Herzog Huldreich und Beatrix von Adelbert von Chamisso
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Herr Huldreich, der Herzog im Böhmerland, |
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Er jagt auf den Höhen zur Stund; |
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Die Bäuerin wäscht die Leinewand |
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Am Bach im schattigen Grund. |
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»Bedürftig und müde verirrtest du |
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Dich Jäger in unser Tal; |
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Laß hier dich nieder zu kurzer Ruh, |
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Und teile mit mir das Mahl.« |
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»Hab Dank, hab Dank, du freundliches Kind, |
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Du spendest, wo mancher raubt; |
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Wie mir ermattet die Glieder sind, |
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Sinkt sorgenschwer auch mein Haupt.« |
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»Und naht die Sorge bei freudiger Jagd |
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Dir Jäger im lustigen Wald? |
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Wann nagend den alten Vater sie plagt, |
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Verscheuchet mein Lied sie bald.« |
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»Kein Lied aus treuer, freudiger Brust! |
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So einsam inmitten der Schar! |
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Kein Stern der heiteren, innigen Lust, |
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Kein Aug, wie das deine so klar!« |
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»Doch leuchtet aus kühngewölbten Braun |
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Mildfreundlich dein Augenstern; |
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Wer möchte nicht in den Himmel schaun, |
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Wer nicht in das Auge dir gern?« |
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»Zu mir hinauf wohl manche sah, |
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Frug nicht nach des Auges Licht, |
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Und hätte gestanden ein anderer da |
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Statt meiner, sie merkt' es nicht.« |
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»Auf, Jäger, es mag geschieden nun sein; |
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Dort windet dein Pfad sich hinan. |
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Noch schaut ich ins Auge dem Vater allein, |
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Sonst keinem anderen Mann.« |
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»Mißdeute nicht ein trübes Wort, |
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Das nicht, du Gute, dir galt; |
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Und schickst du von hinnen mich zürnend fort, |
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Wo find ich auf Erden noch Halt?« |
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»Ich zürne nicht, wie du es meinst, |
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Ich bin vom Zürnen, wie fern! |
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Gott segne dich, und die dereinst |
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Wird deines Himmels Stern.« |
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»Gott segne dich, du liebe Maid; |
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Noch eins verkünde mir mild: |
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Gedenk ich dein in Freud und Leid, |
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Wie nenn ich das süße Bild?« |
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»Beatrix nennt der Vater mich, |
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Des Hütte dort sich zeigt; |
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Du aber sprich, wie nenn ich dich, |
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Der huldreich sich mir geneigt?« |
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»Beatrix, Heilesbringerin! |
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Wohl wirst du als solche bekannt; |
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Und fragst nach mir? mit zartem Sinn |
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Hast selbst du mich eben genannt.« |
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»Du Huldreich? hab ich's doch gedacht, |
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Wie unser Herzog schier, |
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Und käm er daher in der Herrschaft Pracht, |
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Ich blickte doch nur nach dir.« |
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»Ich dünkte der Freude mich fremd noch fast, |
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Und hab's dir, Beatrix, vertraut; |
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Doch wenn um Liebe du Liebe hast, |
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Verbinde der Ring mir die Braut.« |
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»Du lieber, du seltsamer Jägersmann, |
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So Huld- mir und Liebe-reich; |
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Den Ring, den nehm ich vom Vater nur an, |
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Ich führe zum Alten dich gleich.« |
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»Wohlan, wohlan du süße Gestalt, |
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Ich werb um deine Hand; |
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Der Alte findet den Bessern, halt! |
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Doch nicht im böhmischen Land.« |
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Da kamen die stolzen Genossen der Jagd |
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Den Herzog suchend einher, |
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Es dienet der Herr der Bauermagd, |
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Sie zürnen und schelten sie sehr. |
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»Was zürnt ihr und scheltet die Bauermagd? |
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Die heut euch dünket zu klein, |
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Sie wird, bevor der Morgen noch tagt, |
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Wohl über euch Herzogin sein.« |
Details zum Gedicht „Herzog Huldreich und Beatrix“
Adelbert von Chamisso
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76
448
1781 - 1838
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Herzog Huldreich und Beatrix“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Adelbert von Chamisso. Chamisso wurde im Jahr 1781 geboren. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1838 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Chamisso ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literaturepoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde ausgedrückt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das vorliegende Gedicht umfasst 448 Wörter. Es baut sich aus 19 Strophen auf und besteht aus 76 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Adelbert von Chamisso sind „Die Sonne bringt es an den Tag“, „Der Soldat“ und „Die Mutter und das Kind“. Zum Autor des Gedichtes „Herzog Huldreich und Beatrix“ haben wir auf abi-pur.de weitere 146 Gedichte veröffentlicht.
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