Bürger, Gottfried August - An die Menschengesichter (Gedichtinterpretation in Stichpunkten)

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Gottfried August Bürger, Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Bürger, Gottfried August - An die Menschengesichter (Gedichtinterpretation in Stichpunkten)
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Referat

Gottfried August Bürger: An die Menschengesichter (Gedichtinterpretation in Stichpunkten)

An die Menschengesichter
von Gottfried August Bürger

Ich habe was Liebes, das hab ich zu lieb;
Was kann ich, was kann ich dafür?
Drum sind mir die Menschengesichter nicht hold:
Doch spinn ich ja leider nicht Seide, noch Gold,
Ich spinne nur Herzeleid mir.
 
Auch mich hat was Liebes im Herzen zu lieb;
Was kann es, was kann es fürs Herz?
Auch ihm sind die Menschengesichter nicht hold:
Doch spinnt es ja leider nicht Seide noch Gold,
10 
Es spinnt sich nur Elend und Schmerz.
 
11 
Wir seufzen und sehnen, wir schmachten uns nach,
12 
Wir sehnen und seufzen uns krank.
13 
Die Menschengesichter verargen uns das;
14 
Sie reden, sie tun uns bald dies und bald das,
15 
Und schmieden uns Fessel und Zwang.
 
16 
Wenn ihr für die Leiden der Liebe was könnt,
17 
Gesichter, so gönnen wir's euch.
18 
Wenn wir es nicht können, so irr es euch nicht!
19 
Wir können, ach leider! wir können es nicht,
20 
Nicht für das mogolische Reich!
 
21 
Wir irren und quälen euch andre ja nicht;
22 
Wir quälen ja uns nur allein.
23 
Drum, Menschengesichter, wir bitten euch sehr,
24 
Drum laßt uns gewähren, und quält uns nicht mehr,
25 
O laßt uns gewähren allein!
 
26 
Was dränget ihr euch um die Kranken herum,
27 
Und scheltet und schnarchet sie an?
28 
Von Schelten und Schnarchen genesen sie nicht.
29 
Man liebet ja Tugend, man übet ja Pflicht;
30 
Doch keiner tut mehr, als er kann.
 
31 
Die Sonne, sie leuchtet; sie schattet, die Nacht;
32 
Hinab will der Bach, nicht hinan;
33 
Der Sommerwind trocknet; der Regen macht naß;
34 
Das Feuer verbrennet. - Wie hindert ihr das? -
35 
O laßt es gewähren, wie's kann!
 
36 
Es hungert den Hunger, es dürstet den Durst;
37 
Sie sterben von Nahrung entfernt.
38 
Naturgang wendet kein Aber und Wenn. -
39 
O Menschengesichter, wie zwinget ihr's denn,
40 
Daß Liebe zu lieben verlernt?

(„An die Menschengesichter“ von Gottfried August Bürger ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (27 KB) zur Unterstützung an.)

Zeitgeschichtliche Einordnung

  • Entstehung in 1778
  • Text jedoch auf Fassung in 1789 zurückzuführen
  • Französische Revolution von 1789 bis 1799
  • Lyrisches Ich gegen Gesellschaft
  • Freiheit der Gesellschaft
  • Kritik an gesellschaftlichen Zwängen, Normen und regeln

→ typisch für Sturm und Drang

Analyse (nach Strophen unterteilt)

Strophe 1

  • „schlechte Liebe“ im Sinne von etwas zu lieb haben
  • Man sucht sich nicht aus, wen man liebt
  • Gesellschaft als Hindernis dargestellt
  • Lyrisches Ich leidet unter Umständen, die die Gesellschaft darstellen

Strophe 2

  • Liebe wird erwidert
  • Auch Person, welche die Liebe erwidert, trifft keine Schuld
  • Auch Liebhaber des Ichs leidet unter Gesellschaft
  • Betonung des Schmerzes, der von beiden empfunden wird
  • Parallelismus zu Strophe 1

Strophe 3

  • Aus Ich wird Wir
  • Chiasmus mit sehnen und seufzen verstärkt Wirkung
  • Belastung durch soziale Zwänge macht das lyrische Wir krank
  • Gesellschaft nicht einverstanden mit der Partnerschaft

Strophe 4

  • Paar unterliegt den gesellschaftlichen Normen und Zwängen
  • Beklagen über Gesellschaft und ihre Konventionen

Strophe 5

  • Beziehung zwischen dem Ich und Geliebten beeinflusst Gesellschaft ja nicht
  • Kein Schaden wird verursacht, höchstens bei sich alleine
  • Appell an Gesellschaft freier zu sein

Strophe 6

  • Kranken bemitleiden/kritisieren macht sie auch nicht wieder gesund
  • Genau so bei den Liebenden:
    • Nur durch Schimpfen werden sie sich nicht ändern und lieben sich trotzdem
  • Jeder hält sich an die Tugend und Normen, aber wenn es zum Entscheiden von sich selber aus ohne Hilfe der Gesellschaft geht, sind viele überfordert

Strophe 7

  • Aufzählung von naturgegebenen Phänomenen, die man nicht ändern kann
  • Genauso wie Liebe für das Lyrische Ich
  • Liebe sowie Natur nicht beeinflussbar

Strophe 8

  • Liebe als lebenswichtig angesehen
  • Wieder: Liebe sowie Natur nicht beeinflussbar

Bezug zum Autor

  • keine Möglichkeit zu geistigem Fortkommen
  • Wunsch nach mehr Akzeptanz
  • Heirat mit Dorette Leonhardt im Jahr 1774
  • Verliebte sich in deren Schwester Auguste
  • Dorette starb nach 10 Jahren Ehe
  • im folgenden Jahr heiratete Bürger Auguste (1785)
  • Jene starb jedoch nach 7 Monaten
  • Kein gutes Ansehen wieder zu heiraten, vor allem die Schwester der Verstorbenen
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