Steinfeld, Thomas - Land der Dichter und Lenker (Sachtextanalyse)
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Referat
Sachtextanalyse – Land der Dichter und Lenker
Im vorliegenden Sachtext „Land der Dichter und Lenker“ (kostenfrei bei Süddeutsche Zeitung verfügbar), geschrieben von Thomas Steinfeld und im Jahr 2010 veröffentlicht, thematisiert der Autor die Diskussion um eine Aufnahme der deutschen Sprache als Amtssprache in das Grundgesetz und bezieht dazu Stellung. Der Text lässt sich in die Textart der Glosse einordnen, enthält aber auch Bestandteile eines Kommentars. Im Verlauf meiner Analyse möchte ich nun noch genauer auf die inhaltliche und sprachliche Gestaltung des Textes eingehen und die Argumentationsstruktur untersuchen, mit der der Autor gegen ein Bekenntnis zur deutschen Sprache im Grundgesetz argumentiert.
Einleitend geht Steinfeld darauf ein, dass eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz gar nicht realisierbar wäre und es Deutschland nicht zwingend anderen Ländern gleichtun müsse. Er stellt zudem heraus, dass eine solche Maßnahme den Schutz der Sprache als eine Schwäche derselben implizieren und zudem durch eine Festschreibung der Sprache durch das Gesetz anderssprachige Minderheiten ausgrenzen würde. Weiter folgend setzt sich Steinfeld mit der Entwicklung des Deutschen und dessen außergewöhnlicher Ferne zu allem Staatlichen im Vergleich zu anderen Sprachen auseinander und geht darauf ein, dass die deutsche Sprache gerade durch das Eingreifen des Staates in der Geschichte gelitten hätte. Im folgenden Textverlauf beschäftigt sich Steinfeld damit, dass es wesentlich sinnvoller wäre, zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit der Sprache anzuregen, als rein bürokratische Maßnahmen zu ergreifen, die nicht zum erwünschten Erfolg führen würden. Steinfeld kommt damit zu dem Schluss, dass eine Aufnahme der deutschen Sprache in das Grundgesetz eher schädlich als nützlich wäre.
Zu Beginn der Argumentation stellt Steinfeld die zentrale These auf, dass eine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz keine sinnvolle Idee wäre (Z. 1 f.). Damit positioniert er sich klar und bietet den Leserinnen und Lesern eine Orientierung für den weiteren Verlauf seiner Argumentation. Er belegt seine These zunächst mit seinem ersten Argument, dass allein schon die Umsetzung einer solchen Idee realitätsfern sei (Z. 3-10). Die nicht unbedingt mögliche Umsetzbarkeit der Maßnahme unterstreicht der Autor zusätzlich mit der Metapher, dass das Grundgesetz nicht als „Wunschliste“ (Z. 4) zu verstehen sei. Er regt zudem die Leserschaft dazu an, selbst über diese Absurdität nachzudenken, indem er in Verwendung der rhetorischen Fragen „Und wie soll das auch gehen? Mithilfe von Oberlehrern, die mit Tintenpatronen schießen?“ (Z. 9 f.) auch die Leser mit einbezieht und mit seiner ironischen Ausdrucksweise die Lächerlichkeit des Vorschlags betont.
Im darauffolgenden Textabschnitt liefert Steinfeld das Gegenargument, dass sogar Autoritätspersonen wie der Bundestagspräsident Norbert Lammert und der stellvertretende Vorsitzende der CDU, Wolfgang Bosbach, für eine Aufnahme ins Grundgesetz plädieren würden, da auch andere Mitglieder der Europäischen Union so verfahren würden (Z. 11-14). Der Autor bereitet damit jedoch nur die Entkräftigung dieses scheinbar plausiblen Arguments vor.
Diese erfolgt mit einem Hinweis darauf, dass zum einen die Notwendigkeit des „staatlichen Schutz[es]“ (Z. 19) vielmehr die Schwäche der Sprache implizieren würde und dass zudem anderssprachige Minderheiten durch diese Regelung ausgegrenzt würden. Veranschaulicht wird dieses Argument mit dem Beispiel der russischen Minderheit in Lettland, die unter der Einführung der lettischen Sprache als einziger aufgeführter Amtssprache zu leiden hätten (Z. 23-25).
Fortfolgend argumentiert Steinfeld auf Grundlage der historischen Besonderheiten des Deutschen als Argument (Z.26-55), dass die Sprache nicht zwingend als „höchstes Kulturgut“ (Z. 26 f.) eines Schutzes bedürfe, sondern aus sich heraus lebensfähig und attraktiv sei. Dabei zeigt er mithilfe des Parallelismus „Das französische [...]“ (Z. 32), „Das Englische [...]“ (Z. 34) und „Das Deutsche [...]“ (Z. 37) die Unterschiede dieser Sprachen im Vergleich zum Deutschen auf, welches sich stets fern vom Staat und sehr dynamisch entwickelt habe. Als Beispiel zählt der Autor dazu einige Anwendungsbereiche der Sprache auf, in denen diese sich fern vom Staat geformt habe, wie religiösen Konflikten und Naturwissenschaften (Z. 51-53), aber auch vor allem durch die Literatur, wie zum Beispiel Goethes Werk „Werther“. (Z. 46). Diese außergewöhnliche Entwicklung des Deutschen verdeutlicht der Autor zudem stark durch ein Wortspiel beziehungsweise einen Parallelismus. Die Sprache sei „durchlässig anderen Sprachen gegenüber, durchlässig aber auch in sich selbst“ (Z. 43 f.), womit in einem doppelten Sinne zum einen die ständige Entwicklung, aber auch die Offenheit anderen Sprachen gegenüber hervorgehoben wird. Und gerade diese Offenheit unterstützt die These des Autors, dass es nicht sinnvoll wäre, Deutsch als einzige Amtssprache im Grundgesetz festzuschreiben, da dadurch andere Sprachen unvermeidlich weniger geschätzt würden.
Diese These unterstützt er auch im weiteren Textverlauf mit der Nennung eines Arguments ex negativo (Z. 56-63), bei welchem er die zweifelhaften Auslöser und Folgen von Normierungsversuchen aufzeigt, denn diese seien „der deutschen Sprache nie gut bekommen“ (Z. 55). Mit dieser Personifikation der Sprache entsteht der Eindruck, diese wäre durch solche Versuche sozusagen krank geworden, wie durch ein Gift, das sie nicht vertragen habe. Und genau diese schädliche Wirkung, wie ein Gift sie hat, hatten die Normierungsversuche auf die deutsche Sprache. Als Beispiele bringt der Autor den Sprachverein „SA unserer Muttersprache“ im damaligen NS-Staat, aber auch die misslungene Rechtschreibreform von 1996 bis 2006 hervor. Zu letzterer hebt er durch ein die Verwirrung verdeutlichendes Beispiel auch die Unsinnigkeit der Maßnahme hervor. Hierfür verwendet er während der Bemängelung einer nicht vorhandenen „Einheitlichkeit der Orthographie“ die angehängte rhetorische Frage „(oder -fie?)“ (Z. 61) und demonstriert, dass genau diese Einheitlichkeit nicht mehr existiert.
Im folgenden Textverlauf legt Steinfeld noch einmal ein Gegenargument 64-69 dar. Mithilfe einer Metapher von Wolfgang Bosbach, die Sprache sei der „Schlüssel für Integration“, also ein Hilfsmittel, das den Zugang zur Gesellschaft ermögliche, macht der Autor ein Zugeständnis zur Gegenseite. Aus diesem heraus einwickelt er jedoch seine eigene Position: Die Sprache solle attraktiver werden und genau das würde durch eine rein formale Maßnahme nicht der Fall sein und wie er es mit der leicht überspitzten Konnotation des „bürokratischen Aktes“ veranschaulicht, wäre es auch ein zu großer, nicht zum gewünschten Resultat führender Aufwand.
Kurz vor Ende seiner Argumentation stellt Steinfeld zur Veranschaulichung seiner eigenen Position, dass die deutsche Sprache interessanter gemacht werden müsse, noch eine neue These auf. Seiner Ansicht nach sei das Deutsche in einem schlechten Zustand und müsse deshalb wieder besser gesprochen werden (vgl. Z. 75 ff.). Er argumentiert damit, dass sich dies durch die gesamte Bevölkerung ziehen würde und beispielsweise sogar in Äußerungen des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier zu bemerken sei (vgl. Z. 81 f.).
Schlussendlich stimmt Steinfeld türkischen Einwanderern zu, dass ein Bekenntnis zur deutschen Sprache im Grundgesetz im politischen Zusammenhang die Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen zur Folge hätte und eine aktive Arbeit an ihr zunächst viel wichtiger wäre (vgl. Z. 85-89). Damit kommt der Autor auf die zuvor behandelten Argumente seines Textes zurück und kann mit einer Warnung vor politischem Schaden als Fazit schließen (Z. 90 f.).
Bezüglich der sprachlichen Gestaltung des Textes lässt sich ein größtenteils hypotaktische Satzbau feststellen, der eine gewisse Seriosität des Textes erzeugt. Zudem bewirkt die häufige Verwendung von Konjunktionen wie „denn“ (Z. 17, 86), „aber“ (Z. 27, 37, 63) oder „deswegen“ (Z. 27, 90), dass der Textfluss verbessert und vor allem Zusammenhänge der Aussagen des Autors verdeutlicht werden.
Die zumeist sachliche Stilebene, auf der sich der Autor in seinem Text bewegt, wird immer wieder durch eine umgangssprachliche Ausdrucksweise unterbrochen, die die Distanz zum Leser verringert und direkter wirkt. Beispiele dafür ist die Verwendung der deutschen Sprache „in glücklichen Momenten jedenfalls“ (Z. 53 f.) oder auch der Abschlusssatz „als ob es davon nicht genug gäbe“ (Z. 91) womit der Autor sich auf vorhandene Konflikte bezieht. Diese umgangssprachliche Art lässt sich aber auch in zum Teil provokanten rhetorischen Fragen wiederfinden, die sich regelmäßig im Text auffinden lassen, die Leserschaft zum Nachdenken anregenden und eine Nähe zu dieser erzeugen, beispielsweise „Und wie sollte das auch gehen?“ (Z. 9), sowie „Und wozu dient es [...]?“ (Z. 22).
Zusammenfassend lässt sich zu dem Artikel „Land der Dichter und Lenker“ sagen, dass der Autor mit Argumenten wie der Ausgrenzung von Minderheiten und den Besonderheiten der deutschen Sprache gegen eine Aufnahme derselben ins Grundgesetz argumentiert. Er entwickelt seine eigene Position, mit der Ansicht, eine aktive Beschäftigung mit der Sprache wäre ein sinnvollerer Ansatz. Da sich die Entscheidung über die diskutierten Maßnahmen in den Händen der Politiker befindet, ist davon auszugehen, dass Steinfeld gerade in dieser Adressatengruppe überzeugen möchte. Mit einer seriösen Argumentation, aber trotzdem Nähe zur Leserschaft, versucht er dieser seine Gedanken näherzubringen und von seinen Thesen zu überzeugen.
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