Borchert, Wolfgang - Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer (Interpretation)

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Wolfgang Borchert, Gedichtinterpretation, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Borchert, Wolfgang - Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer (Interpretation)
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Referat

Wolfgang Borchert: Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer (Interpretation)

Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer
von Wolfgang Borchert

Auf dem Nachhausewege 1945
 
Die Apfelblüten tun sich langsam zu
beim Abendvers der süßen Vogelkehle.
Die Frösche sammeln sich am Fuß des Stegs.
Die Biene summt den Tag zur Ruh –
nur meine Seele
ist noch unterwegs.
 
Die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt,
wo in der Nacht das Leben weiterglimmt,
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weil hier noch Herzen schlagen.
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Wer jetzt noch kein Zuhause hat,
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wenn ihn die Nacht gefangen nimmt,
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der muss noch lange fragen:
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Warum die Blumen leidlos sind –
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warum die Vögel niemals weinen –
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und ob der Mond wohl auch so müde ist –
 
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Und dann erbarmt sich leis ein Wind des einen,
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bis er –im Schlaf– die Welt vergisst.

(„Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer“ von Wolfgang Borchert ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.3 KB) zur Unterstützung an.)

Wolfgang Borchert

  • 1946 oder 47 entstanden
  • Wolfgang Borchert (geb. 20.5.1921, gestorben am 20.11.1947)

Kurzbiografie:

  • deutscher Dichter
  • Sohn einer Hamburger Bürgerfamilie
  • absolvierte nach seinem Schulabschluss eine Buchhändlerlehre, arbeitete danach aber als Schauspieler
  • geriet nach der Einberufung zur Wehrmacht wegen seiner oppositionellen Haltung mit den Militärbehörden in Konflikt
  • 1943 wurde er wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt, doch vor der Vollstreckung des Urteils glücklicherweise zur „Frontbewährung“ begnadigt
  • todkrank und von seinen Fronterlebnissen schwer erschüttert, kehrte er 1945 in seine Heimatstadt zurück
  • in den letzten beiden Jahren entstanden seine Werke:
    • Kurzgeschichten („Die Hundeblume“, 1947) und
    • Gedichte („Laterne, Nacht und Sterne“, 1946)
    • sowie sein in nur sechs Tagen fertiggestelltes Drama „Draußen vor der Tür“ (1947)
  • Sehr bekannt für Kurzgeschichten
  • Gehört zur Literatur der Nachkriegsjahre
    • Weitere Vertreter: z.B. Günter Kunert, Hans Bender, Christa Reinig, Heinrich Böll
    • Autoren verarbeiteten ihre Erlebnisse des 2. WKs
    • Viele von ihnen waren selbst an der Front
    • Hauptthemen waren die Heimkehr nach dem Krieg, die Frage, ob die Menschen daraus gelernt haben, das „Nicht-Loslassen-Können“ von den Schrecken des Krieges

Inhalt:

  • typisches Thema für diese Zeit
  • Hypothese: ein Mann, der mit dem Krieg konfrontiert wurde/wird kann Erlebtes nicht verarbeiten und nicht vergessen
  • könnte Soldat sein, der an der Front war und evtl. noch in Kriegsgefangenschaft kam
  • könnte auch ein Mitarbeiter in einem KZ sein, der tagsüber Menschen ermorden muss und diese Taten dann psychisch nicht bewältigen kann
  • beginnt mit Beschreibung der Naturidylle
  • die Natur sammelt sich in aller Ruhe und Friedlichkeit zur Nacht → kein Leid, Ruhe Geborgenheit, Frieden, keine Spur vom Krieg zu erkennen → Neid
  • Mann jedoch geht es nicht so, kann nicht vergessen, nicht loslassen
  • Seine Gedanken kommen nicht zur Ruhe
  • Findet keinen Seelenfrieden → Bilder und Erinnerungen halten seine Seele gefangen
  • Will Einsamkeit verlassen, sich ablenken und vergessen, kann es letztendlich aber doch nicht
  • Sonst, wenn er nachts allein ist, holen ihn seine Erinnerungen nur noch schlimmer wieder ein
  • Grübelt die ganze Zeit darüber, kann in Einsamkeit an nichts anderes denken
  • Beneidet immer wieder die Unbefangenheit der Natur, die nicht trauert und sofort wieder einen Neuanfang startet, ohne ständig an das Vergangene erinnert zu werden
  • Er ist kriegsmüde (Z. 16), Natur dagegen scheint fröhlich und heiter
  • Nachts spürt er den Hauch des Todes, wenn er schläft
  • Wunsch nach dem Tod um zu vergessen hört man heraus
  • Erinnerungen werden ihn sonst bis in den Tod verfolgen

Stilistische Mittel:

  • Lyr. Situation personal/gestalthaft, Gedanken des Mannes und dessen Sicht auf die Umwelt → Subjektivität
  • bis auf Z. 6/7 spricht Mann nie direkt an, wie er sich fühlt
  • verallgemeinert („wer“, „einen“, „ihn“) und personifiziert („die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt“) wenn er von sich selbst redet, trotzdem weiß man, dass dies seine Gefühle und Gedanken sind
  • Wunsch sich wie die Natur verhalten zu können sehr stark ausgeprägt
  • Zeigt, dass er nicht versteht, warum die Natur vergessen kann, er aber nicht
  • Mann führt einen Monolog, Gedankenwelt des lyrischen Ichs
  • Erzählerische Gestaltung
  • Gedanken- bzw. Alltagslyrik der damaligen Zeit
  • 1. Zeile wirkt wie eine Überschrift, z.B. in einer Zeitung, Waisenkorn
  • 2 Strophen mit 6 Zeilen, verschränkter Reim
  • eine Strophe mit 3 und eine mit 2 Zeilen, inhaltlich und formal miteinander verbunden
  • 3. Strophe beginnt mit Waisenkorn, dann Paarreim, der sich über 3. und 4. Strophe zieht
  • unregelmäßige Kadenz, unregelmäßige Silbenzahl

Stilmittel:

  • rhetorische Fragen (Z. 14-16), kann Unbefangenheit der Natur nicht verstehen
  • Personifikation (Z. 8 und 12), meint eigentlich sich selbst
  • Enjambements (Z. 2 und 6)
  • Pars pro toto (Z. 10 „Herzen“ für die Menschen)
  • Anapher (Z. 14/15), Hilflosigkeit
  • Parallelismus (Z. 14/15)
  • Fallendes Trikolon (Z. 14-16) auch: Antiklimax
  • Euphemismus (Z. 17/18) empfindet den Tod in dieser Situation als Erlösung
  • Metapher (Z. 6/7, eigentlich meint er seine Gedanken; Z. 3 und 5)
  • Onomatopoesie (Z.5 „summt“), summen hat etwas angenehmes, beruhigendes, was er eigentlich sucht und vermisst, aber nicht findet, nur in der Natur
  • Parenthese (Z. 6/7 und 18)
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