Verschließ dich nur, du schöner Mund von Paul Heyse

Verschließ dich nur, du schöner Mund,
Verbirg dich, tiefes Herz mit Fleiß:
Der Rechte kommt zur rechten Stund',
Der Mund und Herz zu lösen weiß.
 
Gedenk' ich dein, kommt mir zu Sinn
Das Märlein von der alten Stadt:
Ein tiefer Brunnen lag darin,
Draus keiner noch getrunken hatt'.
 
Er war so tief, so wundertief,
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Ließ man ein Becherlein hinab,
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Der Faden viele Stunden lief
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Und reichte doch den Grund nicht ab.
 
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Da kam des Wegs ein Musikant,
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Der sah den Brunn und trat herzu
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Und nahm sein Geigenspiel zur Hand
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Und spielt' ein Stück und sang dazu.
 
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Und horch, da rauscht' es tief und voll
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Und wogt' herauf und sprudelt' klar,
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Und lieblich kühl Gewässer schwoll
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Empor zum Rande wunderbar.
 
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Der Spielmann trank nach Herzgelüst,
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Da war gelöst der alte Bann.
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Wer so dich zu ersingen wüßt',
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Ach, wäre wohl ein sel'ger Mann!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Verschließ dich nur, du schöner Mund“

Autor
Paul Heyse
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
143
Entstehungsjahr
1830 - 1914
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Verschließ dich nur, du schöner Mund“ wurde von Paul Heyse verfasst, einem bekannten deutschen Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer aus dem 19. Jahrhundert. Da Heyse von 1830 bis 1914 lebte, stammt dieses Gedicht vermutlich aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts oder frühen 20. Jahrhunderts.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck von romantischer und symbolischer Kunst. Es verwendet allegorische Elemente und eine märchenhafte Erzählung, um seine Botschaft zu vermitteln.

Vom Inhalt her scheint das lyrische Ich eine bezaubernde Person zu beschreiben, die sich bewusst verschließt - sowohl emotional (Herz) als auch verbal (Mund). Dieses Individuum wartet auf die richtige Person, die imstande ist, diese inneren und äußeren Barrieren zu durchbrechen. Diese Idee wird durch die Metapher eines tiefen, unergründlichen Brunnens dargestellt, aus dem niemand trinken konnte, bis ein Musiker mit seiner Geige und seinem Gesang das Wasser zum Steigen bringt. Der Musiker ist in der Lage, den Bann zu brechen und nach Herzenslust zu trinken, was darauf hinweist, dass er das Geheimnis entziffert und die Barriere durchbrochen hat.

Form und Sprache des Gedichts dienen dazu, seine romantische und märchenhafte Stimmung zu vermitteln. Die Struktur besteht aus sechs gleich langen Strophen zu je vier Versen und das regelmäßige Reimschema unterstreicht den rhythmischen, erzählenden Charakter des Gedichts. Heyse nutzt einfache, aber wirkungsvolle Bilder, wie den tiefen Brunnen und den fahrenden Musiker, um eine Atmosphäre der Romantik und des Mysteriums zu erzeugen. Auf sprachlicher Ebene ist die Verwendung des Präteritums auffällig, die die Vergangenheit und damit eine erzählerische Distanz betont.

Insgesamt geht es in Heyses Gedicht somit um Liebe, Sehnsucht und das Durchbrechen von emotionalen Mauern. Diese Botschaft wird durch eine formvollendete Sprache und eindrucksvolle Bilder kunstvoll vermittelt. Es ist auch ein Plädoyer für das Warten auf die richtige Person, die in der Lage ist, die persönlichen Barrieren zu durchbrechen.

Weitere Informationen

Paul Heyse ist der Autor des Gedichtes „Verschließ dich nur, du schöner Mund“. Geboren wurde Heyse im Jahr 1830 in Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1846 und 1914. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Heyse handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 143 Worte. Weitere Werke des Dichters Paul Heyse sind „Sanft unterm Fittich der Nacht“, „Über ein Stündlein“ und „Vogelscheuche“. Zum Autor des Gedichtes „Verschließ dich nur, du schöner Mund“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 25 Gedichte vor.

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