Preussen von Carl Streckfuß

Heil, mein Preußen, dir, Heil! Dich begrüß’ ich mit freudigem Stolze,
Stolz des Volkes, das stolz freudig den König begrüßt.
Denn ein Jeglicher fühlt: sein ist der König, und Er fühlt:
Er ist des Volkes, und sein, frei und gebildet, das Volk,
Treu bis zum Tod – er erfuhr’s – und nicht mit der Treue des Hundes,
Welcher, geschlagen, den Herrn schmeichelnd umwedelt und leckt.
Treu ist das Volk, weil’s weiß, sein ist der König und treu ihm,
Liebet ihn, weil er es liebt, ehret ihn, weil er es ehrt.
Als jüngst rings Aufruhr, das entsetzliche Scheusal, die Grenze
10 
Wild umtobte, da stand er an der offenen still,
11 
Wie durch Zauber gebannt – Was war der Zauber? Was bannt’ ihn?
12 
War es der Waffen Gewalt, welche der Frevel gescheut?
13 
Bürger ja zählt nur das Heer – das Volk, es zählt ja nur Krieger –
14 
Nicht an inneren Krieg denkt, wer sich also bewehrt.
15 
Preußens König bewehrte sich so – Er, reines Gewissens,
16 
Welches in eigener Brust edles Vertrauen erweckt,
17 
Welches Vertrauen erzeugt in der Brust klar blickender Völker,
18 
Und mit dem innigsten Band Fürsten und Bürger vereint.
19 
Solches Vertrauen erblickt’, an die Grenz’ anstürmend, der Aufruhr,
20 
Lieb’ und Treu’ – und er wich feig und verzagend zurück.
21 
Denn wo fest Eintracht mit dem Volke den Herrscher verbindet,
22 
Füllen sie Beide mit Furcht innern und äußeren Feind,
23 
Wandeln vereint vorwärts in Entwicklung, Gesetz und Gesinnung,
24 
Wie nach allmächtigem Schluß wandelt die strebende Zeit,
25 
Die der Zerstörung Kraft nicht übt an dem Staat, der mit ihr wallt,
26 
Die, selbst ewiglich jung, stets den Begleiter verjüngt.
27 
Nirgend ist Stillstand da, noch weniger schmählicher Rückgang,
28 
Welcher zum Kirchhof führt, wo das Vergangne verwes’t –
29 
So durch die Zeit verjüngt und erstarkt, von kleinem Beginne,
30 
Hob sich Borussia’s Macht herrlich und glänzend empor.
31 
Vorwärts! rief nach Zerstörung und Graus der gewaltige Kurfürst,
32 
Und im Innern erstand stark und nach außen der Staat.
33 
Vorwärts! riefen die Könige dann – und der einzige Friedrich
34 
Rief nicht, er riß vorwärts mit sich das jauchzende Volk.
35 
Doch es entschlummert sich süß und behaglich im Schatten des Ruhmes,
36 
Und schnell brach Unheil über die Schlummernden ein.
37 
Was die Weisheit und Kraft gebaut und gesammelt, in Trümmer
38 
Stürzt’ es, als Denkmal nur stand die Ruine noch da.
39 
Muth nicht gnügte, noch Recht, den Bau zu erneuen – die Kraft nur,
40 
Welche die strebende Zeit ihren Begleitern verleiht.
41 
Doch da erscholl’s: Vorwärts! Vorwärts! vom heiligen Throne,
42 
Der das Gebäude gestützt, daß es nicht gänzlich versank.
43 
Und im Innern erwacht’ ein lebendiges fröhliches Leben,
44 
Kindliches heitres Vertrau’n, Muth und Gesinnung und Licht.
45 
Was die entschwundene Zeit an drückenden Fesseln geschmiedet,
46 
Streifte – der König gebot’s – rasch von den Gliedern das Volk,
47 
Und bewegte sich, frei im Gesetz, mit gemessener Ordnung;
48 
Rüstig vom Herrscher geführt, folgt’ es mit rüstigem Schritt,
49 
Und erreichte die Zeit, die während des Schlummerns enteilt war,
50 
Und in den mächtigen Arm nahm sie die Strebenden auf.
51 
Sieh, da erstarkte der König im Volke, das Volk in dem König,
52 
Alles im Staate ward Kraft, Alles Bestrebung und Geist,
53 
Welcher mit Macht antrieb Hoffarth zu zücht’gen und Unbill;
54 
Glühend in Ungeduld, harrte des Rufes das Volk.
55 
Und er erscholl vom Thron – Wie beim künstlichen Feuerwerke
56 
Erst das ernste Gerüst stumm sich und dunkel erhebt,
57 
Dann, wenn der Meister zur richtigen Zeit, am geeigneten Orte,
58 
Klug, vorsichtig und still sich mit dem Zünder genaht –
59 
Prasselnd zuckt dann empor der Blitzesstreif, und es zucken
60 
Andere Blitz’ aus ihm, zischen hinunter, hinauf,
61 
Rechts und links und grad’ und schräg, in jeglicher Richtung,
62 
Bis vollendet in Gluth herrlich der Tempel erglänzt –
63 
Also Borussia’s Macht, als der Ruf des Königs erschollen;
64 
Mächtig durch jegliche Brust zuckte lebendige Gluth.
65 
Jeder vergaß sein selbst, darbringend Güter und Leben,
66 
Als ihm eigen erkannt ward nur von Jedem der Staat.
67 
Alles besondre Besitzthum schwand – und, plötzlich verwandelt,
68 
Zeigte das kleine Volk sich als gewaltiges Heer.
69 
Sich den verwegenen Feldmarschall, wie er stürmend vorauseilt!
70 
Laut: Vorwärts! Vorwärts! ruft er den jubelnden Zug.
71 
Alle stürmen ihm nach, unaufhaltsam – Niedergeschmettert
72 
Werden die Feind’ und es hemmt Strom nicht noch Veste den Lauf,
73 
Bis der Titan hinkracht, der Gewaltige, welcher in Schlummer
74 
Jüngst dich, mein Preußen, gelullt und dich dann schmählich gestürzt. –
75 
Herrlich getilgt ist die Schmach; der Sieg erringt dir den Frieden,
76 
Schenket nach außen dir Macht mehr als du fallend verlorst.
77 
Ruhm ausstrahlend und Pracht auf Germaniens ferneste Gauen,
78 
Steiget das edle Gebäu schützend und drohend empor.
79 
Doch die Gewähr der Macht, nicht verleiht sie die Höh’ und die Weite,
80 
Sie verleiht nur der Geist, der dir im Innern erwacht,
81 
Welcher Herrscher und Volk einträchtig beseelt, und sie vorwärts
82 
Zieht, daß die strebende Zeit nie dir von Neuem enteilt:
83 
Vorwärts, nicht wie im Kriege das stürmende Reitergeschwader,
84 
Vorwärts, rüstiges Schritts, wie ihn die Zeit dir gebeut,
85 
Wie die Natur ihn dich lehrt, die, allmächtig entwickelnd, die Fichte
86 
Tiefer wurzelnd im Grund, höher zum Himmel erhebt;
87 
Welche verdorrtes Gezweig abstreift, nicht gewaltsam – es aufgiebt
88 
Und mit belebendem Saft nur das ergrünende nährt –
89 
Nimmer entschlummerst du fürder behaglich im Schatten des Ruhmes,
90 
Reg aufstrebend und wach, immer erneuernd die Kraft.
91 
So wird nach außen der Ruhm, nach innen das herrlichste Glück dein,
92 
Nicht wie der Thor es erträumt, wie es der Weise sich hofft,
93 
Welcher im Geist es erkennt: „Das Leben – ein Streben nur ist es,
94 
Vom Vollkommenen trennt uns unermeßlicher Raum;
95 
Unheil aber und Tod nahn da, wo das Streben ermattet,
96 
Wo der lebendige Quell träg sich im Sumpfe verliert.“
97 
Dann, in welcherlei Form du frei dich bewegest im Lichte,
98 
Gnüge das Wesen dir stets: Freiheit, Bewegung und Licht.
99 
Ihnen entkeimt Volksglück, und sie entkeimen der Eintracht,
100 
Dem Vertrauen, das fest Herrscher und Völker vereint.
101 
Wer Argwohn aussät, auf den Höh’n sey’s oder im Thale,
102 
Argwohn ärnt’ er für sich reichlich zur eigenen Schmach.
103 
Mag wahnsinniger Knaben Gehirn dann Verschwörungen brüten,
104 
Mag schwachsinnige Furcht träumen von arger Gefahr;
105 
Wie wenn der Hund anbellt des Vollmonds blendenden Schimmer,
106 
Wird es, mein Preußen, dir seyn, nur zum Gelächter dem Markt.
107 
Darum schreite nun fort auf weislich erkorenem Pfade,
108 
Und zu dem freudigsten Ziel führt dich die sichere Bahn –
109 
Heil dir, mein Preußen, o Heil! Dein Adler erhebt sich zum Himmel –
110 
Kühn, ungeblendet vom Licht, ja von dem Schimmer erstarkt,
111 
Schauet sein Auge dahin auf die Fernen des Raums und der Zeiten,
112 
Und ihn ziehet der Blick höher und höher empor.
113 
Hier erheben die Alpen sich blau, dort schimmert die Ostsee;
114 
Hier der Niemen und dort strömet der prächtige Rhein.
115 
Oder, Elbe mittinnen und Weser – die irrende Mosel
116 
Jenseits – den Alpen zu glänzet die Donau hervor.
117 
Ein Volk wohnet dazwischen, doch es hoben sich hemmende Schranken
118 
Hier und dort, und getheilt sah sich in Völker das Volk,
119 
Fühlte die Kräfte gelähmt, die Vereinigung traurig ersehnend,
120 
Nicht sie hoffend, und schlaff sanken so Arme wie Geist.
121 
Siehe, da winkte der Aar und die trennenden Schranken, sie fielen –
122 
Jubelnd in Wonne nun reicht Bruder dem Bruder die Hand.
123 
Jeder empfängt was er braucht, und giebt was er hat, und dem Wechsel
124 
Gebens und Nehmens entkeimt Reichthum und froher Genuß.
125 
Aemsiger regt sich im Felde die Hand des erheiterten Landmanns
126 
Und des Winzers im Berg, rascher bei lohnenden Mühn.
127 
Fröhlicher Fleiß erwacht in der lange verödeten Werkstatt,
128 
Und Wetteifer belebt ihn mit veredelndem Geist.
129 
Schleuniger füllen und leeren sich nun die Speicher des Kaufmanns,
130 
Der, ein Eroberer, schaut auf das gewonnene Land;
131 
Frachtschiff’ ankern in Häfen entfesselter Ström’, und erfreun sich
132 
Gleiches Rechtes, wenn auch mancherlei Flagge sie schmückt.
133 
Waarenbelastet begegnen auf länderverbindenden Straßen
134 
Im weitreichenden Zug Wagen und Wagen sich nun.
135 
Fröhliche Reisende rollen dahin in befreundete Ferne,
136 
Hier begegnet, dort kreuzt rasch sich die eilende Schaar.
137 
All dies Streben begleitet und führt und verknüpft der Gedanke,
138 
Welchen dem Westen der Ost sendet, dem Süden der Nord,
139 
Der des Vereins Band webt, unzertrennbar, daß es dem Neide
140 
Trotzt und mit jeglichem Jahr fester und fester sich schlingt.
141 
Aber der Adler erschaut ein Volk in verschiedenen Staaten,
142 
Einig nach außen zur Macht, einig nach innen zum Glück,
143 
Und er erfreut sich des herrlichen Werks, das lang nur als Traumbild
144 
Deutschland innig ersehnt, das er nun endlich vollbracht.
145 
Und auf den Adler schaun Germania’s Völker, nun ein Volk,
146 
Liebend, vertrauend – er schaut liebend, vertrauend zurück,
147 
Dann in die Ferne hinaus, Zukünftiges forschend, und freudig
148 
Zeigt sich, so weit er schaut, reger Entwickelung Bild.
149 
Doch am fernesten Saum, wohin Aarblicke nicht tragen,
150 
Schmilzt das gestaltete Bild endlich in goldenem Glanz.
151 
Doch wie Harfen-Getön umklingen ihn Stimmen von oben,
152 
Klingen mit deutlichem Laut ihm aus dem Innern zurück:
153 
„Vorwärts streb’ und bewahre die Treue dir selbst und den Andern,
154 
Alles Uebrige fällt endlich von selber dir zu.“

Details zum Gedicht „Preussen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
154
Anzahl Wörter
1435
Entstehungsjahr
1834
Epoche
Romantik,
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Preussen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Carl Streckfuß. Im Jahr 1778 wurde Streckfuß in Gera geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1834 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Halle. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 154 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 1435 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Carl Streckfuß sind „Beruf“, „Bey der Hochzeit des Hrn. Schultz“ und „Das Gastmahl des Theoderich“. Zum Autor des Gedichtes „Preussen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 50 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Carl Streckfuß (Infos zum Autor)

Zum Autor Carl Streckfuß sind auf abi-pur.de 50 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.