Kafka, Franz - Gibs auf (Analyse)

Schlagwörter:
Franz Kafka, Interpretation, Zusammenfassung, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Gibs auf (Analyse)
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Referat

Franz Kafka: „Gibs auf“ (Interpretation)

Der 1922 entstandene Prosatext „Gibs auf“ von Kafka, handelt von dem Scheitern der Ziele, welche man sich setzt, durch die Gesellschaft. Eine Person will morgens zum Bahnhof gehen. Sie ist spät dran, da ihre Uhr eine andere Zeit anzeigt als die Turmuhr. Da die Person den Weg nicht finden kann, fragt sie einen Schutzmann, der ihr riet es aufzugeben.

Der Text wurde postum von Max Brod veröffentlicht, welcher ihm auch den Titel „Gibs auf“ verlieh. Somit kann man keine genaue Beziehung zwischen dem Titel und dem Autor fassen, doch verrät diese schon zu Anfang den Wendepunkt, in welchem der Schutzmann anstatt zu helfen dem Protagonisten riet es aufzugeben.

Ich beginne mit der textimmanenten Interpretation. Der Schreibstil Kafkas ist wie auch in der „kleinen Fabel“ oder „Der Fahrgast“ hypotaktisch aufgebaut. Er verwendet Satzkonstruktionen, welche aus vielen, mit Komma aneinandergereihten, Sätzen besteht. Diese führen beim Leser zu einem gehetzten Gefühl, da auch der Protagonist sich „sehr beeilen“ (Z. 4) muss. Der Erzähler ist ein Ich-Erzähler und berichtet im Präteritum. Zudem gibt es auch etwas wörtliche Reden, wie in Zeile acht bis zehn, welche wie so oft in Franz Kafkas Erzählungen komprimiert sind. Aber nicht nur die wörtliche Rede ist klein gehalten, es gibt lediglich zwei unbenannte Charaktere in diesem Prosatext, und zwar der namenlose Protagonist und der „Schutzmann“ (Z. 7) als Antagonist. Die Namenlosigkeit der Figuren ist auch stilistisch für Kafka, wie man es auch in den Parabeln der „Kaufmann“ und der „Fahrgast“ findet. Die Umgebung ist eine wahrscheinlich ältere, nicht viel bewohnte Stadt mit einer „Turmuhr“ (Z. 2) und einem „Bahnhof“ (Z. 2). Außerdem ist die Zeit „früh am Morgen“ (Z. 1). Somit ist die Stimmung zu Beginn in den ersten beiden Zeilen eher ermüdet. Doch dies ändert sich schon darauffolgend, indem das Uhranmelder eine gehetzte und unsichere Stimmung hervorstürzt.
Dies ändert sich noch einmal zum Schluss, als der Schutzmann in Zeile zehn das Aufgeben rät und somit eine heruntergedrückte pessimistische Stimmung zur Folge hat.

Anhand dieser Stimmungswechsel kann man „Gibs auf“ in drei Abschnitte einteilen. Der erste Teil begrenzt sich auf den ersten Satz, welcher von Zeile eins bis zwei verläuft. Dort ist die Stimmung noch normal und wir erfahren etwas von der Tageszeit „früh am Morgen“ (Z. 1), der „leer[en]“ (Z. 1) Umgebung und der Absicht des Protagonisten, zum „Bahnhof“ (Z. 2) zu gehen. Dieser Satz leitet die Erzählung ein. Hier gibt es auch ein Kontrast bei „früh“ (Z. 1) und „später“ (Z. 3), welches für den Anfang und den Verlauf der Parabel stehen. Die Hyperbel „sehr früh“ (Z. 1) bekräftigt die Zeitangabe. Ein Oxymoron, welches auf eine Tautologie folgt, finden wir auch in Zeile eins, da Straßen nicht wirklich rein sein können. Der zweite Abschnitt beginnt nun in Zeile zwei und geht bis Zeile sechs. Dort gibt’s ein Wechsel der Stimmung in Verbindung mit der Zeit. Der Protagonist schaut auf die Turmuhr und bemerkt, dass seine Uhr falsch geht und er sich beeilen muss. Die Situation dramatisiert sich, als er den Weg nicht finden kann.

„Turmuhr“ (Z. 2) und die „Uhr“ (Z. 2) des Protagonisten stehen wieder im Kontrast zueinander. Die Turmuhr hat zudem eine hieratische Bedeutung, da sie Orientierung darstellt. Der Ich-Erzähler orientiert sich an der Zeit der Turmuhr. Somit steht diese auch als ein Motiv der Zeit. Die Dramatik der Situation wird mit den Hyperbeln „viel später“ (Z. 3) und „sehr beeilen“ (Z. 3) erreicht, welche zudem eine schnelle Stimmung aufkommen lassen. Wiederum die Hyperbel „sehr gut“ (Z. 6) bewirkt Unsicherheit beim Leser. Hier kommt auch der „Weg“ (Z. 5) vor, welchen wir noch zwei weitere Male in den Zeilen acht und neun finden. Dieser ist ein sehr bekanntes Motiv Kafkas, welcher in sehr vielen Erzählungen zu finden ist.

Zudem ist eine Steigerung mit „musste mich sehr beeilen“ (Z. 4) und „ich lief zu ihm“ (Z. 7) zu erkennen. Der nächste Abschnitt verläuft von Zeile sechs bis acht. Dort erkennen wir mit der Entdeckung eines „Schutzmann[es]“ (Z. 7) einen Hoffnungsschimmer, auf welchem ein Wendepunkt folgt.

„glücklicherweise“ (Z. 6) ist ein Euphemismus, welcher fast schon ironisch klingt. Die „Nähe“ (Z. 7) steht des Weiteren in Kontrast zu den „leeren“ (Z. 1) Straßen. Das Adjektiv „atemlos“ (Z. 8) dramatisiert die Situation und lässt die Hoffnung auf Hilfe größer werden. Nun im letzten Abschnitt ist der Wendepunkt zu finden, als der Schutzmann dem Protagonisten rät: „Gib auf“ (Z. 10). Dies beginnt mit einem ironischen „lächeln“ (Z. 8) gefolgt von einer rhetorischen Frage des Schutzmannes: „Von mir willst du den Weg erfahren?". Dies lässt den Schutzmann zynisch und die Situation grotesk wirken. Die Kernaussage wird in einer Wiederholung des Schutzmannes zusammengefasst „Gibs auf, gibs auf“ (Z. 10). Dieser Wendepunkt lässt die Hoffnung erlöschen und führt zu der Lebens pessimistischen Stimmung, welche wir von Kafkas Werken sehr gut kennen. Der „große Schwung“ (Z. 11) zeigt die hierarchische Weise des Schutzmannes und stellt ein komplementäres Verhältnis zu den beiden Akteuren dar. Die Parabel endet mit einem Vergleich „so wie“ (Z. 11) und einer verspotteten Art.

Nun komme ich zur theologischen Interpretation. Auch wenn Kafka jüdischer Herkunft war, erkennt man in dieser Erzählung Züge des Christentums. Somit kann man die „Turmuhr“ in Zeile zwei als die Kirchenuhr sehen, welche von Gott gesteuert wird. Somit steht das Motiv Zeit jetzt für die noch verbleibende Lebenszeit des Ich-Erzählers. In der christlichen Religion wird Gott als Hüter über die Lebenden gesehen und er entscheidet auch über die Zeit, welche einem noch auf Erden übrig bleibt. Der „Bahnhof“ (Z. 2) ist als Lebensziel und der Sinn des Lebens, welche es vor dem Tod zu erreichen gibt. Der „Schutzmann“ (Z. 6) hat die Aufgabe, den Ich-Erzähler aufzuhalten, somit kann man ihn als Sünde sehen, welche dafür sorgt, dass die Zeit der Person vergeht, ohne weiter an das Ziel zu gelangen. Deshalb könnte man diese Parabel als eine Warnung sehen, nicht zu sündigen, da Gott die Zeit bestimmt.

Eine sehr interessante Interpretation ist auch die historische Deutung. Diese Erzählung entstand, wie schon in der Einleitung gesagt, im Jahre 1922 und gehört zur Epoche des Expressionismus. Dieser spielt in dieser Erzählung eine große Rolle durch den Stress des Fortschrittes und den darauffolgenden Stress, beziehungsweise damalig genannte Nervosität. Somit spielt hier auch die Urbanisierung und das Ende des Ersten Weltkrieges eine große Rolle. Durch den Krieg rutschten die Menschen immer mehr in die Armut und Arbeitslosigkeit, so verspricht man sich auf dem Land, dass die Menschen in der Stadt schneller Arbeit finden und mehr Geld verdienen. Somit ziehen viele vom Land in die Städte, welche dadurch immer größer und unübersichtlicher werden. Dies zeigt sich in der Parabel durch die Orientierungslosigkeit des Ich-Erzählers (Z. 5). Die Stadt zur damaligen Zeit stilistisch für feste Straßen und keine Waldwege, welche es in Dörfern zu finden sind. Dies findet sich auch in „Gibs auf!“ wieder, da dort „die Straßen [als] rein“ (Z. 1) bezeichnet werden, welches auch im Kontrast steht zu den aus Erde und Dreck bestehenden Straßen auf dem Land. Die Stadt wird immer voller und viele sehnen sich nach der Freiheit auf dem Land. Diese Freiheit wird in der Parabel mit dem Erreichen des „Bahnhof[es]“ (Z. 1) gleichgestellt. Dazu steht der „Schutzmann“ (Z. 7) für die Hürden, welche bei einem Umzug auf einen zu kommen. Somit steht diese Parabel stilistisch für die Sehnsucht der Menschen in den Städten nach dem Leben auf dem Land.

Ein weiterer Deutungsansatz ist die psychoanalytische Deutung. Der Ich-Erzähler besitzt somit zwei Persönlichkeiten. Er selbst verkörpert den Hilfesuchenden und die Autoritätsperson, der „Schutzmann“ (Z. 7). Es gibt viele Wege, den Bahnhof zu erreichen, zudem sind Bahnhöfe meist gut ausgeschildert und der ich -Erzähler kannte den Weg, doch ist sich nur unsicher (vgl. Z. 5). Diese Unsicherheit führt dazu, dass der Erzähler, welcher gerade noch motiviert und zielsicher war(vgl. Z. 1), jetzt zu einer pessimistischen Stimmung wechselt. Dazu wird der Schutzmann als einen weiteren Teil seiner Persönlichkeit gesehen, welche dafür da ist, aus Selbstschutz alles was schiefgehen kann zu verhindern. Dies kann man als ein melancholischer Persönlichkeitstyp gesehen, welcher nun in einer Stresssituation, das zu spät dran sein(vgl. Z. 3), zum Vorschein kommt. Dies führt auch dazu, dass die Person sich selbst sagt „Gibs auf", (Z. 10) da sie keinen Weg sieht, das Ziel noch zu erreichen. Somit ist das zweite „gibs auf“ (Z. 10) keine Bekräftigung, was eine Wiederholung eigentlich bewirken soll, sondern ein eher resignierter Ausruf seiner Selbst, da er mit sich und seiner Entscheidung unzufrieden ist. Zudem wendet sich diese melancholische Persönlichkeit in Zeile elf jedoch ab und zurückbleibt ein enttäuschter Ich-Erzähler. Anhand dieser Erkenntnis ist die Erzählung eine Beschreibung, wie man durch eine Stresssituation schnell aufgibt und das Ziel unerreicht bleibt.

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