Berliner in Italien von Klabund

Die ganze Welt ist voll von Berlinern.
Deutschland, Deutschland überall in der Welt.
Ich sah sie auf der Promenade in Nervi sich gegenseitig bedienern,
und sie waren als Statisten beim Empfang des italienischen Königs
in Mailand aufgestellt.
 
Da konnten sie einmal wieder aus vollem Herzen Hurra schreien.
So ’n König, und sei er noch so klein, ist doch janz was anderes
als so ’ne miekrige Republik.
In Bellaggio wandeln sie unter Palmen und Zypressen zu zweien,
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und aus dem Grandhotel tönt (fabelhaft echt Italienisch;
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Pensionspreis täglich 200 Lire) die Jazzmusik.
 
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Wie hübsch in Bologna die Jungens mit den schwarzen Mussolinihemden!
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Wie malerisch die Bettler am Kirchentor!
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Die und die Flöhe finden einen Fremden
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aus hunderttausend Eingebornen hervor.
 
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In Genua am Hafen aus engen mit Wäsche verhangenen Gassen winken
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schwarzäugige Mädchen und sind bereit,
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gegen entsprechendes Honorar sich abzuschminken.
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O du fröhliche, o du selige Frühlingszeit.
 
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Dagegen das Kolosseum, die ollen Klamotten, die verstaubten Geschichten,
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das haben wir zu Hause auf halb bebautem Gelände auch, nu jewiß.
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Den schiefen Turm von Pisa sollten sie mal jrade richten.
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Mussolini hat dazu den nötigen Schmiß.
 
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Über diesem Lande schweben egal weg die Musen,
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man sehe sich die Brera und die Uffizien an.
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Die mageren Weiber von Botticelli kann ich nich verknusen,
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aber Rubens, des is mein Mann.
 
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Wohin man sieht, spuckt einer oder verrichtet sonst eine Notdurft:
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es ist ein echt volkstümliches Treiben.
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Prächtig dies Monomuent Vittorio Emmanueles in Rom: goldbronziert
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und die Säulenhalle aus weißem Gips.
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Dafür kann mir das ganze Forum jestohlen bleiben.
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Ich bin modern. A proposito: haben Sie für Karlshorst sichere Tips?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Berliner in Italien“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
33
Anzahl Wörter
262
Entstehungsjahr
1927
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Der Verfasser des Gedichts ist Alfred Henschke, besser bekannt unter seinem Pseudonym Klabund. Klabund war ein deutscher Schriftsteller der expressionistischen Ära und lebte von 1890 bis 1928, weswegen man das Gedicht „Berliner in Italien“ in diese Zeit einordnen kann.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine Sammlung von Beobachtungen und Anmerkungen aus der Perspektive eines Berliners in Italien, der eine eher distanzierte oder ironische Sichtweise auf seine Landsleute und die italienische Kultur ausdrückt.

Inhaltlich nimmt der Sprecher des Gedichts eine ironische und teils sarkastische Haltung ein, was auf eine Kritik an der Unkultur und Ignoranz gegenüber der italienischen Kultur und Geschichte hinweist. Der Sprecher bemängelt die Berliner, die Italien als bloße Kulisse für ihr Vergnügen nutzen und die reiche Kultur und Geschichte des Landes ignorieren oder sogar missachten. Er macht sich über ihren Mangel an Respekt und Verständnis für die einheimische Kultur lustig und kritisiert ihre Nostalgie für Monarchie und ihr Desinteresse an den politischen Realitäten Italiens.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen von unregelmäßiger Länge mit jeweils vier bis sechs Versen. Die Sprache ist umgangssprachlich und verwendet provenzalischen Dialekt, was dem Gedicht einen volkstümlichen Charakter verleiht und vermutlich den mangelnden Bildungsgrad und die fehlende Verfeinerung der Berliner darstellen soll, die der Sprecher porträtiert. Darüber hinaus verwendet der Autor eine Mischung aus Beschreibungen und direkten Aussagen, um seine Beobachtungen und Meinungen zu vermitteln, was ein lebendiges und einprägsames Bild der Szenerien und Charaktere erzeugt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Berliner in Italien“ eine kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten von Deutschen im Ausland darstellt, die das Gastland nur als Kulisse für ihr Vergnügen betrachten und dessen Kultur und Geschichte gering schätzen. Durch seine lebendige Sprache und seinen ironischen Ton schafft Klabund ein eindrucksvolles Bild dieser Thematik und lädt den Leser zur Reflexion ein.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Berliner in Italien“ ist Klabund. 1890 wurde Klabund in Crossen an der Oder geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1927 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zu. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 262 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 33 Versen. Der Dichter Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Berliner Ballade“, „Berliner Mittelstandsbegräbnis“ und „Blumentag“. Zum Autor des Gedichtes „Berliner in Italien“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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