Die Witwe von Adelbert von Chamisso

Bestreut mit Eichenlaub die Bahre dort
O meine Kinder! so wird hergetragen,
Der unser Vater war und unser Hort;
Sein Herz hat ausgeschlagen.
 
Heb' auf das Tuch, du bist sein einz'ger Sohn;
Dem Sohne wird die Wunde dieses Helden,
Was Mannestugend sei, und was ihr Lohn,
Gar unvergeßlich melden.
 
Des Namens Erbe, den er sich erwarb,
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Sollst trachten du dereinst nach gleichem Adel,
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Und sterben, muß es sein, so wie er starb,
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Stets ohne Furcht und Tadel.
 
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Du, Auge meiner Freude, fielest zu,
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Dich, süßer Mund, erschließet nicht mein Sehnen
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Ja, weine meine Tochter, weine du,
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Ich habe keine Thränen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Die Witwe“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1781 - 1838
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Witwe“ wurde von Adelbert von Chamisso verfasst, der von 1781 bis 1838 lebte. Demnach kann das Gedicht in die Epoche der Romantik eingeordnet werden, in der Gefühlsausdrücke, Fantasie und individuelle Freiheit im Fokus standen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht ernst, traurig und melancholisch. Diese Atmosphäre ist vor allem auf den Todesthema zurückzuführen, der sich durch das gesamte Gedicht zieht und in Verbindung mit Familienthemen gestellt wird.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um eine Witwe, die gemeinsam mit ihren Kindern den Tod ihres Ehemannes und Vaters beweint. Dabei spricht das lyrische Ich, die Witwe selbst, die Kinder direkt an und gibt dem Sohn insbesondere Ratschläge und Anweisungen, wie er sich in der Zukunft verhalten soll. Sie will, dass er sich am Verhalten des verstorbenen Vaters orientiert, seine Tugenden in Erinnerung behält und ebenfalls zu einem Mann ohne Furcht und Tadel wird. Die Tochter wird ermutigt zu weinen, während die Mutter selbst keine Tränen mehr hat.

Die Aussage des Gedichtes könnte mehrdeutig interpretiert werden. Einerseits wird das Bild eines starken, tugendhaften Mannes dargestellt, den der Sohn nacheifern soll, was die traditionellen Geschlechterrollen der Zeit widerspiegeln könnte. Andererseits wird aber auch die Traurigkeit und Leere der Witwe verdeutlicht, die trotz des Schmerzes ihre Gefühle nicht mehr zeigen kann, was auf eine tiefere emotionale Verzweiflung hindeuten könnte.

Die Form des Gedichtes folgt einer klaren, übersichtlichen Struktur mit vier Strophen, die jeweils aus vier Versen bestehen. Die Sprache ist eher schlicht und dennoch poetisch, wobei vor allem die direkte Ansprache der Kinder die emotionale Intensität des Gedichtes steigert. Metaphern wie „Bestreut mit Eichenlaub die Bahre dort“ oder „Sein Herz hat ausgeschlagen“ verleihen dem Gedicht dagegen eine bildhafte Lebendigkeit und Tiefe. Dadurch wird das Thema des Todes in einer sensiblen und zugleich sinnlichen Art und Weise dargestellt.

Insgesamt bietet das Gedicht „Die Witwe“ einen tiefgründigen Einblick in das emotionale Innenleben einer Witwe, die ihre Trauer und ihre Hoffnung für ihre Kinder ausdrückt und dabei die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert.

Weitere Informationen

Adelbert von Chamisso ist der Autor des Gedichtes „Die Witwe“. 1781 wurde Chamisso geboren. Zwischen den Jahren 1797 und 1838 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei dem Schriftsteller Chamisso handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere Werke des Dichters Adelbert von Chamisso sind „Die Kreuzschau“, „Die Löwenbraut“ und „Zweites Lied von der alten Waschfrau“. Zum Autor des Gedichtes „Die Witwe“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 146 Gedichte vor.

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