Rilke, Rainer Maria - Leise Begleitung (Interpretation und Analyse)

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Rainer Maria Rilke, Interpretation und Analyse der Kurzgeschichte, Mutter-Sohn-Beziehung, Referat, Hausaufgabe, Rilke, Rainer Maria - Leise Begleitung (Interpretation und Analyse)
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Referat

Leise Begleitung von Rainer Maria Rilke

Die dem Expresionismus zuzuordnende Kurzgeschichte „Leise Begleitung“ geschrieben von Rainer Maria Rilke (1898) behandelt die Thematik einer Mutter-Sohn Beziehung, in welcher der Sohn nach Freiheit strebt, und die Mutter ihm eben diese Freiheit nicht gewähren möchte aufgrund ihrer Sorge den eigenen Sohn verlieren zu können.

René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, besser bekannt als Rainer Maria Rilke, wurde am 4. Dezember 1875 geboren und verstarb am 29. Dezember 1926. Rilke war ein böhmisch-österreichischer Dichter und Schriftsteller. Er ist weithin anerkannt als ein deutschsprachiger Dichter der Lyrik. Er schrieb sowohl Verse als auch hochlyrische Prosa. Mehrere Kritiker haben Rilkes Werk als von Natur aus "mystisch" beschrieben. Seine Schriften umfassen einen Roman, mehrere Gedichtbände und mehrere Korrespondenzbände, in denen er eindringliche Bilder hervorruft, die sich auf die Schwierigkeit der Gemeinschaft mit dem Unfassbaren in Zeiten des Zweifels, der Einsamkeit und tiefen Angst konzentrieren. Diese zutiefst existentiellen Themen neigen dazu, ihn als Übergangsfigur zwischen den traditionellen und den modernen Schriftstellern zu positionieren.

Rilke bereiste ganz Europa (unter anderem Russland, Spanien, Deutschland, Frankreich und Italien) und ließ sich in seinen späteren Jahren in der Schweiz nieder - Schauplätze, die für die Entstehung und Inspiration vieler seiner Gedichte entscheidend waren. Während Rilke vor allem für seine Beiträge zur deutschen Literatur bekannt ist, wurden über 400 Gedichte ursprünglich auf Französisch verfasst und dem Kanton Wallis in der Schweiz gewidmet. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Gedichtbände Duineser Elegien und Die Sonette an Orpheus, der semi-autobiographische Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge sowie eine Sammlung von zehn Briefen, die nach seinem Tod unter dem Titel Briefe an einen jungen Dichter veröffentlicht wurde. Im späten 20. Jahrhundert fand sein Werk in Büchern und Filmen ein neues Publikum. Nichtnur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten zählt Rilke nach wie vor zu den beliebtesten und meistverkauften Dichtern.

Die Mutter in der Geschichte „Leise Begleitung“ ist eine ruhige, verträumte und ängstliche aber zugleich tüchtige Frau, welche im Laufe der Geschichte dem Sohn fiktiv eine Geschichte erzählt. Der Sohn „Miro“ ist ein heranwachsender, 18-jähriger, junger, blonder Mann, der sich anscheinend nach der Freiheit sehnt und sein eigenes Leben in Unabhängigkeit zu seiner Mutter führen möchte.

Die Mutter sitzt zum Anfang der Geschichte am Fenster und stickt. „Gestern und heute und morgen und auch alle Tage.“ (Z. 1). Hier wird bereits deutlich, dass die Mutter sehr tüchtig ist, sie stickt nicht nur jetzt, sondern macht dies alle Tage. Der Läufer ist noch kaum zur Hälfte fertig und schon welk (Vgl. Z. 1f). Die Arbeit der Mutter scheint, wenn auch noch unvollständig schon zu verwelken. Bei dieser Metapher wird bereits ein Bezug auf die Mutter-Sohn Beziehung hergestellt. Die Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Sohn Miro ist noch nicht ausgereift aber bereits am welken, dies wird mit Verlauf der Geschichte zunehmend deutlich. „Aber die Hände sind einfach müd und bleiben liegen mitten im Weg.“ (Z. 3f) Die Metapher der Hände steht für das Leben und die Beziehung der Mutter zu ihrem Sohn, die Mutter ist müde und das Heranwachsen der Beziehung zu ihrem Sohn blieb in der Vergangenheit mitten im Weg stehen. Mit dem Satz: „Und Schiffe sollten doch in Freiheit fahren über die vielen Flüsse, ins Meer, in alle Meere.“ (Z 5f). Wird deutlich, dass die Mutter glaubt, dass ihr Sohn in die Freiheit segelt, sie weiß, dass Schiffe, genau wie ihr Sohn in die Freiheit segeln sollten, bis hinaus in das große weite Meer, in das Ungewisse. Doch zugleich wird auch die Distanz zwischen Mutter und Sohn im weiteren Verlauf sehr deutlich, beispielsweise: „Sie sieht auch nicht auf, als ihr Sohn eintritt.“ (Z. 9) oder „Mann kann nicht zu ihr flüchten, man läuft an ihr vorbei“ (Z. 12f). Miro sagt, dass er nicht zu seiner Mutter flüchten kann, er kann nicht mit ihr reden, weder über Gefühle noch über seine Probleme. „Es gibt also keine Aussprache mit ihr“ (Z. 14). Der Sohn verlässt daraufhin das Zimmer. (Vgl. Z. 16 ). Die Mutter erschrickt hierbei und „breitet schnell ihre Seele aus.“ (Z. 17)

Miro bekommt davon allerdings nichts mit, er geht hinaus und denkt sich: „Ich bin frei, ich bin frei...“ (Z: 19). Die traurige Mutter bildet sich nun ein er sei immer noch im Zimmer, und würde mit ihr reden. Bis zu diesem Zeitpunkt (Z: 21) wird die Geschichte von einem auktorialen Erzähler (allwissend) erzählt. Nun ändert sich allerdings die Erzählperspektive zu einem personalen Erzähler. Es wird aus Sicht der Mutter erzählt. Zunächst fragt sie ihren Sohn, ob dieser „Ihr“ schon in die Seele geschaut habe (Vgl. Z: 23). Das Wort „Ihr“ deutet darauf hin, dass Miro eine Freundin hat. Sie erzählt ihrem Sohn, dass es sein wird, wie viele Male zuvor. „Erst werden sie durch die Gassen gehen, mit Frohsinn und Übermut, bis sich ihre Augen fragen: „Wann?“ Und sie wissen beide „nicht hier.““ (Vgl. Z: 24f). Miro‘s Mutter geht hier davon aus, dass Miro eine Freundin hat, dass sie zu zweit durch die Gassen gehen, und dass sie sich fragen wann ihre Zeit gekommen ist. Aber sie finden keine Antwort darauf, denn sie wissen es ist der falsche Zeitpunkt, der falsche Ort. Danach ändert sich das Szenario und das junge Paar ist zusammen in einem Gasthausgarten, und danach wiederum in einer Kirche, in welcher der Weihrauchduft welk wird und das Paar fragt sich wiederum „Wann?“ (Z: 24ff) . Aber weder finden sie den richtigen Ort, noch fühlt es sich wie die richtige Zeit an.

Eine fiktive traurige Liebesgeschichte wird hierbei seitens der Mutter erzählt. Da die Mutter diese Liebesgeschichte kontrolliert, ist diese Liebe bewusst unmöglich. Die Mutter hängt sehr an ihrem Sohn, und auch wenn sie weiß, dass Miro alt genug für die Freiheit ist, möchte sie ihn nicht hergeben und warnt ihn vor falschen und voreiligen Entscheidungen. Mit dem welken Weihrauchduft, zeigt die Mutter, dass die Beziehung des Sohnes und seiner Liebhaberin bereits am welken ist, hierbei projiziert sie das welken der eigenen Beziehung zu ihrem Sohn auf die Liebesbeziehung zwischen Sohn und Liebhaberin. Dadurch wird deutlich, dass sich die Mutter weigert von ihrem Sohn verlassen zu werden.

Sie klammert sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihn und versucht dem fiktiven Sohn die Liebhaberin auszureden. Das Szenario in der Geschichte ändert sich nun erneut (Z. 28f). „Da ist der Wind bald vor euch, bald hinter euch und nimmt euren Worten den Glanz.“ Der Wind ist eine starke Naturgewalt, manchmal auch eine gewalttätige. Er hindert das Liebespaar daran, sich zu verstehen, sie fragen sich fortan „Was?“ und „Hast du etwas gesagt?“ (Z. 29). Wieder projiziert die Mutter ihre eigenen Kommunikationsschwierigkeiten, auf die des Liebespaares. Sie gibt dem fiktiven Miro zu verstehen, dass Kommunikation zwischen 2 Menschen sehr schwierig sein kann, und zu einem Teufelskreis werden kann. Immer wieder dieselben Themen, immer wieder wird das selbe nicht ausgesprochen. Denn alles hat kein Ende und irgendwann sind beide dem Weinen nahe, und beide wissen nicht hier. (Vgl. Z: 30). Die Zeit ist nicht die richtige. Beide kommen von verschiedenen Orten, und mit der Zeit lernen sie sich zu hassen (Vgl Z: 33f).

Auf einem Kirchhof findet sich das letzte Szenario. Und beide der fiktive Miro und die fiktive Freundin finden es plötzlich ganz natürlich. Denn sie wollen nichts mehr, als irgendwo vor lauter Müdigkeit ruhig sitzen zu dürfen. Der Kirchhof steht hier für den Tod, beide sind nach diesem Leben damit einverstanden, haben keine Angst mehr sind einfach nur noch müde. Der Abend kommt schnell (Z. 29) und alles was noch dort ist, ist der Wind (Vgl. Z: 30). Schnell wie die Zeit, verändert er alles, macht das Leben taub trägt die Liebenden davon und sorgt für Kälte und Veränderung. Aber der Wind trägt die Zeit auch davon, und den Liebenden fehlt die Zeit, bis sie sich zuletzt im „dunklen Haustor vielleicht noch einmal atemlos fragen: „Wann?“ (Z. 43f). Aber wieder gibt es keine ausreichende Antwort nur ein nicht hier und Angst und Abschied. Und die Seelen der beiden jungen Menschen konnten sich nie fassen(Vgl Z: 50). Genau wie die Mutter die Seele des Sohnes nicht fassen kann, es noch nie konnte, „und das ist das Ende“ (Z. 50). Die Mutter erzählt nun noch dem fiktiven Miro, dass wenn der Vater nicht wäre, sie einmal am Sonntag die Zimmer voll mit weißen Blumen stellen würde und fortgehen würde (Vgl: 53f). Sie stellt weiße Blumen, das Symbol für den Tod auf und geht fort, kann es nicht ertragen einsam zu sein, will dem Tod nicht ins Gesicht blicken, ihr Angesicht nicht zeigen. Sie geht in Schmerz fort und fühlt sich verlassen. Sie würde in die Kirchen und auf die Straßen gehen und sich dem Wind stellen (Vgl: Z. 55) und es würde ihr nichts ausmachen, denn sie hat keine Angst davor. Wenn der Sohn sie verlässt, dann fehlt ein großer Teil aus dem Leben der Mutter, so dass wenn auch noch der Vater sie verlassen würde, sie nur noch den Schmerz hätte und ihrem Geliebten in den Tod folgen würde. Es würde ihr nichts mehr ausmachen, da alles was sie am Leben gehalten hat von ihr gegangen wäre. Die Mutter macht deutlich wie wichtig Miro ihr ist, und wie schmerzhaft es für sie ist ihn gehen zu lassen. Frau Beate beginnt nun zu trennen, ein ganzes Stück Bordüre hat sie verdorben (Z. 60). Sie träumt ununterbrochen, aber verdirbt sich damit ihre Arbeit. Sie macht sich selbst traurige Gedanken welche sich auch negativ auf ihre Beziehung zu ihrem Sohn auswirkt, der Läufer war schon welk und sie verdirbt ihn noch mehr, durch ihre Unaufmerksamkeit und ihre Tatenlosigkeit. Würde Frau Beate nicht so viel über die Probleme mit ihrem Sohn nachdenken, sondern mit ihm reden, würde auch diese Beziehung nicht so schnell verderben. Zuletzt träumt sie nur noch eines „Und dass sie mich lieb haben könnte glaubst du?“ (Z. 63) Ihr fiktiver Miro hat den Wunsch, dass das Mädchen ihn liebt, und stellt der Mutter die Frage ob sie glaubt, dass das Mädchen ihn lieben könnte. Diese letzte Frage beschreibt die Gewissheit der Mutter, dass Miro’s Traum nach Freiheit und Liebe sehr groß ist, und dass er die Hoffnung hat, dies alles in der Zukunft haben zu können. Die Mutter jedoch antwortet nicht. Sie hört auf zu träumen und „bleibt über den Läufer geneigt.“ (Z. 65). Nun ändert der Autor wieder die Erzählperspektive in die auktoriale, allwissende Sicht. Die Mutter bleibt weiterhin traurig, der Vater tritt nun in die Stube ein, und macht Frau Beate auf ihre wunden Augen aufmerksam. Er ist besorgt und Frau Beate versucht ihren Mann mit Blicken zu besänftigen (Vgl. Z. 68f). Hierbei benötigt sie ihre ganze Kraft und ihren ganzen Willen (Vgl. Z. 70), denn sie hat selber keine Kraft, möchte aber ihren Mann besänftigen, und ihm die Sorgen nehmen. Nach längerer Zeit „nimmt der Vater die Zeitung und schreit hinein: „Wo ist denn der Bub?“ (Z: 72f). Er schreit, da er hoffnungslos ist, da er zornig ist, da er die Mutter nicht versteht, und um die Stille und die Kommunikationsarmut im Raum zu beenden. Frau Beate wartet daraufhin im Treppenhaus auf den Sohn (Vgl. Z: 75). Sie flüchtet vor dem Vater, vor der Kommunikation und vor der Aussprache. Und nach längerer Zeit, kommt Miro zusammen mit der Mutter die Treppe hinauf „als wären die beiden zusammen fortgewesen“ (Z. 78).

Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn, ist im Großen und Ganzen aus der subjektiven Sicht der Mutter beschrieben. Sie träumt davon, dem Jungen zu gestehen, wie wichtig er ihr ist, und wie schwer es für sie ist ihr Kind gehen zu lassen. Zum einem weiß sie, dass sie Miro loslassen muss, da jedes Schiff irgendwann den Horizont erreicht. Dennoch will sie dies nicht tun, da es sie an den Kirchhof bzw. den Tod erinnert. Es erinnert sie an die Tatsache, dass die Zeit alles von ihr trägt und dass sie am Ende alleine dastehen wird. Sie kann die Sichtweise von Miro verstehen, welcher in Freiheit leben möchte und neue Wege einschlagen will, aber versucht zugleich auch ihn fiktiv davon abzuhalten. Miro dagegen, empfindet sein Familienhaus als sehr kühl, es wird nicht viel geredet und er ist sich den Kommunikationsschwierigkeiten durchaus bewusst, er möchte in die Freiheit und ein neues Leben anfangen. Zum Schluss jedoch, kommen beide zusammen die Treppe hinauf. Die Mutter froh ihr Kind ein Tag länger bei sich zu haben, der Sohn mit Schuldgefühlen.

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