Frisch, Max: Andorra

Schlagwörter:
Antisemitismus, Andri, Barblin, Judentum, Vorurteile, Referat, Hausaufgabe, Frisch, Max: Andorra
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Referat

„Andorra“ – Max Frisch

In einem imaginären Kleinstaat Andorra, leben die Einwohner in Vorurteilen voneinander getrennt als „Schwarze“ und als „Weiße“. Der junge Andri wächst nun im weißen Andorra auf. Aufgrund des Gerüchts, sein Pflegevater, der Lehrer, habe ihn als Judenkind vor dem Zugriff der „Schwarzen“ gerettet und aufgezogen, wird ihm das Schandmahl des Andersartigen aufgeprägt. Die „Weißen“ haben nun einerseits die Angriffe auf die Juden seitens der „Schwarzen“ geächtet und als Andri klein war ihn liebevoll behandelt, andererseits demaskieren sie ihre heuchlerische Mildtätigkeit nun, da sie Andri in ein für Juden bestimmtes Klischeeverhalten hineindrängen wollen. Sie wollen gar nicht in ihm einen Menschen erkennen, sondern sehen in ihm nur einen Juden, der er nun gar nicht ist. Der Tischlermeister meint er sei als Tischler untragbar, da ja jeder wisse, dass Juden nur für das Geschäftliche, nicht aber für ein Handwerk taugen. Der Tischler verlangt nun einen hohen Betrag für die Ausbildung Andris zum Tischler, da er meint er tauge nichts als Handwerker. Andri erweist sich zwar als sehr geschickt, doch der Tischler testet den fertigen Stuhl des Gesellen, dieser zerbricht, Geselle und Tischler behaupten nun der Stuhl sei von Andri. Der Tischler hat nun seinen Vorwand, unter dem er ihm in den Verkauf schickt. Dort verdient nun Andri wenigstens mehr Geld, fühlt sich aber nicht selbst verwirklicht. Der Soldat misshandelt ihn – der Arzt beleidigt ihn aus bornierter Eitelkeit. Der Pater hält ihn vor „er solle sich selber helfen“, vermag ihm aber nicht zu helfen, da auch er sich an ein falsches Bild hält. Von einer Mauer des Vorurteils umgeben, klammert sich Andri an seine Liebe zu Bablin, der ehelichen Tochter seines Pflegevaters. Er will mit ihr, um seinen Quälgeistern zu entkommen, sobald er Geld genug hat, fliehen. Als ihm die Hand des Mädchens verweigert wird - da sie ja in Wirklichkeit seine Halbschwester ist - ,bildet Andri eben jene Eigenschaften aus, die seine Umgebung ihm unablässig einzuhämmern versucht. Der Wahn seiner Umwelt wird zum Wunschbild seiner Existenz: „Ich will anders sein.“ Das Verhängnis nimmt nun seinen Lauf.

Andris Mutter, eine „Schwarze“, kommt nun in das Dorf Andris. Da Gerüchte umgehen, es solle Krieg geben zwischen den „Schwarzen“ und den „Weißen“, spielt sich der Soldat auf – die hübsche Frau soll eine Spionin sein. Der Wirt will nichts mit dem Soldaten zu tun haben. In diesem Augenblick tritt Andri auf, will sich an dem Soldaten wegen seiner Beleidigungen rächen. Doch dieser kann ihn mithilfe mehrerer Freunde zusammenschlagen. Die Mutter nimmt sich seiner an, ohne zu wissen, wer er ist. Erst als sie ihn zu seinem Vater führt, erkennt sie seinen Vater, und verlangt von ihm Rechenschaft, warum er dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Nun kommt die Feigheit des Vaters zum Vorschein, die Mutter versucht nun Andri verzweifelt zu erklären, dass Bablin seine Halbschwester ist. Sie schenkt ihm ihren Ring, damit er eine Existenz hätte. Auf dem Rückweg wird sie mit einem Stein erschlagen. Wer der Mörder ist, bleibt unklar. Aufgrund der Ängste des Wirtes ist es aber wahrscheinlich, dass er es war. Unklar bleibt auch, ob die Mutter deswegen getötet wurde, weil sie nun eine Schwarze ist, oder weil die Dorfbewohner eine Gelegenheit suchten Andri endgültig fertigzumachen. Die „Schwarzen“ sind weiters schon einmarschiert. Die Soldaten, die vorher so groß und national getan haben, laufen als erste über. Die „Schwarzen“ versuchen natürlich den Mord an der Frau zu klären. Dass ein Jude in dem Dorf ist, ist natürlich sehr angenehm. Der Vater versucht nun verzweifelt den Menschen klarzumachen, dass Andri sein leibhaftiger Sohn ist. Doch es ist bereits zu spät – selbst wenn sie ihm glauben – sie benötigen einen Schuldigen, und sie wollen lieber den unbeliebten Andri, als den tatsächlichen Mörder preisgeben. Die „Schwarzen“ veranstalten nun eine „Judenschau“: Ein eigener „Judenschauer“ soll den Schuldigen erkennen. Andri, der nun die Rolle, in der er hineingedrängt wurde, angenommen hat, wird „erkannt“ und erschossen. Sein Vater, sich seiner Schuld bewusst, erhängt sich. Seine Schwester, übrigens die Einzige die wenn auch schwach, Widerstand leistete, kann den psychischen Druck nicht verarbeiten und wird geisteskrank. Mit irrer Gebärde geißelt sie die Stadt, als Mahnmal erinnert sie so an die Grausamkeit, Feigheit und Verlogenheit der Dorfbewohner.

Max Frisch 1911-1991

Das Werk zeigt den Prozess einer Bewusstseinsveränderung. Der junge Andri wird von der Umgebung so lange zum Andersdenken gezwungen, bis er sein Schicksal annimmt. Frisch hat ein Drama eines unheilbaren Vorurteils geschrieben. Er beschreibt dabei nicht warum die Andorraner antisemitisch reagieren, sondern wie. Er zeigt nicht was sich in den Menschen abspielt, sondern auf welche Weise sie es tun. Weiters durchbricht er das Illusionstheater, indem er die Schuldigen zwischen den einzelnen Bildern in den Zeugenstand ruft, diese streiten aber alle, bis auf den Pater, ihre Schuld ab.

Frisch zeigt auf, dass Antisemitismus lediglich eine Form von sozialem, gesellschaftlichem Vorurteil ist, das auch auf andere Menschen, die keine Juden sind übertragbar ist. Judenproblem und Identitätsproblem werden auf eine verwirrende Weise miteinander vermengt. Der Autor ist wie sein Tagebuch berichtet, auf die Idee zu Andorra durch das Bibelwort „Du sollst dir kein Bildnis machen“ gekommen. Das Werk mit seinem politischen Rahmen, sowie dem aktuellen Zeitbezug, verdrängt die Frage nach der Suche des Menschen nach seiner Identität, sowie die Frage der Abhängigkeit des Einzelnen von seiner Umgebung.

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