Der Engel am Grabe des Herrn von Bern Heinrich Wilhelm von Kleist
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Als still und kalt, mit sieben Todeswunden, |
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der Herr in seinem Grabe lag; das Grab |
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als sollt' es zehn lebend'ge Riesen fesseln, |
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in eine Felskluft schmetternd eingehauen; |
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gewälzet mit der Männer Kraft, verschloß |
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ein Sandstein, der Bestechung taub, die Türe; |
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rings war des Landvogts Siegel aufgedrückt: |
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Er hätte der Gedanke selber nicht |
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der Höhle unbemerkt entschlüpfen können; |
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und gleichwohl noch, als ob zu fürchten sei, |
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es könn' auch der Granitblock sich bekehren, |
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ging eine Schar von Hütern auf und ab |
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und starrte nach des Siegels Bildern hin: |
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Da kamen, bei des Morgens Strahl, |
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des ew'gen Glaubens voll, die drei Marien her, |
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zu sehn, ob Jesus noch darinnen sei: |
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Denn Er, versprochen hatt' Er ihnen, |
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Er werd' am dritten Tage auferstehn. |
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Da nun die Frau'n, die gläubigen, sich nahten |
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der Grabeshöhle: was erblickten sie? |
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Die Hüter, die das Grab bewachen sollten, |
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gestürzt, das Angesicht in Staub, |
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wie Tote, um den Felsen lagen sie; |
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der Stein war weit hinweggewälzt vom Eingang; |
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und auf dem Rande saß, das Flügelpaar noch regend, |
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ein Engel, wie der Blitz erscheint, |
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und sein Gewand so weiß wie junger Schnee. |
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Da stürzten sie, wie Leichen, selbst, getroffen. |
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zu Boden hin und fühlten sich wie Staub |
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und meinten, gleich im Glanze zu vergehen: |
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Doch er, er sprach, der Cherub: „Fürchtet nicht! |
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Ihr suchtet Jesum, den Gekreuzigten — |
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der aber ist nicht hier, er ist erstanden: |
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Kommt her, und schaut die öde Stätte an." |
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Und fuhr, als sie, mit hocherhobnen Händen, |
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sprachlos die Grabesstätte leer erschaut, |
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in seiner hehren Milde also fort: |
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„Geht hin, ihr Frau'n, und kündigt es nunmehr |
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den Jüngern an, die er sich auserkoren, |
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daß sie es allen Erdenvölkern lehren |
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und tun also, wie er getan", und schwand. |
Details zum Gedicht „Der Engel am Grabe des Herrn“
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1777 - 1811
Klassik,
Romantik
Gedicht-Analyse
Bern Heinrich Wilhelm von Kleist ist der Autor des Gedichtes „Der Engel am Grabe des Herrn“. Geboren wurde Kleist im Jahr 1777 in Frankfurt an der Oder. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1793 und 1811. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik oder Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 283 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 41 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Bern Heinrich Wilhelm von Kleist ist auch der Autor für das Gedicht „Prolog“. Zum Autor des Gedichtes „Der Engel am Grabe des Herrn“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.
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