Bertolt Brecht - Schlechte Zeit für Lyrik

Schlagwörter:
Interpretation, Gedicht, Nationalsozialismus, Hitler, Referat, Hausaufgabe, Bertolt Brecht - Schlechte Zeit für Lyrik
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Interpretation des Gedichtes „Schlechte Zeit für Lyrik“ von Bertolt Brecht

Hausaufgabe Deutsch- LK, von Lisa Borgert

Schlechte Zeit für Lyrik
von Bertolt Brecht

Ich weiß doch: nur der Glückliche
Ist beliebt. Seine Stimme
Hört man gern. Sein Gesicht ist schön.
 
Der verkrüppelte Baum im Hof
Zeigt auf den schlechten Boden, aber
Die Vorübergehenden schimpfen ihn einen Krüppel
Doch mit Recht.
 
Die grünen Boote und die lustigen Segel des Sundes
Sehe ich nicht. Von allem
 
10 
Sehe ich nur der Fischer rissiges Garnnetz.
11 
Warum rede ich nur davon
12 
Daß die vierzigjährige Häuslerin gekrümmt geht?
13 
Die Brüste der Mädchen
14 
Sind warm wie ehedem.
 
15 
In meinem Lied ein Reim
16 
Käme mir fast vor wie Übermut.
 
17 
In mir streiten sich
18 
Die Begeisterung über den blühenden Apfelbaum
19 
Und das Entsetzen über die Reden des Anstreichers.
20 
Aber nur das zweite
21 
Drängt mich, zum Schreibtisch.

(„Schlechte Zeit für Lyrik“ von Bertolt Brecht ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.7 KB) zur Unterstützung an.)

Bertolt Brecht (1898- 1956) schrieb das Gedicht „Schlechte Zeit für Lyrik“ 1939 im Exil während des Nationalsozialismus in Deutschland. Er drückt in ihm seinen inneren Konflikt zwischen der Begeisterung über die Schönheit und Idylle der Natur und dem Entsetzen über die politische Situation aus, und wie sich dieser auf sein Schreiben auswirkt.

Das Gedicht besteht aus sechs Strophen mit unterschiedlich vielen und unregelmäßig langen Zeilen. Es gibt kein festes Versmaß, keine Reimform und viele Zeilensprünge. Die Sprache ist nüchtern.

Durch das Fehlen eines festen Musters und besonderer Ausschmückungen entfernt sich Brecht von der bisherigen Lyrik, in der Klang, feste Formen und Rhythmen wichtig gewesen waren. Der unregelmäßige, einfache Aufbau passt zu dem Gehalt des Gedichtes und hebt ihn stärker hervor. Der Leser soll sich nur auf den Inhalt konzentrieren.

In der fünften Strophe bezeichnet Brecht das Gedicht als ein Lied, ich würde es jedoch eher ein politisch- kritisches persönliches Auseinandersetzungsgedicht nennen, da es nicht die Harmonie eines Liedes hat.

Bei dem lyrischen Ich dieses Gedichtes handelt es sich höchstwahrscheinlich um den Verfasser selbst, also Bertolt Brecht, was zum einen nahe liegt, da Brecht dieselben Ansichten hatte wie das lyrische Ich sie in dem Gedicht sie hat, und zum anderen an einigen Stellen im Gedicht deutlich wird (nähere Ausführungen folgen).

Das lyrische Ich spielt eine wichtige Rolle. Das wird deutlich daran, dass das Gedicht mit dem Personalpronomen „Ich“ beginnt und auch viele weitere Pronomen der ersten Person wie „meinem“, „mir“, „mich“ und „ich“ enthält.

In der ersten, aus drei Zeilen bestehenden Strophe wird der Leser ohne Einleitung in den Gedankenstrom Brechts hinein geworfen. Brecht beginnt mit der Feststellung, dass nur der Glückliche beliebt, gern gehört und schön sei. Dies zeigt, dass er sich bewusst ist, welche Folgen sein kritisches Schreiben haben wird. Er weiß, dass er sich dadurch bei vielen Leuten unbeliebt macht. Durch die einfachen, kurzen Sätze dieser ersten Strophe wird außerdem deutlich, wie einfach und oberflächlich es von den Menschen ist, sich nur dem Glücklichen zuzuwenden.

Die zweite Strophe, die aus vier Zeilen besteht, beginnt mit dem im Gegensatz zu den Schlüsselwörtern der ersten Strophe („der Glückliche“, „gern“, „schön“) stehenden „verkrüppelten Baum“. Es wirkt, als schaue Brecht in diesem Moment aus dem Fenster und sehe die Realität, den verkrüppelten Baum. Er hebt jedoch hervor, dass allein der schlechte Boden Grund für das verkrüppelte Wachstum des Baumes sei. Die Menschen jedoch beschimpfen den Baum, nicht den Boden. Dieses Bild stellt Brechts Situation dar und bestätigt die Feststellung in der ersten Strophe. Die Gründe dafür, dass Brecht nicht zu den glücklichen, beliebten und gern gehörten Menschen gehören kann, sind die äußeren Umstände, also die politische Situation. Sie lässt nicht zu, dass er klangvolle und harmonische Gedichte über die Schönheit der Natur schreibt, sondern zwingt ihn dazu, über weniger schöne weniger klangvolle Dinge zu schreiben. Die Menschen allerdings schimpfen Brecht statt die Gründe für sein kritisches Schreiben, genauso wie sie den Baum statt den schlechten Boden schimpfen.

In der vierten Zeile der zweiten Strophe stimmt Brecht den Leuten, die den Baum und ebenso ihn schimpfen, zu. Der Baum ist ein Krüppel, genauso wie er ein Unglücklicher ist, auch wenn beide nur durch die äußeren Umstände dazu gemacht wurden.

Die dritte Strophe, die nur zwei Zeilen lang ist, beginnt plötzlich wieder mit einem idyllischen Bild: „grünen Boote“ und „lustigen Segel“. Jedoch wird dieses Bild in der zweiten Zeile durch die Worte „Sehe ich nicht“ wieder zerstört.

In der vierten Strophe wird deutlich, dass Brecht selbst in dem idyllischen Bild nur die harte Realität sieht: „Der Fischer rissiges Garnnetz“. Das rissige Garnnetz, ein Zeichen für harte Arbeit und schlechte Bedingungen, spielt eine ähnliche Rolle für die Fischer wie der schlechte Boden für den Baum und die schlechte politische Situation für Brecht. Erneut wird verdeutlicht, dass es unter schlechten Bedingungen nicht möglich ist, glücklich, schön und beliebt zu sein.

Brecht ist bewusst, dass er nur den schlechten Dingen Beachtung schenkt und die schönen Dinge übersieht, und er fragt sich selbst nach dem Grund. Er stellt sich die Frage, warum er nur davon rede, dass die Häuslerin gekrümmt gehe, obwohl die Brüste der Mädchen so warm wie ehedem seien.

In der fünften zweizeiligen Strophe begründet Brecht den formlosen Aufbau des Gedichtes. Durch eine Invasion ist diese Strophe genauso aufgebaut wie die dritte: Die erste Zeile wirkt durch die langen Vokale und das mehrfache Wiederholen des Konsonanten „m“ (Klangmalerei) klangvoll und harmonisch. In der zweiten Zeile wird diese Harmonie wieder vernichtet. Brecht macht deutlich, dass eine klangvolle Form in Zeiten wie diesen nicht angemessen sei.

Erst in der sechsten Strophe spricht Brecht seinen inneren Konflikt an und der Sinn des Gedichtes wird dem Leser deutlich. Es handelt sich also um einen tektonischen Aufbau. Brecht beschreibt, dass sich in ihm die Begeisterung über den blühenden Apfelbaum und das Entsetzen über die Reden des Anstreichers, womit Hitler gemeint ist, streiten. Durch das Verb „streiten“ und durch die starke Gegenüberstellung von der „Begeisterung“ und dem „Entsetzen“ wird klar, dass es sich um einen inneren Konflikt handelt. Doch auch, wenn er die Schönheit der Natur, wie den blühenden Apfelbaum, immer noch sieht, erscheint es ihm wichtiger in seinem Entsetzen über Hitler zu schreiben, welches ihn „zum Schreibtisch drängt“.

In dem Gedicht „Schlechte Zeit für Lyrik“ wird meiner Meinung nach sehr gut deutlich, warum Brecht nicht mehr über die Schönheit der Natur schreiben kann. Es erklärt seinen Beweggrund zum Schreiben und seine Einstellung zur politischen Situation. Der Leser erfährt, dass es für Brecht unmöglich ist, die Augen vor der Realität zu schließen, und dass die Zeit dadurch einen Einfluss auf die Lyrik bekommt. Die schlechten Bedingungen zu dieser Zeit machen sie zu einer „schlechten Zeit für Lyrik“.

Zurück