Ostermärchen von Edgar Steiger
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Schwermütig sitzt auf seinem Ei |
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Der deutsche Osterhase. |
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Er fühlt, der Winter ist vorbei, |
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Und schnuppert mit der Nase. |
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Er läßt vom lauen Morgenwind |
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Die langen Löffel schwenken, |
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Gedankenvoll, wie Deutsche sind, |
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Wenn sie an gar nichts denken. |
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Sobald die rechte Stunde schlägt, |
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Erscheint das Frühlingswunder, |
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Dem Hasen, der da Eier legt, |
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Ist’s nur ein Kinderplunder. |
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Er lümmelt drauf und sitzt und schwitzt, |
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Bis aus zerknickter Schale |
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Ein nackig Ungeheuer sitzt |
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Und piept und quiekt: „Bezahle!“ |
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Erst glotzt er’s an, als wär’s ein Traum, |
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Dann schlägt er schnell im Grase |
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Dreimal den schönsten Purzelbaum: |
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„Mein Name, Herr, ist Hase! |
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Ich weiß von nichts. Ich habe zwar |
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Sie eben ausgebrütet; |
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Doch hat bis heut mir der Notar |
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Die Kosten nicht vergütet. |
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„Drum, wenn ich höflich bitten darf, |
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Kein Wort von Alimenten! |
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Ein Hase, der da Junge warf, |
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Zählt nicht zu den Studenten. |
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Er kann zwar, wenn es gut ihm deucht, |
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Die Eier schwarz bemalen; |
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Doch sollen, was heraus da kreucht, |
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Die anderen bezahlen.“ |
Details zum Gedicht „Ostermärchen“
Edgar Steiger
4
32
165
1912
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Ostermärchen“ wurde von Edgar Steiger verfasst, einem deutschen Schriftsteller, der vom 13. November 1858 bis zum 23. bzw. 24. Oktober 1919 lebte. Daher ist das Gedicht in die Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts einzuordnen.
Beim ersten Durchlesen fällt die humorvolle und ironische Tonalität des Gedichts auf. Edgar Steiger zeichnet das Bild eines deutschen Osterhasen, der wie ein Mensch denkt und spricht. Das Gedicht kombiniert Elemente der Ostertradition mit gesellschaftlichen Beobachtungen und ironischen Kommentaren.
Inhaltlich geht es um einen Osterhasen, der sich eher betroffen als erfreut darüber zeigt, dass er ein Ei ausgebrütet hat. Trotz der Komik der Szene ist diese auch ein Spiegel für die Bürden und Verantwortungen, die mit der Elternschaft einhergehen. Hier könnte eine Kritik an den gesellschaftlichen Erwartungen und Vorgaben für Eltern liegen: Der Hase hat das Ei ausgebrütet, möchte aber nichts mit den „Alimenten“ (Unterhaltszahlungen) zu tun haben. Mit der abschließenden Anmerkung, dass „die anderen“ die Kosten für das gebrütete Ei tragen sollen, könnte Steiger eine soziale Kritik üben, etwa in Bezug auf abwesende oder nicht unterstützende Elternteile.
In Bezug auf die Form ist das Gedicht in vier gleichstarke Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt. Die Sprache wirkt trotz der Reime flüssig und natürlich. Viele Ausdrücke sind umgangssprachlich oder ironisch („Kinderplunder,“ „schnuppert mit der Nase“), was die humoristische Absicht des Gedichts unterstreicht. Zugleich wird der Osterhase menschenähnlich dargestellt und er spricht sogar von sich selbst in der dritten Person, was dem Gedicht eine skurrile Note verleiht.
Insgesamt handelt es sich bei „Ostermärchen“ um ein humorvolles und ironisches Gedicht, das sich an der Ostertradition orientiert und diese teilweise übernimmt, teilweise jedoch auch parodiert und kritisiert. Dabei nimmt es auf gesellschaftliche Themen - wie Verantwortung, Elternschaft und Kostenübernahme - Bezug, aber immer mit einem Augenzwinkern.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ostermärchen“ des Autors Edgar Steiger. Der Autor Edgar Steiger wurde 1858 in Egelshofen geboren. Im Jahr 1912 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 165 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Das Gedicht „Ostereier“ ist ein weiteres Werk des Autors Edgar Steiger. Zum Autor des Gedichtes „Ostermärchen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.
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