Goethe, Johann Wolfgang von - Vor dem Tor (Faust 1, Szeneninterpretation)

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Referat

Analyse Dramenszene: „Vor dem Tor“ aus der Tragödie „Faust I“ von Johann Wolfgang von Goethe

kurze Zusammenfassung des Inhaltes

Schüler, Soldaten, Handwerker und weitere Bürger der Stadt feiern den Ostertag vor den Toren der Stadt. Sie unterhalten sich über alltägliche Themen wie Tanzvergnügen, Rendezvous oder das aktuelle politische Geschehen. Faust tritt mit Wagner hinaus und fühlt dabei die befreiende und gleichzeitig belebende Wirkung der Natur und der ausgelassenen Osterstimmung. Die Bürger begegnen Faust mit Respekt und sogar Verehrung. Ein alter Bauer hebt die Dienste und Fähigkeiten von Faus als Wissenschaftler und Arzt hervor. Faust ist sich dabei aber der Grenzen seines Tuns bewusst. Er erinnert sich an die Fehler, die er als Arzt gemacht hat. In weiteren Dialog mit Wagner über die Fortschritte der Wissenschaft fasst Faust das Dilemma seines Daseins zusammen: Er sei an die Genüsse der irdischen Welt gebunden und habe gleichzeitig die Sehnsucht, diese zu überwinden, um in eine höhere magische Sphäre einzudringen. Zum Ende der Szene kommt ein Pudel hinzu, der ihnen dann bis in das Studierzimmer folgt. Während Wagner in dem Pudel lediglich einen ganz normalen Hund erblickt, sieht Faust in dem Pudel eine zur Tiergestalt gewordene magische Kraft.

Szeneninterpretation / Analyse „Vor dem Tor“

„Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust
Die eine will sich von der andern trennen.“

Sehr zutreffend beschreibt dieses Zitat die Stimmung Fausts in der Dramenszene „Vor dem Tor“, aus der Tragödie „Faust I“, geschrieben von Johann Wolfgang von Goethe. Die Szene thematisiert die Hin und Hergerissenheit von Faust zwischen Freude, das Erfahren wollen von z.B. Glück u. Liebe und einer Erkenntniskrise. Faust erfährt durch die Szene vorerst neue Lebenslust nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch, dennoch führt die Szene unmittelbar dazu, dass Faust mit dem teuflischen Mephisto in Kontakt kommt. Faust selbst erwartet ein für sich persönliches Wunder zur Aufklärung und ruft somit am Ende die Geisterwelt. Die Tragödie als Gesamtes beschreibt das Spiel zwischen Gut und Böse und die Verführung des Menschen.

Die Szene „Vor dem Tor“ dient als Überleitung zu etwas Neuem, so kommt Faust in der Szene aus seinem Zustand der Isolation in den frisch aufblühenden Frühling und erfährt dadurch neue Lebenslust nach seinem kurz zuvor abgebrochenem Selbstmordversuch. Auch wenn er nur als Beobachter agiert und nicht Teil der feiernden und „auferstandenen“ (Vgl. Z. 922) Gesellschaft ist. Im Mittelpunkt der Szene steht das Gespräch zwischen den beiden Wissenschaftlern Faust und Wagner, zu dem Wagner in der vorherigen Nacht gebeten hat. Am Ende des Gesprächs bzw. dem Osterspaziergang treffen sie unwissentlich auf Mephisto, der sie in Form eines Pudels beobachtet.

Wagner ist ein intellektueller Mensch ganz wie Faust, dennoch ist Wagner eine Art Lehrling von Faust und steht somit unter ihm. Es ist ein reines Informationsgespräch zwischen den beiden und die Stimmung ist eher distanziert als vertraut, obwohl Fausts eigenes Befinden zunächst sehr euphorisch und zufrieden ist. Faust und Wagner sind nicht und finden auch in diesem Gespräch nicht auf eine Ebene, es scheint, als würden sie aneinander vorbei reden und nicht auf eine gleich Meinung kommen. Wagner erwünscht sich einen Informationsaustausch und einen Austausch von verschiedenen Ansichten, er begegnet Faust dabei mit viel Respekt. Faust hingegen fühlt sich ziemlich überlegen und geht meist gar nicht auf die Antworten bzw. Ansichten Wagners ein, sondern spricht nur von sich und möchte auch nur seine eigenen Ansichten hören. Faust beschäftigt immer noch das Thema der fehlenden Erkenntnis und deshalb spricht er fast monologartig von seinem nicht Weiterkommen. Er berichtet Wagner von seinen zwei Seelen, die eine sei menschlich und wolle nur Freude und Lust verspüren, die andere sei immer unzufrieden und sehne sich sich nach der (schwarzen) Magie, die ihm aus der Erkenntniskrise hilft (Vgl. Z. 1110-1117). So versucht Faust Geister zu sich zu rufen, die ihm endlich bei seinen Problemen weiterhelfen sollen, dabei bestätigt er Mephisto unwissentlich, dass dieser gerade im richtigen Moment kommt, um Faust zu verführen, da er in einer kümmerlichen Situation steckt. Aus diesem Grund ist dieses „reine“ Informationsgespräch sehr asymmetrisch in der Gesprächsschwere, Faust hat einen viel größeren Gesprächsanteil als Wagner und ist auch viel dominanter. Wagner versucht in dem Gespräch immer wieder Faust zu schmeicheln. „Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren ist ehrenvoll und ist Gewinn“ (Z. 941/942), oder bspw. „Welch ein Gefühl musst du, o großer Mann, bei der Verehrung dieser Menge haben!“ (Z.1011/1012), auf diese Schmeicheleien geht Faust jedoch nicht ein. Dies hat zur Folge, dass Wagner, da er die feiernde Gesellschaft von vornherein ablehnt und auch mit Faust nicht das gewünscht Gespräch führen konnte, nach Hause will. So spricht er in Zeile 1142-1144: „Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt, die Luft gekühlt, der Nebel fällt! Am Abend schätzt man erst das Haus.“ Diese Andeutung bis Aufforderung ignoriert Faust jedoch vollkommen und weist auf den sich nähernden schwarzen Pudel. Dieser Pudel verstärkt Wagners Vorhaben, da er in dem Pudel eine Bedrohung spürt.

Auch Faust steht dem Pudel nicht vollkommen ohne Furcht gegenüber, da er einen Feuerstrahl hinter dem Pudel hinterher ziehen sieht. Dieser Feuerstrudel verweist darauf, dass in dem Hund etwas böses steckt. Dennoch befiehlt Faust den Hund zu sich (Vgl.Z.1166), auf diese Weise gelangt Mephisto in der Szene, in Form eines Hundes an Faust.

Durch die Mischung von verschiedenen Arten von Reimen, kommt eine etwas „gelockerte“ Stimmung zustande, so spricht Wagner vorerst in Kreuzreimen, was einen sehr bedachten Eindruck macht, wechselt danach aber auch zur Mischung aus Reimen. Besonders auffällig in der Szene „Vor dem Tor“ ist die euphorische Stimmung Fausts, gleich an seiner ersten Aussage, kann man seine Freude spüren. So benutzt er erst einen umarmenden Reim als Einleitung, um einen guten Übergang zu finden. Denn er erzählt erst vom vergangenen Winter und geht dann über zum jetzigen Frühling, dies verschafft nochmals einen verstärkten Kontrast und kann somit das Frühlingsleben und die Lust verdeutlichen. Danach folgen Kreuz- sowie Paarreime, dies kann zugleich Freiheit und Verbundenheit veranschaulichen, welches auch zum momentanen persönlichen Befinden Fausts passt. Außerdem personifiziert er die Sonne und den Frühling, dies macht den Eindruck, als ob er sich der Natur verbunden fühlen würde, weil er sie menschlich darstellt. Am Ende der Szene kann durch die Wortwahl Fausts eine geheimnisvolle/ magische Stimmung ausmachen. „Mir scheint es, dass er magisch leise Schlingen zu künft’gem Band um unsre Füße zieht.“ (Z.1158/1159) Faust fühlt sich in diesem Moment bedroht und denkt, er werde gefangen, dennoch wirkt der Satz auf den Leser nicht hysterisch und voller Angst, sondern eher geheimnisvoll, durch das bildliche Sprechen. Des Weiteren erzeugt Faust in Zeile 1152f. Spannung, in dem er beschreibt, wie der schwarze Hund näher kommt, er ziehe weite Schneckenkreise und jage auf sie zu, hinter ihm sei ein Feuerstrudel. So kann man vermuten, dass etwas schlimmes passiert, wenn der Hund auf Wagner und Faust trifft. Im weiteren Verlauf des Gesprächs treten immer wieder Personifikationen in Zusammenhang mit der Natur auf. (Vgl.Z. 1070-1075 „die Abendsonne-Glut […] eile“; „Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken“ Z. 1084).

Auffällig in der Szene ist auch, dass Wagner auch dann wieder in Kreuzreimen geordnet spricht, wenn er sich bedroht fühlt, z.B. von den Geistern die Faust ruft. (Vgl. Z. 1126f.)

Für das Drama hat der Szenenausschnitt eine wichtige Bedeutung. Faust erklärt seinen Drang, sich von der Welt lösen und in das Göttliche übergehen zu wollen. Er ist mit seinem Leben nicht mehr zufrieden und kann es nicht genießen. Einerseits erklärt dies, warum er sich in der ersten Szene („Nacht“) selber umbringen möchte. Andererseits aber auch, warum er sich auf den Pakt mit dem Teufel einlässt, denn dieser verspricht dem Wissenschaftler den vollen Genuss im Gegenzug zu seiner Seele.

Faust ist der Meinung, dass er sein Leben, so wie es momentan ist, nicht fortführen möchte. Er hofft jedoch durch den Pakt mit dem Teufel, die Freude des Lebens noch einmal genießen zu können. Daher hat er auch kein Problem damit, seine Seele als „Bezahlung“ dem Teufel zu überlassen.

Wie dem Titel „Vor dem Tor“ kann auch dem Osterspaziergang eine Bedeutung beigemessen werden. Ostern ist das Fest an dem die Christen die Auferstehung von Jesus feiern. Im weiteren Sinne wird also die Wiederkehr des Lebens gefeiert. Auch Faust ist in einem gewissen Sinne wieder zu den Lebenden zurückgekehrt. Er widmet sich in dieser Szene im Gegensatz zu seinen Selbstmordgedanken in der Szene "Nacht" dem Leben der Stadt.

Neben den entgegengesetzten Örtlichkeiten und dem Kontrast zwischen Volksfest und Selbstmord unterscheidet sich auch der Umgang mit dem Überirdischen zwischen den beiden Szenen. In der Szene „Nacht“ beschwört er den Geist aktiv herauf und wirkt schon fast besessen davon. Der Geist kommt auf den Ruf Fausts, der ihn jedoch wieder verjagt. In der darauf folgenden Szene "Vor dem Tor" nähert sich der Pudel selbstständig. Faust ist hierbei passiv und fühlt sich von dem Pudel, in dem er etwas Überirdisches vermutet, umschlungen. Mit diesen Gegensätzen kreiert der Autor eine gewisse Spannung, die den Leser anregt weiterzulesen.

Seite: 27

Schauplatz: Vor den Toren der Stadt

Zeit: Ostertag

Personen:

  • Faust,
  • Wagner,
  • Handwerksburschen,
  • Dienstmädchen,
  • Schüler,
  • Bürgermädchen,
  • Bürger,
  • Bettler,
  • Soldaten,
  • alter Bauer,
  • weitere Bürger

Anmerkungen und Stilmittel der Szene

  • Interjektion: Ausruf, Gefühlsausdruck. Beispiel: „Ach“, „Aua“, „Huch“, „Oh“.
  • Metapher (Stilmittel): Bild.
  • Ellipse: Auslassung von Wörtern.
  • Personifikation: Bei der Personifikation wird ein lebloser oder ein abstrakter Begriff, oder aber auch ein Tier, „vermenschlicht“. Personifikationen treten z. B. immer in Fabeln auf (da Tiere wie Menschen handeln). Anderes Beispiel: Der Mond schaut zornig drein; der Mond nimmt hier also charakteristische menschliche Züge an.

Deutungsansätze

  • Mephisto erscheint als Pudel durch Fausts Aufruf, von einem Geistwesen „zu neuem, buntem Leben“ (V. 1121) entführt zu werden
  • Wagner sieht in ihm lediglich einen streunenden Pudel (V. 1163-1165), während Faust ahnt, dass es sich um ein Geistwesen, von dem magischer Einfluss ausgeht, handelt (V. 1152-1155, 1158f.)
  • strebt nach Höherem, verzweifelt an Wissenschaft
  • hält nichts von wissenschaftlichen Fortschritten (V. 1065)
  • erkennt das Vertrauen der Menschen auf den religiösen Sinn des Daseins, bewundert es (V. 940)
  • Ablehnung gegenüber gesellschaftlichem Ansehen
  • erkennt im Pudel ein Geistwesen
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