Sonett LXIV. von August Graf von Platen

Wer wüßte je das Leben recht zu fassen,
Wer hat die Hälfte nicht davon verloren
Im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Thoren,
In Liebesqual, im leeren Zeitverprassen?
 
Ja, der sogar, der ruhig und gelassen,
Mit dem Bewußtseyn, was er soll, geboren,
Frühzeitig einen Lebensgang erkoren,
Muss vor des Lebens Widerspruch erblassen.
 
Denn Jeder hofft doch, daß das Glück ihm lache,
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Allein das Glück, wenn’s wirklich kommt, ertragen,
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Ist keines Menschen, wäre Gottes Sache.
 
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Auch kommt es nie, wir wünschen blos und wagen:
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Dem Schläfer fällt es nimmermehr vom Dache,
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Und auch der Läufer wird es nicht erjagen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sonett LXIV.“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
99
Entstehungsjahr
1826
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht ist ein Sonett von August Graf von Platen, einem deutschen Dichter der Romantik und der Biedermeierzeit, geboren 1796 und gestorben 1835. Es folgt dem klassischen Schema eines Sonetts mit vierzehn Versen, unterteilt in zwei Quartette und zwei Terzette.

Auf den ersten Blick spiegelt das Gedicht die existenzielle und universelle Frage nach dem Sinn und Zweck des Lebens wider.

Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich mit der Vergänglichkeit und der Schwierigkeit, den Wert und die Bedeutung des Lebens zu erkennen, auseinander. Im ersten Quartett fragt das lyrische Ich, ob jemals jemand das Leben richtig begriffen hat und bemerkt, dass die Hälfte davon oft im Träumen, Gesprächen mit Narren oder in Liebesleid vergeudet wird – eine Reflexion der menschlichen Natur, die Tendenz hat, sich auf Trivialitäten und irrelevante Angelegenheiten zu konzentrieren, anstatt das Leben voll zu nutzen.

Das zweite Quartett macht deutlich, dass selbst die disziplinierteste und zielorientierten Personen an der Widersprüchlichkeit und Unvorhersehbarkeit des Lebens verzweifeln können. Die Menschen hoffen auf Glück, aber der Umgang mit Glück, wenn es tatsächlich eintritt, wird als göttliche Angelegenheit bezeichnet. Es ist eine Anspielung darauf, dass das Glück oft als unerreichbar und beinahe göttlich dargestellt wird.

In den Terzetten wird das Thema vertieft und festgestellt, dass Glück oft eine Illusion ist, die von Menschen angestrebt wird. Trotz Wünschen und Bemühungen ist das Glück nicht garantiert. Weder der passive Schläfer, der auf das Glück wartet, noch der aktive Läufer, der es hartnäckig verfolgt, werden es erlangen.

In Bezug auf Stil und Sprache ist das Gedicht in einem formellen und poetischen Duktus verfasst. Es ist klassisch in seinem Aufbau und verwendet Metaphern und symbolische Begriffe, um die komplexen Konzepte von Glück, Erfüllung und Lebenszweck zu artikulieren. Sowohl das metrische Muster als auch die Reimform sind typisch für ein Sonett und tragen zur klaren und fließenden Lesbarkeit des Gedichts bei. Durch seine gedankliche Tiefe bietet es Raum für weitreichende Interpretationen und Reflexionen über das Leben und die menschliche Existenz.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sonett LXIV.“ des Autors August Graf von Platen. Geboren wurde Platen im Jahr 1796 in Ansbach. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1826. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart und Tübingen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 99 Worte. Weitere Werke des Dichters August Graf von Platen sind „An die Tulpe“ und „Das Grab im Busento“. Zum Autor des Gedichtes „Sonett LXIV.“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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