Des Freundes Besuch von Carl Streckfuß
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Horch, horch, was reget sich an der Thür, |
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Was flüstert draußen so leise? |
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Mir ist’s, als rufe der Freund nach mir, |
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Mit zärtlicher bittender Weise. |
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Ach! still ist’s im Zimmer — |
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Wenn Lämpchenschimmer |
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Doch nur das Dunkel durchdränge! |
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Laß ab vom Gesuche, |
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Die späten Besuche |
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Verbot ja die Mutter so strenge. |
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Doch immer lauter und lauter schlägt |
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Er an die verschlossene Pforte, |
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Und immer weiter und weiter trägt |
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Der Schall die verrathenden Worte. |
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Ich zittre, ich glühe, |
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Ich bitte dich, fliehe, — |
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O fliehe von dannen behende! |
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Wie könnt’ ich es wagen, |
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Was sollt’ ich nur sagen, |
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Wenn hier noch die Mutter dich fände. |
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Doch noch ist’s so spät nicht und Mondenschein |
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Blickt her, die Nacht zu zerstreuen — |
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So komme denn, Lieber, so komm herein, |
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Und mache mich’s nicht bereuen. |
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Sey sittig und stille, |
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Es sey nur dein Wille, |
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Mit mir noch ein Weilchen zu plaudern. |
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Schon auf ist die Thüre — |
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So komm doch, verliere |
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Die Zeit nicht mit längerem Zaudern. |
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Wo bist du, Geliebter, wo bist du hin? |
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Hast du, was ich scherzend gesprochen, |
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Genommen etwa für ernsten Sinn, |
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Und hast dich entweichend gerochen? |
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Du sollst mir verweilen, |
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Ich will dich ereilen , |
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Zurücke den Fliehenden bringen, |
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Ich will dich versöhnen |
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Mit zärtlichen Tönen, |
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Mein Kuß soll dein Zürnen bezwingen. |
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Du Loser, du Lieber, da bist du ja! |
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Wie hast du mich Arme geschrecket. |
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Ach! sicher warst du mir immer nah, |
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Warst nur zum Belauschen verstecket. |
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Ich bitte dich, schweige, |
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Schon fühl’ ich, es steige |
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Vor Schaam mir das Blut in die Wangen; |
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So komm denn in’s Zimmer, |
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Bey Mondenschimmer |
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Wird minder die Seele mir bangen. |
Details zum Gedicht „Des Freundes Besuch“
Carl Streckfuß
5
50
269
1804
Klassik,
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Des Freundes Besuch“ ist von Carl Streckfuß, der von 1778 bis 1844 lebte. Dadurch lässt es sich zeitlich der Epoche der Romantik zuordnen.
Beim ersten Lesevergnügen lässt die stimmungsvolle Szenerie einen verträumten Eindruck entstehen. Man hat das Gefühl, selbst in dem dunklen Zimmer zu sitzen und gespannt die Geräusche an der Tür zu lauschen.
Inhaltlich geht es um eine nächtliche Begegnung, bei dem das lyrische Ich einen Besucher an seiner Tür vernimmt. Es scheint sich um eine verbotene, heimliche Liebe zu handeln, da erstens das Treffen zu später Stunde stattfindet und zweitens die strenge Mutter als Hindernis genannt wird. Während das lyrische Ich zu Beginn noch Angst und Sorge verspürt, verwandelt sich dies langsam in Sehnsucht und der Wunsch, den Liebsten einzuladen. Nach einem kurzen Moment der Unsicherheit entdeckt das lyrische Ich den Geliebten, welcher sich augenscheinlich nur versteckt gehalten hat.
Die Liebe und Zuneigung, die das lyrische Ich für das Gegenüber empfindet, ist in vielen Passagen deutlich spürbar. Sie zeigt sich in den zärtlichen Worten und dem Wunsch, Zeit mit dem Besucher zu verbringen.
Bezüglich der Form fallen die gleichbleibend langen Strophen mit zehn Versen auf, was eine gewisse Regelmäßigkeit und Ordnung in den Text bringt. Die Sprache ist poetisch und malerisch, typisch für die Epoche der Romantik. Zugleich spiegelt sie auch die innere Unruhe und Sehnsucht des lyrischen Ichs wider.
Die Nacht und der Mondenschein werden immer wieder thematisiert, was die geheime, nächtliche Atmosphäre des Treffens unterstreicht. Die wiederholte Verwendung der direkten Ansprache macht das Gedicht lebendig und persönlich.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass „Des Freundes Besuch“ ein romantisch-mystisches Gedicht über heimliche Begegnungen und Liebe in der Nacht ist. Es beschreibt die süße Qual der Sehnsucht, die Angst vor Entdeckung und den Wunsch nach Zweisamkeit auf sinnliche, bildhafte Weise.
Weitere Informationen
Carl Streckfuß ist der Autor des Gedichtes „Des Freundes Besuch“. Im Jahr 1778 wurde Streckfuß in Gera geboren. Im Jahr 1804 ist das Gedicht entstanden. In Wien ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 269 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 50 Versen. Der Dichter Carl Streckfuß ist auch der Autor für Gedichte wie „An Maria del Caro“, „An Nadine“ und „An die Kronprinzessin von Preußen“. Zum Autor des Gedichtes „Des Freundes Besuch“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 50 Gedichte vor.
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Zum Autor Carl Streckfuß sind auf abi-pur.de 50 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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