Greisenglück von Friedrich Theodor Vischer

Wie man das Alter auch mag verklagen,
Wie viel Übles auch von ihm sagen,
Die Ehre muß man ihm dennoch geben,
Daß es uns gönnt, noch das zu erleben:
Wie es tut, sich fühlt und schmeckt,
Wenn sie, die uns so toll geschreckt,
Verbellt, gejagt, durch die Wälder gehetzt,
Wenn sie nun endlich zu guter Letzt
Abläßt von ihrer keuchenden Beute,
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Die Jägerin mit der grimmigen Meute,
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Die wilde Jägerin Leidenschaft.
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Es schmeckt wie ein kühlender Labesaft,
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Es schmeckt wie ein Schläfchen nach Tische gut,
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Wo man so sanft einnicken tut.
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Also, ihr Leidenschaften, ade!
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Euer Abschied tut mir nicht weh!
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Doch Eine will ich behalten, Eine:
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Den Zorn auf das Schlechte, das Gemeine.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Greisenglück“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
114
Entstehungsjahr
1807 - 1887
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht namens „Greisenglück“ wurde von Friedrich Theodor Vischer verfasst, einem deutschen Philosoph, Dichter und Kunsttheoretiker, der von 1807 bis 1887 lebte. Demnach ist das Werk zeitlich in das 19. Jahrhundert, genau genommen in die Epoche des Realismus einzuordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt dieses Gedicht wie eine Reflektion des lyrischen Ichs über das Alter und die damit einhergehenden Veränderungen und Affekte. Sie scheinen einen besonderen Fokus auf die Vergänglichkeit jugendlicher Leidenschaften und die daraus resultierende Ruhe und Gelassenheit zu legen.

Inhaltlich thematisiert das lyrische Ich die Veränderungen, die mit dem Altern einhergehen. Trotz aller Klagen und Kritik am Altern bringt das lyrische Ich seine Wertschätzung dafür zum Ausdruck, diese Veränderungen erleben zu dürfen. Es freut sich, dass die intensiven, oftmals quälenden Leidenschaften, die es jahrelang „verbellt, gejagt und durch die Wälder gehetzt“ haben, nun ablassen und Ruhe einkehren lassen. Die Freude darüber wird mit tröstlichen und angenehmen Bildern wie „kühlender Labesaft“ und „Schläfchen nach Tisch“ untermalt. Schlussendlich verabschiedet sich das lyrische Ich von seinen Leidenschaften, mit Ausnahme einer: dem Zorn auf das Schlechte und Gemeine.

Auf formal-sprachlicher Ebene ist das Gedicht in einer relativ einfachen und klaren Sprache verfasst, was die reflektierenden und meditativen Aspekte des Textes unterstreicht. Das Gedicht besteht aus achtzehn Versen und muss sich daher keiner klassischen Strophenform unterordnen. Auffällig ist die Verwendung von Metaphern, etwa die Leidenschaften als wilde Jägerin darzustellen, die das lyrische Ich verfolgt und jagt. Dies trägt zur bildhaften Veranschaulichung der emotionalen Erfahrungen des lyrischen Ichs bei. Zum anderen verwendet der Autor Wiederholungen („Es schmeckt wie...“), was eine beruhigende, fast mantra-artige Wirkung hat. Insgesamt verleiht die Kombination von Metaphern, Vergleichen und Wiederholungen dem Gedicht eine reflektierende, gelassene und letztlich erleichternde Atmosphäre.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Greisenglück“ des Autors Friedrich Theodor Vischer. 1807 wurde Vischer in Ludwigsburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1823 und 1887 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus oder Naturalismus zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 18 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 114 Worte. Der Dichter Friedrich Theodor Vischer ist auch der Autor für Gedichte wie „Gesellschaft“, „Ein Augenblick“ und „Breite und Tiefe“. Zum Autor des Gedichtes „Greisenglück“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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