Kästner, Erich - Fabian. Die Geschichte eines Moralisten (Interpretation des Romanendes)

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Erich Kästner, Ende des Romans, Interpretation und Analyse, Referat, Hausaufgabe, Kästner, Erich - Fabian. Die Geschichte eines Moralisten (Interpretation des Romanendes)
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Referat

Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten (Interpretation des Romanendes)

Der vorliegende Auszug aus dem Roman Fabian – die Geschichte eines Moralisten, den Erich Kästner im Jahr 1931 veröffentlicht hat, stellt das Romanende dar und handelt von der inneren Zerrissenheit des Protagonisten Fabian, der es nicht schafft, den inneren Konflikt zwischen seinen individuellen Wünschen und den äußeren gesellschaftlichen Bedingungen und Erwartungen zu lösen. Eine mögliche Deutung des Romanendes kann dabei sein, dass sich der Protagonist durch seine inneren Konflikte, durch die Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft, in einer Situation der Orientierungslosigkeit befindet, die ihm eine Integration in die Gesellschaft unmöglich macht.

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Im Verlauf der Handlung vor diesem Textauszug des Romanendes verlässt Fabian Berlin, nachdem er dort auf mehreren Ebenen gescheitert ist. Nicht nur der Verlust seiner Arbeitsstelle, sondern auch der seiner Freundin Cornelia Battenberg, die sich anstelle einer Beziehung zu ihm für ihr privates Glück und eine Karriere beim Film entscheidet. Das Scheitern in der Liebe, aber auch die gescheiterte Freundschaft zu seinem Freund Stephan Labude, der Suizid begangen hat, bewegen Fabian dazu, Zuflucht in seiner Heimatstadt Dresden zu suchen. Aber auch dort wird Fabian durch Gewalt, Lügen und die Herrschaft des Geldes enttäuscht. Unmittelbar bevor der vorliegende Textauszug einsetzt, wird Fabian eine Stelle bei der rechtsgerichteten Tageszeitung „Tagespost“ angeboten, für die er sich zuvor beworben hatte.

Inhaltlich lässt sich der Textauszug in drei Abschnitte gliedern. Einleitend von Zeile 1 bis 14 hinterfragt der Protagonist Fabian kritisch seine Suche nach Arbeit und vor allem seine Bewerbung bei der rechtsgerichteten Zeitung „Tagespost“ in seiner Heimatstadt Dresden.

Im darauffolgenden Textabschnitt von Zeile 15 bis 54 reflektiert Fabian seine derzeitige Lebenssituation und fasst den Entschluss, den Eltern seine Aussicht auf eine Arbeit zu verschweigen und das Angebot nicht anzunehmen. Er entscheidet sich dafür, sich in die Einsamkeit der Natur zurückzuziehen, zweifelt aber gleich darauf an seiner Entscheidung.

Im letzten Abschnitt von Zeile 55 bis 70, und damit auch dem Ende des Romans, bricht die Handlung mit dem Tod Fabians abrupt ab. Durch den unnötigen Versuch, einen scheinbar ertrinkenden Jungen zu retten, ertrinkt Fabian selbst.

Einleitend durch die in Zeile 2 beginnende erlebte Rede (vgl. 2-14) erhält der Leser Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten Fabian und kann diese besser nachvollziehen. Es wird eine Nähe zu ihm hergestellt, die aber durch den Gebrauch der dritten Person Singular trotzdem noch die nötige Distanz zum Leser wahrt, die ein kritisches Hinterfragen von Fabians Verhalten ermöglicht.

Die Darstellung von Fabians beruflichem Konflikt, nach dem Verlust seiner Arbeit ein Angebot bei der Tagespost anzunehmen, das er aus moralischer Sicht allerdings nicht vertreten kann, wird vor allem sprachlich sehr deutlich. Insbesondere seine Selbstzweifel nach dem Gespräch mit dem Direktor der „Tagespost“ werden in den anaphorisch aufgebauten Parallelismen „Wollte er..?“ (Z. 4-9), die gleichzeitig auch rhetorische Fragen sind, widergespiegelt. Auch negativ konnotierte Ausdrücke wie „Es war hirnverbrannt, was er plante“ (Z. 2) und „falls man die Gnade hatte, ihn zu nehmen“ (Z. 3) verstärken den Eindruck seiner Selbstzweifel und zeigen deutlich, dass er sich seines Platzes in der Gesellschaft unsicher ist.

Betrachtet man nun in dem Zusammenhang auch seinen gesellschaftlichen Konflikt, so lässt sich feststellen, dass Fabian einerseits die Erwartungen seiner Eltern reflektiert und deren Wunsch nach einem gesellschaftlichen Engagement seinerseits wahrnimmt. Allerdings kann oder möchte Fabian diesen Erwartungen nicht entsprechen, denn er steht ihnen kritisch gegenüber und seine individuellen Wünsche und Ideale kollidieren damit.

Deutlich wird dies beispielsweise durch seine Kritik am rational-funktionalen Denken der Eltern. Durch die leicht ironische Wiederholung, er solle ein „nützliches Glied der Gesellschaft“ (Z. 10 ff.) werden, zeigt er deutlich diese Kritik. Auch durch die Aussage „so marode war er noch nicht“ (Z. 13) in Bezug darauf, den Wünschen seiner Eltern zu entsprechen, zeigt mit dieser negativen Wortwahl, dass er deren Denkweisen nicht unterstützt.

Im weiteren Verlauf wird auch der zweite Teil des Textauszugs in der erlebten Rede wiedergegeben (vgl. Z. 15-31 und 34-48), wodurch auch hier ebenfalls wieder die Gedanken und Gefühle Fabians dem Leser möglichst nachvollziehbar nähergebracht werden. Die Entwicklung von Fabians Persönlichkeit lässt sich dabei zudem auf sprachlicher Ebene nachverfolgen. Beispielsweise durch die anaphorische Satzanfänge „Er...“ (Z. 15-25) wird hervorgehoben, dass es sich nun um seine eigenen Gedanken, um von ihm gefasste Entscheidungen handelt, was vorwiegend das Erstarken seiner Persönlichkeit unterstreicht. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass „er beschloß [so!], den Eltern zu verschweigen“ (Z. 15), bei der „Tagespost“ arbeiten zu können. Dies zeigt deutlich, wie er seinen eigenen Vorstellungen eine höhere Priorität gegenüber denen anderer zuweisen kann. Die Redewendung „Zum Donnerwetter, er kroch nicht zu Kreuze!“ (Z. 17) verdeutlicht an dieser Stelle auch noch einmal sehr genau, wie ernst es ihm mit seinem Entscheidungswillen ist.

Allerdings kann die Imagination einer idyllischen, klischeehaften Umgebung des Erzgebirges durch die Häufung von Substantiven zur Beschreibung der Natur, zum Beispiel „Gehöft“ (Z. 22), „Gebirgskamm“ (Z. 23 f.), „Gipfel“ (Z. 24), „Spielzeugstädte“ (Z. 24), „Bergwiesen“ (Z. 25.) und „Waldpfade[…]“ (Z. 29), als Verweis auf Fabians naiven Wunsch, der als defizitär empfundene Welt zu entkommen, gesehen werden. Dadurch wird bereits darauf hingewiesen, dass Fabian sich doch nicht richtig in der Gesellschaft einfügen kann, sondern den Konflikten in der Welt und in seinem Kopf lieber entflieht.

Gerade durch die anaphorische Satzanfänge „Vielleicht… Z. 27-30“ werden erste Zweifel an seiner getroffenen eigenen Entscheidung deutlich. Dieser Eindruck von Selbstzweifeln wird zudem durch die Häufung von Fragen, wie „Aber war das nicht Flucht, was er vorhatte?“ (Z. 43f), stark unterstützt. Zwar kann die Redewendung „marschmarsch“ (Z. 32) als eine eigene innerliche Ermutigung gesehen werden, bei seinem Entschluss zu bleiben, doch gerade durch diesen erkennbaren Wechsel zwischen Selbstzweifeln und Entscheidungswillen sticht Fabians innerliche Zerrissenheit noch einmal verstärkt heraus, sein Konflikt zwischen dem Erfüllen von Erwartungen und seinen eigenen Wünschen wird überdeutlich. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass er zwischen diesen Selbstzweifeln und Fragen innerlich sehr erregt ist, fast schon enthusiastisch bezüglich seines Entschlusses und des Plans, ins Erzgebirge zu reisen. Ausdruck dieser inneren Erregung ist dabei insbesondere die verwendete metaphorische Sprache, er wolle „an den Busen der Natur“ (Z. 32), „in die Stille zu Besuch und der Zeit vom Gebirge her zuhören“ (Z. 40 ff.).

Im Folgenden lässt die in Zeile 49 einsetzende zeitraffende Erzählung einerseits eine objektivierende Außensicht auf das Geschehen entstehen und ermöglicht es dem Leser dabei, eine kritische Distanz zum Geschehen einzunehmen. Zudem wird durch diese Zeitraffung eine Zuspitzung der Situation eingeleitet und Fabians Orientierungslosigkeit in seinem inneren Konflikt und der Gesellschaft verdeutlicht, denn vor allem durch die bei der Zeitraffung vielen gleichzeitigen Eindrücke wird der Eindruck eines unüberlegten Handelns von Fabian verstärkt. Ein erster indirekter Hinweis auf den weiteren Verlauf der Handlung und Fabians Tod wird durch den antithetisch aufgebauten Parallelismus „Die Barockgebäude der Schloßstraße [so!] standen noch immer. Die Erbauer und die ersten Mieter waren lange tot“ (Z. 52-54) gegeben, der eine Reflexion der Bedeutung eines Menschenlebens und der den Menschen überdauernden Werte darstellt.

Im letzten Teil des Textes erfolgt ein Wechsel in ein zeitdeckendes Erzählen (vgl. Z. 58 - 68), was den Höhepunkt hinauszögert und noch einmal Spannung aufbaut. Die dabei konsequent eingehaltene Außensicht vergrößern die Distanz zu Fabian maßgeblich, denn seine Gefühle und Gedanken werden nicht länger dargestellt und sind somit für den Leser nicht mehr so gut nachzuvollziehen. Auch der Wechsel aus der erlebten Rede zu einem Erzählerkommentar (vgl. Z. 69 f.) vergrößert diese Distanz. Die nüchterne Beschreibung des Geschehens und die ironisierende Bewertung „Er konnte leider nicht schwimmen“ (Z. 70) bilden dabei eine Kritik an Fabians Aktionismus, die auch die Rezipienten zum kritischen Überlegen anregt.

Der Tod des Protagonisten zeigt, dass er nicht nur in Berlin in der Liebe und Freundschaft gescheitert ist, auch nicht nur beruflich, sondern insgesamt in dem großen Konflikt seines Lebens, dem Konflikt zwischen dem eigenen Wollen und dem Entsprechen von Erwartungen. Er ertrinkt, nicht nur in dem Fluss, sondern vor allem in seiner Orientierungslosigkeit, denn er kann sich, trotz seines Versuches, nicht an die Situation und damit auch nicht an die Gesellschaft anpassen.

Genau diese Gesellschaft und Fabians Lage der Orientierungslosigkeit spiegeln dabei optimal die Zeit der Entstehung dieses Textauszugs, die Neue Sachlichkeit, wider. Die junge Weimarer Republik ist zu der Zeit durch eine immer stärkere werdende Radikalisierung geprägt, durch die ein Krieg in Europa immer absehbarer scheint. Diese Perspektivlosigkeit und auch die Frage, welches der unterschiedlichen Lager zu unterstützen ist, sind auch Inhalt von Fabians Konflikten, denn er möchte nicht eine rechtsgerichtete Zeitung unterstützen und so wartet er lieber ab (vgl. Z. 3 ff.). Im zeitgeschichtlichen Kontext zu betrachten, ist dabei zudem Fabians Verlust seiner Arbeit, der die allgemeine Massenarbeitslosigkeit in Deutschland mit aufgreift und in Fabians Schicksal mit einbezieht. Als Fazit der Auseinandersetzung mit dem Textauszug ist festzuhalten, dass in der inneren Zerrissenheit Fabians auf beruflicher, privater und gesellschaftlicher Ebene immer das Erfüllen seiner individuellen Wünsche in Widerspruch mit den zu erfüllenden Erwartungen der anderen steht. Sein Scheitern, sich anzupassen, resultiert aus seiner Orientierungslosigkeit, aus seiner Unfähigkeit, seine inneren Konflikte zu lösen. Somit ist eine Anpassung Fabians an die Gesellschaft unmöglich.

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