Fried, Erich - Grenze der Verzweiflung (Interpretation)

Schlagwörter:
Erich Fried, Gedichtinterpretation, Analyse, Liebesgedichte, Strophe, Verse, Referat, Hausaufgabe, Fried, Erich - Grenze der Verzweiflung (Interpretation)
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Gedichtinterpretation: Erich Fried - „Grenze der Verzweiflung“

Erich Frieds Gedicht „Grenze der Verzweiflung“ wurde erstmals im Jahr 1979 in seiner Lyrik-Anthologie „Liebesgedichte“ veröffentlicht und kann der Liebeslyrik der Gegenwart zugeordnet werden.

Erich Fried (6. Mai 1921 - 22. November 1988) war ein in Österreich geborener Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Er wurde zunächst durch seine politische Poesie und später durch seine Liebesgedichte einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland und Österreich bekannt. Als Schriftsteller schrieb er vor allem Theaterstücke und Kurzromane. Er übersetzte auch Werke verschiedener englischer Schriftsteller vom Englischen ins Deutsche, vor allem Werke von William Shakespeare.

Er wurde in Wien (Österreich) geboren, floh aber nach der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland 1938 nach England. Er ließ sich in London nieder und nahm 1949 die britische Staatsbürgerschaft an. Sein erster offizieller Besuch in Wien war 1962.

Geboren bei den jüdischen Eltern Nelly und Hugo Fried in Wien, war er als Kinderschauspieler tätig und schrieb von klein auf stark politische Essays und Gedichte. Er floh nach London, nachdem sein Vater nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland von der Gestapo ermordet worden war. Während des Krieges arbeitete er gelegentlich als Bibliothekar und Fabrikarbeiter. Er arrangierte auch, dass seine Mutter das von den Nazis besetzte Österreich verließ, und half vielen anderen Juden, nach Großbritannien zu kommen. Er schloss sich Young Austria, einer linken emigrierten Jugendbewegung, an, verließ sie aber 1943 aus Protest gegen die wachsenden stalinistischen Tendenzen. 1944 heiratete er Maria Marburg, kurz vor der Geburt seines Sohnes Hans. Im selben Jahr erschien sein erster Gedichtband. Er trennte sich 1946 von Maria, und 1952 ließen sie sich scheiden. Im selben Jahr heiratete er Nan Spence Eichner, mit der er zwei weitere Kinder hatte: David (geb. 1958) und Katherine (geb. 1961). Erich und Nan ließen sich 1965 scheiden. 1965 heiratete er zum dritten Mal. Mit Catherine Boswell hatte er drei weitere Kinder: Petra (geb. 1965), Klaus und Thomas (geb. 1969).

Von 1952 bis 1968 arbeitete er als politischer Kommentator für den BBC German Service. Er übersetzte Werke von Shakespeare, T. S. Eliot und Dylan Thomas. Er veröffentlichte mehrere Gedichtbände sowie Hörspiele und einen Roman. Seine Arbeit war manchmal umstritten, darunter Angriffe auf die zionistische Bewegung und die Unterstützung linker Organisationen. Sein Werk wurde hauptsächlich im Westen veröffentlicht, aber 1969 wurde eine Auswahl seiner Gedichte in der DDR-Poesie-Reihe Poesiealbum veröffentlicht, und seine Dylan-Thomas-Übersetzungen wurden 1974 in der gleichen Reihe veröffentlicht. Der Komponist Hans Werner Henze hat zwei von Fried's Gedichten für seinen Liederzyklus Voices (1973) geschrieben.

1982 erhielt er die österreichische Staatsangehörigkeit zurück, behielt aber auch die britische Staatsangehörigkeit, die er 1949 angenommen hatte. Er starb 1988 in Baden-Baden an Darmkrebs und ist auf dem Kensal Green Cemetery, London, begraben. Nach ihm ist ein österreichischer Literaturpreis benannt - der Erich-Fried-Preis.

Die Thematik des Gedichts lässt sich mit zwei einfachen Worten beschreiben: Liebe und Verlust. Das lyrische Ich verzweifelt an der Liebe zu einer Person und sieht den Verlust dieser entgegen.

Im Folgenden wird Frieds Gedicht „Grenze der Verzweiflung“ mithilfe formaler Aspekte interpretiert. Bei der Interpretation wird zunächst Augenmerk auf Tektonik und die lyrische Mittel des Gedichtes gerichtet. Anschließend folgt eine chronologische Analyse sprachlicher Besonderheiten, die dem Werk eine weitere Bedeutungstiefe geben.

„Grenze der Verzweiflung“ ist aus 5 Strophen aufgebaut, jede Strophe umfasst dabei 4 freie Verse. Frei sind diese insofern, da sie keiner eindeutigen metrischen Ordnung folgen. Auch dichtungstypische Reimformen treten an keiner Stelle auf. Eine fehlende Interpunktion (Zeichensetzung) verstärkt den freien Charakter der Verse. Der Sprechrhythmus des Gedichts ist somit nur durch die auftretenden Zeilenumbrüche bzw. die Strophentrennung bestimmbar. Der syntaktische Aufbau des Gedichts lässt sich trotz fehlender Zeichensetzung dennoch bestimmen: Die Großschreibung der Anfangsbuchstaben der 1. , 3. und 5. Strophe geben Auskunft darüber, dass sich das Gedicht in 3 syntaktische Einheiten grob gliedern lässt: 1. + 2. , 3. + 4. und schließlich die letzte Strophe. Diese Vermutung wird später noch auf inhaltlicher Ebene einer Untersuchung unterzogen. Der Sprachstil ist zwar überwiegend lakonisch (also nüchtern), dennoch lassen sich emotive, emotionsgeladene Passagen finden. Nach dieser kurzen Abhandlung der wesentlichen tektonischen und lyrischen Merkmale folgt nun eine genauere Analyse der jeweiligen Strophen.

Der Titel stimmt bereits den Grundton des Gedichts ein – Verzweiflung. Der Zusatz „Grenze“ zeigt, dass diese negative Emotion bereits ein hohes Niveau erreicht hat, die „Grenze“ nicht mehr überschreitbar ist. Die Metapher tritt somit in einer gesteigerten, endgültigen Form auf. Die erste Strophe beginnt mit einer positiven Stimmungslage, die allerdings innerhalb von 4 Versen in einen negativen Trend umschlägt. So begründet das lyrische Ich in einem einfachen Aussagesatz seine innige Liebe zur Geliebten („Ich habe dich so lieb“, V.1) bringt aber konsekutiv („...so lieb/daß...“, V.1f) auch Zweifel zum Ausdruck. Das lyrische Ich stellt sich die Frage, ob sein Empfinden mit „Liebe“ zu bezeichnen ist („ob ich dich so lieb habe“, V.3), oder die Furcht vor einem schmerzlichen Verlust der Geliebten die treffendere Begründung dafür ist („oder ob ich mich fürchte“, V.4). Das letztere wird in der darauffolgenden Strophe deutlich.

Mittels eines Strophenenjambements wird die Parataxe aus der Eingangsstrophe fortgeführt. Die Bindung erfolgt durch eine Repetition des Syntagmas „ob ich mich fürchte“ (V. 4 u. V.5). Einen wesentlichen Einschnitt hat diese Strophe bereits im zweiten Vers, da der „Verlust“ direkt durch die Lexeme „ohne
dich“ zum Ausdruck gebracht wird. Aus dem Zweifel der ersten Strophe bahnt sich die Verzweiflung an, was am interrogativen Charakter der Satzkonstruktion deutlich wird. [Angemerkt sei hier die Wortverwandtschaft der Lexeme „Zweifel“ und „Verzweiflung“.]

In der dritten und vierten Strophe findet sich eine Reihung rhetorischer Fragen mit dem Fragewort „wozu“, die durch das Fehlen eines Personalpronomens Ellipsen aufweisen. Geprägt sind die Parallelismen zudem durch das Adverb „noch“, wodurch die Fragen eine Ausweglosigkeit ausdrücken – es zeigen sich Züge eines inneren Monologs. Das lyrische Ich sieht keinen Sinn in seinen alltäglichen Aktivitäten, weder in der Grundtätigkeit des Waschens („wozu mich noch waschen“, V.9) noch in der Leidenschaft des Schreibens („wozu noch Schreiben“, V.12). Im Übrigen stellt diese letztgenannte Aktivität einen Bezug zum Autor des Gedichts. - Lyrisches ich und Dichter verschmelzen zu einer Person. Die Formulierung „gesund werden wollen“ (V.10) steht im Futur und zeigt daher, dass die momentane Situation eher in die Gefühlslage des „Kränkelns“ tendiert. Es steigert sich so in die Verzweiflung rein, dass es auf die Gesundheit schlägt – eine Form von Depression tritt auf.

Die vierte Strophe zeigt den Höhepunkt der Verzweiflung, was deutlich am sprachlichen Wandel wird: Der lakonische Stil wird aufgelöst, Lüge und Wahrheit werden antithetisch gegenübergestellt (V. 14f). Zudem ist ein versübergreifender Binnenreim zu erkennen („Strähnen...strählen“, V.14f). Der letzte Vers stellt den zweiten Einschnitt dar. - Wieder stellt sich das lyrische ich die Liebe ohne seine Geliebte vor („ohne dich“, V.16). - Lakonie ist wieder erreicht.

In der 5. und letzten Strophe wandelt sich die Verzweiflung aus den vorangegangenen Passagen wieder in Zweifel um. Deutlich wird dies durch das Adverb „vielleicht“ im Anfangsvers. Ein Wechsel in die Prospektive und die Voraussicht ins Positive mit der Zustimmung, dass es Menschen wie seine Angebetete weiterhin geben wird, lässt auf eine Katharsis schließen. Der letzte Vers zeigt allerdings eine negative Wende. - Aus dem zuvor genannten „ohne dich“ entwickelt sich ein „ohne mich“, was auf einen möglichen Suizid hindeutet.

Erich Frieds Gedicht „Grenze der Verzweiflung“ schlägt den Tenor der Verzweiflung an. Diese ist zwar scheinbar ein Gegenpol zur eigentlich thematisierten Liebe, aber in der Dichtung der Gegenwart keine Seltenheit, ganz im Gegenteil. Ein weiterer Dichter der Nachkriegszeit, Heinar Kipphardt, bringt diese Tatsache in seinem Gedicht „Das Lieben“ wie folgt zum Ausdruck: „Das Lieben hat zwei Personen / Das ist beim Lieben der Kummer“. Der Liebe wird ein negatives Gefühl (in Form von Verzweiflung/ Kummer/...) gegenübergestellt.

Zurück