Alt, Peter-Andre - Klassische Endspiele (Iphigenie auf Tauris)

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Peter-André Alt, textgebundene Erörterung, Referat, Hausaufgabe, Alt, Peter-Andre - Klassische Endspiele (Iphigenie auf Tauris)
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Referat

Textgebundene Erörterung zu „Klassische Endspiele“ von Peter-André Alt

In seinem Text „Klassische Endspiele“ von 2008 nimmt Peter-André Alt Stellung zu Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“, wobei er sich auf den Aspekt der Humanität bezieht, welcher in diesem Drama eine bedeutende Rolle spielt. Im Gegensatz zu Euripides‘ Version des Mythos wird die Konfliktsituation am Ende des Dramas mittels Menschlichkeit gelöst, was Iphigenie zu dem Medium der Vernunft mache, das auf Humanität anstelle von Gewalt setzt. (vgl. Z.1 f).

Alt bezeichnet die Figur Iphigenie zunächst als „reine Seele“ (Z. 1) da diese das Kommunikationsmittel der Vernunft sei, die Menschlichkeit über Gewalt stelle (vgl. Z.1 f). Der Autor erläutert seine These, indem er beschreibt, dass Iphigenie sich nicht in die typische „Frauenrolle“ drängen lässt, aber gleichzeitig auch keine typisch männlichen Verhaltensmuster übernimmt. Sie nimmt also weder die Rolle der passiven Leidenden, noch des gewaltbereiten Mannes an. Stattdessen beschreibt der Autor Iphigenies Verhalten als einen „dritten Weg“ (Z. 5) zwischen den beiden Extremen. Alt schreibt weiterhin, dass die Auflösung des Dramas damit nicht nur gegen die typischen Verhaltensmuster der Geschlechter gehe, sondern auch gegen die Metaphysik, also die Fundamente des damals gültigen Weltbildes (vgl. Z. 6 f). Der Autor stellt daraufhin einen Vergleich zu Euripides‘ Version des Mythos auf. Während diese auf das Eingreifen der Göttin Athene angewiesen sei, stütze sich die Version Goethes auf die „selbstbestimmte Rettung“ Iphigenies (Z.9 f), wobei diese weder nach den in der Gesellschaft üblichen Verhaltensregeln handelt, noch eine Vormundschaft durch die Götter zulässt (vgl. Z. 9 ff). Peter-André Alt fasst seine Thesen zuletzt noch einmal zusammen. Die Lösung des Konflikts zum Ende des Dramas sei weder aufgrund von Gewalt oder List, noch aufgrund von göttlicher Hilfe zustande gekommen, sondern aufgrund des freien Willens und der daraus resultierenden Autonomie des Menschen (vgl. Z. 11 f).

Zu Beginn seiner Stellungnahme bezeichnet Alt Iphigenie als „reine Seele“ (Z. 1). Diese Redewendung ist positiv konnotiert und stellt damit zugleich die positive Meinung des Autors zu dem Drama „Iphigenie auf Tauris“ klar. Indem er Iphigenie im weiteren als „Medium“ (Z. 1), also als Kommunikationsmittel der Vernunft, bezeichnet, verstärkt er seinen Standpunkt weiter, da Iphigenie als „Überbringerin der Vernunft“ eine hohe Position einnimmt. Anschließend grenzt er die Art der Vernunft, von welcher er schreibt, ab und zählt zu diesem Zweck mehrere Beispiele auf: „Humanität gegen Tötungsrituale, Verständigung gegen Schweigen und Sühne gegen Gewalt“ (Z. 1 f). Durch die Aufstellung mehrerer Antithesen betont der Autor die Charakteristik der hier gemeinten Vernunft, die Menschlichkeit, die gegen alles „Unmenschliche“ also sprich, „Tötungsrituale“, „Schweigen“ und „Gewalt“ (vgl. Z.1 f) steht. Im Weiteren begründet Alt seine These, indem er Iphigenie zwischen den beiden Extremen „typisch weiblich“ und „typisch männlich“ einordnet. Iphigenie möchte laut Alt den „Mythos der Schuld“ (Z.2) zum Stillstand bringen (vgl. Z. 2 f). Mit diesem könnte gemeint sein, dass es in den meisten anderen Dramen eines Schuldigen bedarf, um einen Konflikt lösen zu können, während dies bei Iphigenie nicht der Fall ist. Sie verzichtet weder auf ihre eigene Initiative (vgl. Z.3), noch reproduziert sie männliche Verhaltensnormen in der Rolle einer kämpfenden Frau (vgl. Z. 4), die Alt hier als „Amazone“ bezeichnet. Der Autor verwendet hierbei die Metapher eines „dritten Wegs“ (vgl. Z. 5), um die Lösung mittels Menschlichkeit, also weder mittels „Gewalt“ noch mittels „Leiden“ durch Iphigenie zu verbildlichen. Hierbei wird nochmals das Extrem zwischen „männlich“ und „weiblich“ aufgespannt, wobei das Weibliche mit dem „passiven Leiden“ und das Männliche mit dem „Prinzip der Gewalt“ verknüpft wird (vgl. Z. 5 f).

Laut Alt verstoße diese Lösung nicht nur gegen die „Konventionen der Geschlechterbilder“ (Z. 6 f), sondern auch gegen die „ältere Autorität der Metaphysik“ (Z. 7). Damit meint der Autor die damals gültigen Grundsätze der Realität. Vor Goethes „Iphigenie auf Tauris“ war die Lösung eines Konflikts durch Mitleid und Güte, also Humanität, nie infrage gekommen. Teil der Lösung war oftmals entweder Gewalt, oder ein eingreifen der Götter. „Iphigenie auf Tauris“ rüttelt nicht nur wegen seiner „neuen“ Art Konflikte zu lösen an der Metaphysik, sondern auch, weil diese ein Eingreifen der Götter überflüssig macht und damit deren Sinn und Zweck infrage stellt. Dies erläutert Alt im nachfolgenden, in dem er sich vergleichend auf Euripides‘ Version des Mythos bezieht. Die Worte „benötigt noch“ (Z. 8) zeigen den somit „rückständigen Charakter“ der Fassung von Euripides auf. Indem er Iphigenie im folgenden Satz als „Heldin“ (Z. 9) und die Lösung des Konflikts als „selbstbestimmte Rettung“ (Z. 9 f) bezeichnet, wird erneut die Position des Autors deutlich, da er Goethes Fassung positiver beschreibt, als die des Euripides. Abschließend zieht der Autor sein Fazit, mit dem er seine Position noch einmal unterstreicht.

Sprachliche ist die Stellungnahme von Peter-André Alt ist im Allgemeinen sehr sachlich gehalten, wobei dennoch einige Wertende Aspekte enthalten sind. Durch die sachliche Sprache gewinnt der Text an Professionalität wobei Wertende Aspekte den Leser von der Position des Autors überzeugen sollen. Dieser versucht den Leser von seiner Argumentation zu überzeugen, indem er selbst überzeugend Argumentiert und seine Argumente mit Beispielen belegt. Zudem verwendet er einen hypotaktischen Satzbau, wodurch er seine Thesen detailliert ausführen kann, was zur Überzeugungskraft der Stellungnahme beiträgt.

Die zentrale These in Peter-André Alts Text bezieht sich auf die Humanität, durch die der Konflikt in „Iphigenie auf Tauris“ schließlich gelöst wird. Der Argumentation, dass Iphigenie einen Mittelweg zwischen einem passiven (leidendem) und einem aktiven (gewalttätigem) Verhalten wählt, kann ich zustimmen. Sie konfrontiert Thoas direkt und verhindert eine kämpferische Auseinandersetzung zwischen ihm und ihrem Bruder Orest. Indem sie an die Humanität Thoas‘ appelliert, schafft sie es, die Insel mit ihrem Bruder unbeschadet zu verlassen. Iphigenies Verhalten geht dabei aber meiner Meinung nach noch einen Schritt über ein bloßes Verstoßen gegen die konventionellen Geschlechterrollen hinaus, sie ist bis zu einem gewissen Grad emanzipiert, was zur gegebenen Zeit keinesfalls Normalität war. Auch stimme ich Alt in dem Punkt zu, dass „Iphigenie auf Tauris“ keine Intervention der Götter mehr benötigt, wohingegen Athene in Euripides‘ Fassung als „Deus ex machina“ eine wichtige Rolle spielte. In Goethes Version des Mythos kann der Konflikt allein durch Menschlichkeit gelöst werden. Thoas lässt Orest und Iphigenie gehen, da er Mitleid mit ihnen hat und Milde walten lässt. Initiiert wurde dies durch Iphigenie, welche Thoas zu seinem edelmütigen Handeln verleitet. Die „humane Handlung“ selber, also die Befreiung von Iphigenie und Orest, wäre allerdings nicht möglich gewesen, wenn Thoas sich nicht darauf eingelassen hätte. Hätte er sich gegen die Humanität gewandt und Iphigenie und ihren Bruder stattdessen bestrafen lassen, wäre der Konflikt nicht auf diese Weise - wenn überhaupt - gelöst worden. Somit ist also auch Thoas ein wichtiger Teil der Gleichung, da er letzten Endes die Verantwortung für den Ausgang des Dramas trägt, ob es zu einem „Sieg der Humanität“ kommt, oder eben nicht.

Ich komme zu dem Schluss, dass ich größtenteils mit Peter-André Alts Stellungnahme bezüglich des Dramas „Iphigenie auf Tauris“ übereinstimme. Iphigenie schafft es Thoas und Orest von einer gewalttätigen Lösung abzubringen und initiiert stattdessen einen humanen Ausgang des Dramas. Dabei emanzipiert sie sich selbst und verhält sich für die damaligen Verhältnisse geschlechtsuntypisch, ohne jedoch ein aggressives Verhalten anzunehmen. Durch das Lösen des Konfliktes mittels Humanität, werden zugleich die Götter, deren Zweck darin bestand, solche Konflikte zu lösen, überflüssig gemacht. Ein wichtiger Aspekt, der von Alt nicht erwähnt wurde, war der stille Konsens Thoas‘ ohne den das Drama keinen so guten Ausgang hätte haben können.

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