Eichendorff, Joseph von - Lockung (Gedichtanalyse)

Schlagwörter:
Joseph von Eichendorff, Analyse, Interpretation, Romantik, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Lockung (Gedichtanalyse)
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Referat

Gedichtinterpretation „Lockung“ - Joseph von Eichendorff

Lockung
von Joseph von Eichendorff

Hörst du nicht die Bäume rauschen
Draußen durch die stille Rund?
Lockt's dich nicht, hinabzulauschen
Von dem Söller in den Grund,
Wo die vielen Bäche gehen
Wunderbar im Mondenschein
Und die stillen Schlösser sehen
In den Floß vom hohen Stein?
 
Kennst du noch die irren Lieder
10 
Aus der alten, schönen Zeit?
11 
Sie erwachen alle wieder
12 
Nachts in Waldeseinsamkeit,
13 
Wenn die Bäume träumend lauschen
14 
Und der Flieder duftet schwül
15 
Und im Fluß die Nixen rauschen
16 
Komm herab, hier ist's so kühl.

(„Lockung“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Lockung“ wurde im Jahr 1834 von Joseph von Eichendorff in der Epoche der Romantik verfasst und handelt von der Schönheit der Natur sowie der Verlockung des lyrischen Ichs in eine Traumwelt zu entfliehen. Sehnsucht, das Entfliehen in eine Traumwelt sowie die Idealisierung der Natur sind typische Merkmale der Romantik und spiegeln sich in vieler seiner Werke wider. Ebenso wirkt das Gedicht zwar sehnsüchtig, aber zugleich auch voll Hoffnung behaftet, wodurch es beim Leser zum einen eine mitfühlende, zugleich aber auch aufbruchsvolle Stimmung erweckt. Joseph von Eichendorff wurde am 10.03.1788 in Lubowitz, Polen, geboren und war Sohn einer Adelsfamilie. Ferner kämpfte er in den Freiheitskriegen und wurde ein hoher Beamter. Zudem war er ein gläubiger Katholik, weshalb die Religion ein starker Teil seines Lebens war und auch bis zu seinem Tod 1857 in vielen seiner Gedichte zum Ausdruck kam.

In der ersten Strophe des Gedichts beschreibt das lyrische Ich die Natur bei Nacht und die dabei entstehende Verlockung, aus dem Alltagsleben in eine Traumwelt zu entfliehen. Diese Sehnsucht verdeutlicht es anhand von Fragen, welche das lyrische Ich dem lyrischen Du stellt (vgl. V. 1-8). Dadurch entsteht zu Beginn des Gedichts eine wehmütige Stimmung, welche sich auch in der folgenden Strophe wiederfinden lässt. In der zweiten Strophe befindet sich das lyrische Ich in einer Traumwelt und beginnt diese zu beschreiben. Weiterhin schwelgt es in alten Erinnerungen und sehnt sich nach der alten schönen Zeit (vgl. V. 8-16).

Das Gedicht besteht aus zwei Volksliedstrophen mit jeweils acht Versen und wurde im Kreuzreim verfasst. Das Metrum des Gedichts ist ein vierhebiger Trochäus, welchem die alternierende Kadenz weiblich, männlich zugrunde liegt. Anhand des einfachen und regelmäßigen Aufbaus, wird eine gewisse Harmonie erschaffen, welche für die Romantik typisch ist. Überdies könnte die formale Eintönigkeit auch das trübe Alltagsleben des lyrischen Ichs verkörpern, aus welchem er fliehen möchte.

Die Sprache des Gedichts ist relativ schlicht und einfach gehalten. Auffällig ist allerdings die häufige Verwendung von rhetorische Fragen, durch welche eine gewisse Einbeziehung des Lesers erreicht wird. Ferner werden nahezu alle Substantive mit Verben oder Adjektive ergänzt, wodurch der Zuhörer die Situation des lyrischen Ichs bildlich vor Augen hat. Zudem verbindet Eichendorff in seinem Werk jeweils zwei Verse miteinander, wodurch der Sinnzusammenhang der einzelnen Verse über das gesamte Gedicht weitergeführt wird. Zu Beginn der ersten Strophen spricht das lyrische Ich das lyrische Du mit einer Frage an. Durch die Frage, ob das lyrische Du die Bäume draußen durch die stille Rund höre (vgl. V. 1ff.) wird deutlich, dass die Handlung nachts stattfindet. Das hektische Alltagsleben ist vorbeigezogen und die stille Nacht legt sich wie ein Schleier über die Trübheit des Alltags. Hierbei wird deutlich, dass sowohl die Nacht als auch die Natur als Zufluchtsort fungieren und den Gegenpol zum hektischen Treiben der Menschen darstellt. Mit dem Vers „Lockt’s dich nicht“ (vgl. V. 3) versucht das lyrische Ich das lyrische Du in seine Traumwelt zu entführen und sieht diesen Eintritt als Verlockung an. Durch die Wörter „draußen“ (vgl. V. 2) sowie „hinabzulauschen“ (vgl. V. 3) wird deutlich, dass sich das lyrische Ich noch in der Realität befindet und lediglich sehnsüchtig auf die Traumwelt blickt. Diese Distanz zwischen der Realität und der Traumwelt wird durch den Vers „Von dem Böller in den Grund“ (vgl. V. 4) verdeutlicht. Hierbei repräsentiert der Böller, auf welchem sich das lyrische Ich befindet, die Realität und der Grund die Traumwelt, auf welche das lyrische Ich von oben hinabsieht. Die Sehnsucht nach der Natur wird ebenfalls durch der Personifikation in Vers 5 verdeutlich. Anhand der Personifizierung des Baches sowie des in Vers 6 beschriebenen Adjektivs „wunderbar“ wird die Idealisierung der Natur erkennbar. Des Weiteren wird durch den Begriff „Mondenschein“ deutlich, dass sich die Handlung in der Nacht abspielt. Die Verwendung der Nacht soll hierbei als Raum fungieren, in welchem sich das Unbewusste offenbart und die tiefste Sehnsucht wahr werden kann. Durch die Personifizierung in Vers 6 „stillen Schlösser“ wird der Kontrast zur Realität und Nacht erneut deutlich gemacht. Die Schlösser könnten hierbei metaphorisch für das Alltagsleben stehen und da selbst der Alltagslärm in der Dunkelheit zur Ruhe kehrt, wird erneut die magische Wirkung der Nacht erkennbar. Die erste Strophe endet mit der rhetorischen Frage „In den Fluss vom hohen Stein“ (vgl. V. 8), wodurch die erneute Thematisierung des Gewässers eine Art Rahmen um die erste Strophe bildet. Hierbei lässt sich sagen, dass der Fluss metaphorisch für die Traumwelt stehen könnte, da dieser genau wie die Traumwelt unendliche, unbegründete Tiefen aufweist.

In der zweiten Strophe befindet sich das lyrische Ich nun in der Traumwelt. Die Strophe wird mit einer rhetorischen Frage eingeleitet, in welcher das lyrische Ich das lyrische Du fragt, ob sich dieses an die irren Lieder aus der alten, schönen Zeit erinnere (vgl. V. 1ff.). Mit der alten, schönen Zeit könnte sich das lyrische Ich auf eine bessere Zeit beziehen, welche sich sowohl auf seine Situation, aber zugleich auch auf die gesellschaftliche Situation beziehen lässt (vgl. V. 7, vgl. V. 10). In dem darauffolgenden Vers spricht das lyrische Ich davon, dass die Weltbilder der damaligen Zeit wiedererwachen würden (vgl. V. 11). Ebenso beschreiben die Nacht (vgl. V. 12) sowie die Waldeseinsamkeit (vgl. V. 12) erneut die Traumwelt. Allerdings könnte die Einsamkeit auch die Gefühlslage des lyrischen Ich repräsentieren. Auch wenn es in der Stadt von Menschen umgeben ist, fühlt es sich allein. Die Waldeinsamkeit ist hierbei allerdings nicht negativ konnotiert, sondern bildet einen Gegenpol zum trüben Alltag. Durch den Vers „Wenn die Bäume träumend lauschen“ (vgl. V. 13) wird die Natur erneut idealisiert und durch den Vers „Und im Fluss die Nixen rauschen“ (vgl. V. 15) auf die Traumwelt aufmerksam gemacht. Da es in der realen Welt keine Nixen gibt, wird hierbei klar deutlich, dass sich das lyrische Ich in seiner Fantasiewelt befindet und nun das lyrische Du dazu auffordert ihm zufolge (vgl. V. 16). Hierbei wird deutlich, dass sich das lyrische Ich nun nicht mehr auf dem Schöller befindet und auf den Grund also auf die Traumwelt blickt, sondern nun selbst in der Traumwelt steckt. Im Gegensatz dazu befindet sich das lyrische Du noch in der Realität und die Frage, ob das lyrische Du jemals in die Traumwelt des lyrischen Ichs eintauchen wird, bleibt ungeklärt. Anhand dessen lässt sich die Einsamkeit des lyrischen Ichs erneut widerspiegeln. Womöglich empfindet das lyrische Du die Natur nicht in derselben Weise wie da lyrische Ich. Dennoch fühlt sich das lyrische Ich nicht einsam, sondern vollkommen und in der Traumwelt, der Transzendenz, angekommen.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Gedicht ein Paradebeispiel für die Epoche der Romantik darstellt. Motive wie Sehnsucht, das Entfliehen in eine Traumwelt sowie die Idealisierung der Natur kommen hierbei immer wieder zum Vorschein. Das lyrische Ich fühlt sich einsam und sehnt sich nach dem Entfliehen in eine Traumwelt, welche durch die Schönheit der Natur verkörpert wird. Das Entfliehen aus dem Alltag lässt sich auch auf Eichendorffs Leben übertragen. Er selbst hat sich nach einem Ausbruch aus seinem monotonen Alltag gesehnt und verkörperte diesen Wunsch in vielen seiner Werke.

Meiner Meinung nach ist das Gedicht gut verständlich und man kann sich gut in die Gefühlslage des lyrischen Ichs hineinversetzen. Es fühlt sich unverstanden und allein und wünscht sich nicht mehr als der Realität zu entkommen und sich in seine eigene Traumwelt zu begeben. Wie in vielen von Eichendorffs Werken hat er es geschafft, eine Parallele zwischen seinem Leben und seinem Gedicht zu schaffen.

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