Analyse einer Karikatur - Der Dritte Stand (Karikaturanalyse)

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Quellenanalyse, Französische Revolution, Referat, Hausaufgabe, Analyse einer Karikatur - Der Dritte Stand (Karikaturanalyse)
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Referat

Quellenanalyse der Karikatur „Der Dritte Stand“

Der Zeichner der Karikatur „Der Dritte Stand“ ist unbekannt. Der Karikatur entstand 1789. Die Karikatur zeigt einen zwei Männer auf seinem Rücken tragenden älteren Mann. Dieser stützt sich mit einer Hacke ab. Der Mann trägt schlichte und kaputte Kleidung und hat einen traurigen Gesichtsausdruck. Die Männer, die auf ihm sitzen, tragen bunte Kleidung ohne Risse oder Löcher und haben einen fröhlichen Gesichtsausdruck. Der Vordere trägt ein Kreuz um den Hals, ist am korpulentesten dargestellt und sitzt von allen am höchsten. Der dahinter sitzende trägt eine Sonne um den Hals, ein Schwert an der Hüfte und hält sich an seinem Vordermann fest. Auf dem Boden befinden sich, neben 2 Hasen und einem Kohlkopf, zwei Vögel. Die Bildunterschrift lautet „A faut esperer q’eu.s jeu la finira bentot“ (Es darf gehofft werden, dass das Spiel bald vorbei ist). Die Darstellung des älteren Mannes deutet auf einen Bauern hin. Die Kleidung und das Kreuz des vorderen Mannes sowie die Tatsache, dass er am höchsten Sitzt und am korpulentesten dargestellt ist, deuten auf einen Vertreter des Klerus hin. Der hintere Mann ist dem Adel zugehörig. Dies lässt sich neben der Kleidung auch an dem Schwert erkennen. Er trägt eine Sonne um den Hals, das Symbol des sogenannten „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. Die Gesichtsausdrücke, die Farben der Kleidung der Personen sowie die Tatsache, dass der Bauer die Männer von Klerus und Adel auf seinem Rücken trägt, sprechen dafür, dass es den besagten Männern besser geht als dem Bauern und der er unter der Last der beiden leidet. Die auf dem Boden dargestellten Tiere fressen die Saat und die Nahrung weg und erschweren das Leben des Bauern zusätzlich. Auf der Hacke des Bauern stehen Worte, dessen Bedeutung getränkt mit Tränen ist. Dies bestätigt die gemachte Aussage über das Leid des Bauern. Aus der Tasche des Bauern hängen Zettel dessen Worte, Salz- und Tabaksteuer, Frondienst, Zehnt und Militärdienst bedeuten. Diese Pflichten und Abgaben muss der Bauer leisten. Aus dem Mantel des Klerikers schauen Blätter dessen Worte, Bischof, Abt, Herzog, Graf, Unterhalt und Großspurigkeit bedeuten, hervor. Dies weist auf den dekadenten und fremdfinanzierten Lebensstil der Kleriker hin. Die drei Männer stellvertretend für die 3 Stände.

Um die Quelle korrekt verorten zu können, muss zunächst der historische Hintergrund erläutert werden. 1789 herrscht in Frankreich eine feste Ständeordnung bestehend aus drei Ständen. Den ersten Stand bildet der Klerus, den zweiten der Adel und den dritten Bürger und Bauern. Die prozentualen Anteile an der Gesamtbevölkerung betragen 1,5 %, 16 % und 82 %. Der König bzw. das Königshaus, welches über allen Ständen seinen Platz findet, macht 0,5 % der Bevölkerung aus. Die einzelnen Stände sind durch Privilegien, Benachteiligungen oder durch rechtliche Bestimmungen definiert. Der Klerus verfügt, wie es die Blätter, die aus der Manteltasche des Klerikers hingen, schon zeigten, über Privilegien, erhält Abgaben und lebt vollkommen steuerfrei. Aufgabe des Klerus ist alles, was mit dem religiösen Kultus zu tun hat, der Unterricht und die Tröstung der Unglücklichen durch Almosen. Der Adel übt neben dem Feudalrecht auch die eigene Gerichtsbarkeit aus. Die Adligen verfügen ebenfalls über Privilegien und leben steuerfrei, ihnen bleibt aber offen freiwillig Zahlungen zu leisten.

Aufgaben des Adels die Verteidigung des Staates, was der Karikaturist mit dem Schwert symbolisierte, sowie das Helfen des Herrschers durch seine Ratschläge. Die Bürger und Bauern hingegen sind, wie es die Karikatur schon andeutete, der Zahlung von Steuern verpflichtet, und müssen Frondienste und Abgaben leisten. Der dritte Stand kann nur nicht so hervorragende Dienste leisten und muss durch Arbeitsamkeit und körperliche Dienste seine Aufgaben erfüllen. Diese Ständeordnung führt zu einer Unterteilung der Bevölkerung in eine herrschende und eine beherrschte Klasse. Die Privilegien von Klerus und Adel sichern eine Versorgung mit allem Lebensnotwendigen. Was die fröhlichen Gesichtsausdrücke der beiden Männer auf dem Bauern bereits vermuten ließ. Der dritte Stand garantiert ihre Versorgung, selbst wenn ihm selber das Lebensnotwendige fehlt. Dies wird in der Karikatur durch den, die beiden ersten Stände tragenden, Bauern aufgezeigt. Der Bauer stellt das Fundament der Ständeordnung dar. 1789 gilt es als gottgegeben und unveränderlich, in seinen Stand hineingeboren zu werden und nichts daran ändern zu können. Zahlenmäßig war der dritte Stand den ersten beiden Ständen überlegen, es gab sehr viel mehr Bürger und Bauern als Adelige und Angehörige des Klerus. Der dritte Stand musste einen Großteil der Steuerlast tragen, hatte aber keinerlei Mitbestimmungsrecht, wenn es um politische Entscheidungen ging. Bei der Betrachtung dieser Ständegesellschaft tun sich offensichtliche Problemhypothesen auf. Es besteht die Gefahr, dass die Kluft zwischen den ersten beiden Ständen und dem dritten, durch die ungleichen Zahlungsverhältnisse immer größer wird. Der dritte Stand muss möglicherweise so viele Abgaben leisten, dass dessen eigene Existenz gefährdet ist. Durch die ungerechte Verteilung von Nahrung könnte es zu Hungersnöten kommen. Der dritte Stand könnte seine eigene Mehrheit erkennen und sich gegen den Feudalismus auflehnen. Es könnten Zweifel und kritische Fragen des dritten Standes aufkommen. Eine Abkehr vom Glauben und der Gedanke vom eignen Verstand und Wissen wäre die Folge. Mit Blick auf diese Hypothesen stellt sich die Frage, wann diese Ständeordnung ihren letzten Tag hatte. Vor 1789 zeigt sich die Krise des Ancien Régime in der, schon seit dem Siebenjährigen Krieg bestehenden, enormen Schuldenlast des französischen Staates. Die ohnehin instabile Regierung erfährt ihren Legitimitätsverlust in der Bevölkerung durch außenpolitische Misserfolge. Zudem wurde die Schuldenkrise durch kostspielige Engagements im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg weiter verschärft. Reformvorschläge mehrerer vom König bestellter und wieder entlassener Finanzminister zur Sanierung der Staatsfinanzen scheitern am Widerstand des Adels und des Klerus. Die beiden ersten Stände zeigen sich nicht bereit, durch die Aufgabe von Privilegien, wie ihrer Steuerfreiheit, zur Sanierung der Staatsfinanzen beizutragen. Die Aufklärung, die als Katalysator und Symptom einer zunehmenden Autoritätskrise gilt, sorgt für Schlagwörter, wie „Freiheit“, „Gleichheit“ und „Brüderlichkeit“. Sie weckt Forderungen nach individueller Freiheit und rechtliche wie politische Gleichheit aller Menschen sowie die Idee der Volkssouveränität. Die Aufklärung bedeutet die Auflösung des christlich-religiösen Weltbilds und einen Wandel in der Mentalität der Bevölkerung. Die Folgen der Aufklärung rütteln an der religiösen Begründung der sozialen und politischen Ordnung des Ancien Régime. Die Bevölkerung bekommt den Mut sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

Diese politische Krise verschlimmert sich in den Jahren 1788 und 1789 durch eine die bestehenden Gegensätze der französischen Gesellschaft weiter zuspitzenden Wirtschaftskrise. Durch witterungsbedingte Missernten steigen die Brotpreise auf Höchststände. Diese Teuerungskrise beschleunigt die Verarmung und schürt in der Bevölkerung die Angst vor dem Hunger. Aus dieser Not heraus entstehen die sogenannten Brotkrawalle, welche sich gegen die königliche Regierung richten. Ausdruck eines uralten Denkens, das von der Vorstellung der Fürsorgepflicht des guten Königs ausging. Die Krawalle werden gewaltsam niedergeschlagen, was zur Entstehung einer revolutionären Grundstimmung beiträgt. Der dritte Stand will nun etwas sein, er will Gleichberechtigung und den gleichen Einfluss wie die Privilegierten, während der erste und der zweite Stand jede Veränderung als eine Gefahr für ihre Vorrechte und dekadente Lebensweise sehen. In Reaktion auf die politische Situation ruft der König erstmals seit 1614 die Generalstände ein. Am 5. Mai werden die Generalstände feierlich eröffnet. Die Eröffnung wird von Auseinandersetzungen über die Frage der Abstimmung nach Ständen oder nach Köpfen begleitet. Dies stößt auf Widerstand bei König, Klerus und großen Teilen des Adels. Am 17. Juni erklärt der Dritte Stand gegen den Willen des Königs die Nationalversammlung. Die, nicht mehr nur aus Abgeordneten des Dritten Standes bestehende, Nationalversammlung beschließt am 20. Juni im Ballhaus von Versailles, unter Aufrechterhaltung der wahren Grundsätze der Monarchie, die Verfassung des Königreiches festzulegen, die ältere Ordnung wiederherzustellen und dass überall, wo sie sich versammeln, die Nationalversammlung ist. Drei Tage später verspricht der König in einer königlichen Sitzung Reformen ohne Änderungen der sozialen Strukturen. Der Dritte Stand bringt seine Abneigung gegenüber der aktuellen Politik, durch Nichtabnehmen der Kopfbedeckungen zum Ausdruck. Hierdurch zeichnet sich der die Latenzphase prägende Autoritätsverlust der Regierung ab. In der Sitzung werden die Beschlüsse des dritten Standes für ungültig und die Nationalversammlung für aufgelöst erklärt. Des Weiteren droht der König mit Gewalt. Am selben Tag richtet sich der Zeremonienmeister im Auftrag des Königs an die Personen der Nationalversammlung. Er gibt den Befehl sich zu trennen. Die Angesprochenen erwidern, dass nur Gewalt sie vertreiben könne. Durch den ersten verbalen Gewaltaustausch lassen sich nun Ansätze einer Radikalisierung erkennen. Folgend beschließt die Nationalversammlung den Schutz ihrer Mitglieder vor behördlicher Verfolgung – die Immunität. Immer mehr, auch aufgeklärte und reformbereite Vertreter von Klerus und Adel, schließen sich der Nationalversammlung an. Am 27. Juni fordert der König alle auf sich der Nationalversammlung anzuschließen. Der König lässt eine konstitutionelle Monarchie zu. Am 9. Juli erklärt sich die Nationalversammlung schließlich zu verfassungsgebenden Versammlung.

Der Zeichner positioniert sich hinter dem dritten Stand, indem er die miserable soziale Situation der damaligen Gesellschaft in seiner Karikatur ausdrückt. Die Intention des Unbekannten Künstlers liegt in der Ungerechtigkeit, Ungleichbehandlung und Ausnutzung der Bauern & Bürger durch den Klerus und den Adel begründet. Der Zeichner will auf ebendiese Umstände aufmerksam machen und den Anstoß zum Hinterfragen dieses Systems geben. Die Französische Revolution leitete in Europa einen Epochenumbruch ein. Die durch die Revolution ausgelösten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Neuerungen breiteten sich blitzartig auf andere europäische Länder aus. Demzufolge fanden die Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit vielerorts großen Beifall und stellten Absolutismus und Ständegesellschaft zunehmend infrage. Die Französische Revolution ebnete den Weg in eine bürgerliche Gesellschaft. Die Kirche wurde vom Staat getrennt und ihr Einfluss auf die Politik entzogen. Mit dem Autoritätsverlust der Kirche ging zeitgleich das Ende der Ständegesellschaft und die „von Gott berufene“ Herrschaft eines Königs einher. Diese Trennung stellte die absolutistische Herrschaft eines Königs infrage. Er konnte sich nicht mehr auf Gott berufen und ohne Gesetze regieren. Die Einführung der Verfassung von 1791 machte aus Frankreich eine konstitutionelle Monarchie. Die 1789 verabschiedete Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte schrieb für das Volk erstmals unveräußerliche Grundrechte fest. Die Bürger konnten durch die 1791 eingeführte Verfassung an der Politik mitwirken. Die Abschaffung des Feudalsystems befreite die Bauern von ihrer langjährigen Leibeigenschaft. Unterdessen wurde in Frankreich die Gewerbefreiheit eingeführt. Jeder Mensch konnte nun selbst über seinen beruflichen Werdegang entscheiden. Dies erleichterte den Handel, führte zur Gründung von Fabriken und bescherte dem Besitzbürgertum großen Reichtum. Die Idee des Wirtschaftsliberalismus war demzufolge eine Voraussetzung für die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Das Ende der Ständegesellschaft erforderte ein neues Ordnungsmodell. Es entstand die Vorstellung einer gemeinsamen historischen, kulturellen und sprachlichen Einheit – die Idee der Nation.

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