Der Harfner von Elise von Hohenhausen (1789–1857)

Es blinkt dort ein Schloß auf felsiger Höh'
In des Abends purpurnem Strahl,
Den Felsen umspült ein krystallener See
Und Ulmen beschatten das Thal,
Wo rings von blühenden Bergen umgeben
Einst stattliche Mannen sich freuten am Leben.
 
Am Ufer des See's, auf blumigem Grund,
Von der Linde duftendem Baum
Beschattet, da bietet ein grünendes Rund
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Zum Tanze gemüthlichen Raum;
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Doch wie die Sterne am Himmel erstehen,
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So ist es um Tanz und Jubel geschehen.
 
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Dann tönt von der Höh' ein klagendes Lied,
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Das ergreift mit Geistergewalt;
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Der Reigen verstummet, der Tänzer entflieht,
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Es schweigen die Sänger im Wald;
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Mit Wehmuth füllt sich das innerste Leben
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Und will mit den Tönen der Erde entschweben.
 
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Einst wandelt' vom Schloß in's blumige Thal
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Eine himmlisch blühende Maid;
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Da fand sie 'nen Harfner in schmerzlicher Qual,
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Von Heimath und Freunden so weit.
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Das Fräulein führt ihn zur gastlichen Pforte
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Und tröstet den Kranken mit huldreichem Worte.
 
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Der Jüngling erblühet in Schöne und Kraft,
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Doch was tief im Herzen entspringt,
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Das lindert kein Gold und kein kühlender Saft,
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Nur Eine ist, der es gelingt;
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Denn Wehmuth löst sich im Wonneentzücken,
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Begegnet die Holde des Liebenden Blicken.
 
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Da kam mit Gefolge, glänzend und reich,
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Der erwählte Bräutigam her;
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Des Harfners berosete Wange ward bleich,
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Doch barg er's im Herzen so schwer.
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Das Fräulein, kindlich von Unschuld umfangen,
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Erwiederte züchtig des Freiers Verlangen.
 
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Bald schallt aus des Schlosses prunkendem Saal
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Bei der Trauung Jubel und Tanz,
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Da füllet der Sonne entschwebender Strahl
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Die Felder mit röthlichem Glanz;
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Der Vater winkt: ?Unter duftenden Linden
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Soll heute der Imbiß uns Fröhliche finden".
 
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Die Tafel sich reiht, es kreis't der Pokal,
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Und des Abends Purpur verglüht,
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Da rufte der Vater: ?Beim traulichen Mahl
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Sing', Harfner, ein minniglich Lied".
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Der stand dort oben in himmlischer Schöne,
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Vom Felsen erklangen die schmelzenden Töne:
 
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?Ich schaute in's Auge, himmlisch und hehr,
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Und es ward im Busen mir licht.
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Doch lächelt dies Auge dem Harfner nicht mehr,
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Das Herz drum, das liebende, bricht;
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Die Sonne sinkt zum Meere hinunter,
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Und Hoffnung, Liebe und Leben geh'n unter.
 
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?Ich liebte Dich ewig, glühend und rein,
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Doch ich barg's in wogender Brust.
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Die Liebe, die kannte der Himmel allein,
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Du hast's nicht gefühlt, nicht gewußt;
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Du gehest von hinnen mit fröhlichem Herzen,
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Das meine, das bricht in unendlichen Schmerzen.
 
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?O Sonne, o Leben, ewig dahin!
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Willkommen mir, grausige Nacht!
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Ich seh' nicht wieder den Morgen erglüh'n,
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Die Retterin nimmer erwacht.
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Hinab, hinab in die stillen Gewässer!
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Da unten ist's kühler, da unten ist's besser".
 
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Bang fleht die Jungfrau: ?Harfner, laß ab!
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Es zermalmt dein Geistergesang".
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Da stürzte der Jüngling sich jählings herab
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Von des Felsen bemoosetem Hang;
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Der See verbarg in den schäumenden Wogen
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Den Sänger, den Leben und Hoffnung betrogen.
 
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Der Bräutigam rief: ?Auf! sattelt mein Roß!"
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Und umfaßt die sinkende Braut.
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Es winket dem Tapfern sein väterlich Schloß,
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Noch ehe der Morgen ergraut.
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Hier strebte der Ritter mit liebenden Mühen
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Den Schleier um bange Erinn'rung zu ziehen.
 
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Der Harfner allein vergaß es nicht
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Was die Seele glühend gefühlt:
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Der See, wenn erscheinet das mondliche Licht,
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Dann lauter den Felsen umspült,
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Und Klagetöne trägt schauriges Wehen
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Herüber von jenen verödeten Höhen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Harfner“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
84
Anzahl Wörter
525
Entstehungsjahr
1789 - 1857
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Harfner“ stammt von der deutschen Schriftstellerin und Dichterin Elise von Hohenhausen, die von 1789 bis 1857 lebte. Sie war eine Vertreterin der Spätromantik, was in der malerischen und emotionalen Beschreibung der Natur und menschlichen Gefühle in diesem Gedicht zum Ausdruck kommt.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr bildhaft und weckt eine Reihe von emotiven Assoziationen. Die Landschaftsbeschreibungen erzeugen eine romantische Atmosphäre, während die sentimentalen Aspekte der menschlichen Erfahrung stark hervorgehoben werden.

Inhaltlich erzählt das Gedicht eine tragische Liebesgeschichte zwischen dem Harfner und einer jungen Edeldame, die im selben Schloss lebt. Der Harfner, dessen Musik die Feierlichkeiten im Schloss belebt, verliebt sich in das Fräulein, das seine Gefühle jedoch nicht erwidert, da sie bereits einem anderen Mann versprochen ist. Der Harfner kann seinen qualvollen Liebesschmerz nicht ertragen und stürzt sich in den See, der das Schloss umgibt.

Formal handelt es sich um ein erzählendes Gedicht in gereimten Verspaaren (Paarreim). Jede Strophe besteht aus sechs Versen, bei denen jeweils der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten und der fünfte mit dem sechsten Vers reimt. Dies schafft einen rhythmischen Fluss und verleiht dem Gedicht eine musikalische Qualität.

In Bezug auf die Sprache ist das Gedicht von einer romantischen, teils sogar melodramatischen Diktion geprägt. Die Wahl der Worte, die vielen Naturbeschreibungen und die Darstellung intensiver emotionaler Zustände sind typisch für die Dichtung der Romantik. Ebenso typisch ist die Darstellung von Liebe als unerfüllbar und zutiefst schmerzhaft, mit einem Hang zur Selbstzerstörung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Der Harfner“ ein intensives, gefühlsgeladenes Gedicht ist, das, typisch für die Zeit seiner Entstehung, die inneren Kämpfe des lyrischen Ichs nach außen projiziert und ästhetisch in eine lebendige, emotionale Landschaft einbettet. Es zeigt die tragischen Auswirkungen von unausgeglichenen Liebesbeziehungen auf und fordert den Leser dazu auf, sich mit den tief intensiven Gefühlen des Harfners zu identifizieren.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Harfner“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Elise von Hohenhausen (1789–1857). Hohenhausen (1789–1857) wurde im Jahr 1789 in Waldau (Kassel) geboren. Im Zeitraum zwischen 1805 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 525 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 84 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Ein weiteres Werk der Dichterin Elise von Hohenhausen (1789–1857) ist „Zweite Kindheit“. Zur Autorin des Gedichtes „Der Harfner“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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