlichkeit, und dass es trotz seines weichen Herzens klare Meinungen hat und bei Ungerechtigkeiten nicht wegschaut. Es äußert seine Bewunderung für die Frau von der Lühe, die durch ihre Harmonie von Geist, Herz und Witz eine Art Magie ausüben kann. Diese Magie wird weiterhin noch deutlicher auftreten, wenn die Fantasie ins Spiel kommt, die das lyrische Ich als mächtige Kraft ansieht. Sie ermöglicht es ihm laut eigener Aussage, verlorenes Glück wiederzuerlangen. Am Ende des Gedichts enthüllt das lyrische Ich seine tiefen Gefühle für die Frau von der Lühe und seinen Wunsch, ihr nahe zu sein, was jedoch nur auf geistiger Ebene möglich ist.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen unterschiedlicher Länge. Eine durchgehende Reimstruktur ist nicht erkennbar, was für das Genre der Epistel, die oft als Briefgedicht verfasst wird, typisch ist. Die Sprache des Gedichts ist verhältnismäßig schnörkellos und klar, was die Aufrichtigkeit der Gefühle des lyrischen Ichs unterstreicht. Die Anzahl der Verse und ihr Wechsel zwischen lange und kurzen Zeilen spiegeln das Wechselspiel von Gefühlen und Gedanken im Gedicht wider.

Abschließend wird deutlich, dass Susanne von Bandemer in diesem Gedicht ihre Bewunderung und Zuneigung für die Frau von der Lühe ausdrückt. Das lyrische Ich zeigt dabei eine klare Einstellung zu Werten wie Echtheit und Herzlichkeit und betont die Macht der Fantasie, die ihm ermöglicht, im Geiste bei seiner geliebten Frau von der Lühe zu sein.

Weitere Informationen

Susanne von Bandemer ist die Autorin des Gedichtes „Epistel an die Frau von der Lühe, geborne von Brandenstein, zu Gotha“. Bandemer wurde im Jahr 1751 in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1802 entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 245 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „An G * * * g“, „An Herzberg“ und „An Ihn“ sind weitere Werke der Autorin Susanne von Bandemer. Zur Autorin des Gedichtes „Epistel an die Frau von der Lühe, geborne von Brandenstein, zu Gotha“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 86 Gedichte vor.

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