An Elisen von Susanne von Bandemer
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Du, Deutschlands erste Denkerinn, |
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In jeder Kunst Kalliopens erfahren, |
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Und weiser, als vor grauen Jahren |
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Der Griechen kühne Felsenspringerinn. |
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Mir fehlt die Kraft mit unversuchten Schwingen |
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Dir nach ins Heiligthum Aoniens zu dringen: |
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Doch strebt mein Geist dorthin, und nach Philosophie, |
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Allein mit oftmahls unbelohnter Müh |
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Läßt da mich Wahn und Irrthum gleiten, |
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Wo dein geübter Fuß wagt männlich fortzuschreiten. |
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Die Fackel der Vernunft, die zündetest du an, |
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Für sie hast du weit mehr gethan, |
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Als jene Schurmanninn, die bey den Labadisten |
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Mehr für die Schwärmerey, als für den Sinn der Christen |
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Ihr hohes Wissen nützt. Du, Edle! sagtest frey, |
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Wo dich der Schein verführt, und bliebst der Wahrheit treu. |
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Du nahmst dem Wolf sein täuschend Schafgewand |
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Mit sanfter, aber fester Hand. |
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Für Dichternachruhm hab’ ich weniges Gefühl; |
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Mir gab mein Genius ein kleines Saitenspiel, |
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Hiermit versüß’ ich mir des Lebens bittre Leiden; |
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Und die Erinnerung an die entflohnen Freuden |
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Ist für mein Herz Genuß. Von keiner Reu’ vergällt, |
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Verfließt mein Leben, fern vom Rausch der großen Welt. |
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Nur dich, du edelste der Weiber, zu verehren, |
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Macht mir mein Herz zur süßen Pflicht. |
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Dein Beyspiel ruft mich auf, mein Wissen zu vermehren. |
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Erkenntniß meiner selbst, ist mehr als ein Gedicht. |
Details zum Gedicht „An Elisen“
Susanne von Bandemer
4
28
200
1802
Klassik,
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An Elisen“ wurde von Susanne von Bandemer verfasst, einer deutschen Schriftstellerin, die im Zeitraum von 1751 bis 1828 lebte. Dieses Gedicht ist daher zeitlich dem ausgehenden 18. bis beginnenden 19. Jahrhundert, also der Epoche der Aufklärung und Romantik, zuzuordnen.
Der erste Eindruck des Gedichts ist, dass es sich um eine Art Loblied auf eine gewisse „Elisen“ handelt, in dem von Bandemer ihre die Bewunderung für diese Person zum Ausdruck bringt.
Im Inhalt des Gedichts spricht das lyrische Ich zu Elisen und lobt sie als luzide Denkerin und Kunstschaffende. Die Dichterin zeigt sich beeindruckt von Elises Weisheit und ihrem wissenschaftlichen Wissen, das die Dichterin nur ehrfürchtig von Ferne bewundern kann. Sie erwähnt, dass Elisen Wahrheiten offenlegt („du nahmst dem Wolf sein täuschend Schafgewand“) und dass sie ihrer Überzeugung treu bleibt. Weiterhin betont sie, dass ihre eigene Hingabe zur Lyrik ihr bei der Bewältigung ihres Lebens hilft, wobei sie ihre Liebe zur Einsamkeit und innerer Ruhe betont. Am Ende des Gedichts äußert das lyrische Ich seine Bewunderung für Elisen und ihr Mitwirken an ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung und Bildung.
Im Hinblick auf die formale Gestaltung folgt das Gedicht keinem regelmäßigen Reimschema, jedoch bestehen alle vier Strophen aus jeweils wechselnden Anzahlen von Versen (10, 8, 4, 6). Die Sprache ist durchgehend hochgestochen und formal, mit einer klaren Struktur und ebenso markanten wie bildhaften Worten und Ausdrücken. Es finden sich auch antike Anspielungen (Aonien, Kalliop; beides Symbole für Dichtkunst und Inspiration) und historische Referenzen (Schurmanninn; vermutlich ist hier Anna Maria van Schurman gemeint, eine Gelehrte des 17. Jahrhunderts).
Alles in allem vermittelt das Gedicht eine tiefe Wertschätzung der Dichterin für die von ihr als außergewöhnlich empfundene Elisen, zugleich erkennen wir die Hingabe des lyrischen Ichs zur Dichtkunst und dessen Streben nach Wissen und Selbsterkenntnis. Es reflektiert damit auch das aufklärerische Ideal von Bildung, Wahrheitssuche und Autonomie des Geistes.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Elisen“ der Autorin Susanne von Bandemer. Im Jahr 1751 wurde Bandemer in Berlin geboren. 1802 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik oder Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 200 Worte. Die Gedichte „An Karl Hadermann“, „An Madame Karschin bey Übersendung eines Blumenstrausses am 1. Dezember 1789“ und „An Madame Unzelmann“ sind weitere Werke der Autorin Susanne von Bandemer. Zur Autorin des Gedichtes „An Elisen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 86 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Susanne von Bandemer sind auf abi-pur.de 86 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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