Pompeji von Ludwig I. von Bayern

Mehr und mehr enthüllet sich uns, was die Erde bewahret,
Mütterlich, sorgsam, beynah siebzehn Jahrhunderte lang.
Komme, in sie mich versenkend, in dieser Vorwelt zu leben,
Komm’, Grabmälern vorbey, zierlich und glänzend zugleich;
Wie in dem Leben, so liebte der Alte im Tode zu wohnen,
Heiter war sein Grab, wie es das Leben ihm war.
Rom ist gestürzet, zerstreuet die Asche der Erdebeherrscher,
Gräber behalten allein hier noch die Asche getreu;
Ein wohlthuend Gefühl, nach langen, umwälzenden Zeiten
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Sterblicher letzten Beschluß immer befolget zu seh’n.
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Sitze laden den Bürger, die müß’ge, die thätige Menge
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Aus dem Thor und hinein bunt sich bewegen zu seh’n.
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Ueber das damals schon tief eingefahrene Pflaster
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Wandere in der Stadt Straßen ich sinnend einher,
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An Kaufläden vorüber, an Häusern verschiedner Gewerbe;
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Auch Handmühlen sind da und die Backöfen bereit.
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Auf das Forum geleiten die Straßen; am Ende desselben,
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Viele Stufen hinan, raget ein Tempel empor.
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Und noch stehet die Bühne des Redners, er fehlet alleine;
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Immer fehlte auf ihr muthiges offenes Wort.
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Seitwärts lächelt, umringt von Gemälden, der Tempel der Liebe;
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Unvergänglich wie sie bleibet die Herrschaft von ihr.
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Dorten öffnet sich die Basilika, gleichfalls umsäulet,
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Wo der Reichthum, ach! öfter entschied als das Recht.
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Damals schon war’s üblich, daß öffentliche Gebäude
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Wurden von müßiger Hand frevelnd verletzet durch Schrift,
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Wie’s auch der Anblick hier von dieser Säule bezeuget;
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Besser war nicht der Mensch, übler im Gegentheil noch.
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Durch gerad’ und gewundene Straßen, Anzeigen beschrieben,
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(Welche einander sich oft decken auf frischem Bewurf),
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Führet der Weg dann bey den Theatern, den Gängen von Säulen,
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Manchen Gebäuden vorbey, hin auf den Mauern der Stadt,
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Zu dem Amphitheater, das inwendig unten bemalt ist.
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Sehet den Löwen! er harrt noch auf das Zeichen zum Kampf.
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Aus der Arena geht aufwärts ein Gang, der Inschrift vorüber,
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Die zuerst uns belehrt, daß das gepries’ne Gesetz,
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Welches den Zustand der Sclaven erleichtert, durch Pansa entstanden;
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Es bringt weiter der Weg, wenige Schritte davon,
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An das dicht bey einem Gewölb’ gelegne Triclinium;
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An dem Todtengastmahl sitzen drey Todte nunmehr.
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Folgend der Mauer der Stadt gelanget der Waller zum Thore,
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Welches, weit und gewölbt, immer nach Nola noch führt.
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Benachrichtigung wurde dem Fremdling schon bey demselben,
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Auf dem weißlichen Grund länglich geschrieben mit Roth.
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Nur in Pompeji sieht man des Römers gewöhnliches Leben,
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Leben’s mit ihm; in Rom blos wir den herrschenden seh’n.
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Alles ist in Pompeji, es fehlen einzig die Menschen,
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Alles lebt hieselbst, ach! und doch alles ist todt.
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Helios hat sich in die Fluthen gesenket, mit dunkelen Fitt’gen
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Ziehet die Nacht vorbey, breitet sich über die Stadt;
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Da tritt kein Gastfreund einladend entgegen, es wölbet
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Sich kein Dach zum Schutz für den Ermüdeten mehr.
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Wehmuth dringt in die Brust und Thränen erfüllen die Augen,
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Rufen, Bewohner! nach euch, ach! und wir rufen umsonst,
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Hohl und leer nur hallt die ewige, sehnende Klage
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Aus dem Gemäuer zurück in das beklommene Herz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.3 KB)

Details zum Gedicht „Pompeji“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
489
Entstehungsjahr
1829
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Pompeji“ stammt vom Ludwig I. von Bayern, einem deutschen Monarchen und Literaten, der von 1786 bis 1868 lebte und regierte. Dadurch lässt sich das Gedicht zeitlich in die Epoche des Biedermeier und des Realismus einordnen, wobei Ludwig I. in seiner Rolle als Kunstmäzen und Schöpfer vieler Gedichte eine bedeutende Stellung innehatte.

Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von einer ausdrucksstarken, detailreichen Schilderung Pompejis – einer antiken, durch den Ausbruch des Vulkans Vesuv im Jahr 79 n. Chr. verschütteten Stadt in Italien. Es wird eine Stimmung von Melancholie und Bewunderung vermittelt, denn das lyrische Ich trauert nicht nur um den Verlust der einst lebendigen Stadt, sondern zeigt auch Bewunderung für die erhalten gebliebenen archäologischen Überreste.

Inhaltlich betrachtet, verwendet Ludwig I. Pompeji als Symbol für die Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens. Das lyrische Ich spaziert durch die antiken Straßen Pompejis und beschreibt dabei detailreich verschiedene Gebäude, Tempel, das Forum und letztendlich das leere, menschenfreie Amphitheater. Es wird die einstige Lebendigkeit und das aktive bürgerliche Leben betont, das durch die Katastrophe jäh beendet wurde. Die ewige Klage des lyrischen Ichs steht für die Erinnerung an die untergegangene Stadt und deren Bewohner, für die Trauer und den Schmerz über ihre Abwesenheit und den Verlust ihrer Lebenskraft.

In Bezug auf die Form und die Sprache ist das Gedicht durch einen komplexen Versbau und einen gehobenen, bildhaften Sprachstil geprägt. Es besteht aus 56 Versen, die in einer einzigen Strophe organisiert sind und sich durch einen regelmäßigen Rhythmus und verschiedene Reimschemata auszeichnen. Diese Struktur spiegelt die gründliche, systematische Untersuchung des lyrischen Ichs von Pompeji wider und trägt zur eindrucksvollen Atmosphäre des Gedichts bei.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ludwig I. von Bayern in seinem Gedicht „Pompeji“ einen einfühlsamen, tiefgreifenden Eindruck der antiken Stadt und ihrer historischen Bedeutung vermittelt und dabei Fragen nach der Vergänglichkeit, der Erinnerung und der Anerkennung von kulturellem Erbe aufwirft.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Pompeji“ des Autors Ludwig I. von Bayern. Bayern wurde im Jahr 1786 in Straßburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1829 entstanden. Erschienen ist der Text in München. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 489 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 56 Versen. Zum Autor des Gedichtes „Pompeji“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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