Dem Befreiten von Louise Otto-Peters

Ich hatte keine Thaten, nur Gebete,
Ich war nur groß im Dulden und Ertragen,
Ich wußt’ es nur: ich durfte nicht verzagen,
Gott war mit uns, zu dem ich brünstig flehte.
 
Da kam ein Tag, an dem sein Odem wehte,
Der Freiheit Himmelsstunde ließ er schlagen,
Daß wir einander Herz am Herzen lagen
Und Jubelseufzer waren unsre Rede.
 
O süße Wonne! seliges Genießen
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Nach treuem Harren, Dulden und Entbehren –
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Welch Triumphieren, daß wir nie uns ließen!
 
12 
Wie könnten wir den Freudenthränen wehren,
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Die Aug’ in Aug’ beseligt niederfließen
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Und so die Macht, die uns beschützt, verehren?
 
15 
II.
 
16 
Wir werden, Herz an Herz, Gedichte leben,
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Wenn dieser Trennung herbe Qual bezwungen!
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So hofften wir, da wir im Leid gerungen,
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Uns nur begrüßt, getrennt von Eisenstäben.
 
20 
Sonette leben! o die Reime weben,
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Sich ja von selbst, so bald wir uns umschlungen,
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Um in der Liebe süßen Huldigungen,
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Wie Reim um Reim, uns Kuß um Kuß zu geben.
 
24 
Vor Kerkerthüren hab’ ich sonst gestanden,
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Auf Deinen Anblick harrend voller Bangen,
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Zerdrückte Thränen auf den bleichen Wangen.
 
27 
Heut aber bin ich selbst in Deinen Banden,
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Mit starken Armen hältst Du mich umfangen,
29 
Und nach der Freiheit trag’ ich kein Verlangen!
 
30 
III.
31 
Am Geburtstag 4. März.
 
32 
Die erste Lerche hört’ ich draußen singen
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Wohl manchmal schon an diesem Weihetage,
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Und immer war’s, als ob sie selbst noch frage:
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Werd’ ich schon jetzt den schönen Frühling bringen.
 
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Und immer war’s, als ob auf ihren Schwingen
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Sie nähme meinem Herzen jede Klage,
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Und weit hinweg in alle Lüfte trage,
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Als Jubelhymnus nur zurück zu klingen!
 
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Doch anders heut – als ich ihr Lied vernommen
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Erklang es gleich als jauchzender Päan:
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Nun ist der Lenz schon wirklich angekommen.
 
43 
So zuversichtlich ist mir heut zu Sinnen,
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Daß diese Lenzverkündigung kein Wahn,
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Daß er schon kam und daß ich mitten drinnen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Dem Befreiten“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
45
Anzahl Wörter
301
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Dem Befreiten“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst, einer deutschen Dichterin, Frauenrechtlerin und Journalistin des 19. Jahrhunderts. Das genaue Entstehungsjahr des Gedichts ist nicht bekannt, dennoch lässt sich das Werk zeitlich in die Mitte bis späte Epoche des 19. Jahrhunderts einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist zunächst von einer intensiven emotionalen Stimmung geprägt. Es geht offensichtlich um eine Transformation, eine Befreiung. In den ersten Zeilen wird ein Bild von Resignation und Passivität gemalt, die stetige Hoffnung und den Glauben an Gott beinhaltet. Das lyrische Ich beschreibt seine Leiden und Ängste in der Vergangenheit und betont dabei seine Tapferkeit und Geduld.

Der Inhalt des Gedichts scheint eine Art Liebesbeziehung darzustellen, allerdings nicht im herkömmlichen Sinn. Es könnte sich hierbei vielmehr um die metaphorische Darstellung der Beziehung des lyrischen Ichs zur Freiheit handeln. Das Gedicht beinhaltet eine deutliche Wendung: Es beginnt mit Beschreibungen von Leid und Rückzug, schwenkt dann aber um in Freude und Befreiung, ausgelöst durch einen Tag, an dem die „Freiheit Himmelsstunde“ schlägt. Das Gedicht endet damit, dass das lyrische Ich keine Freiheit mehr verlangt, da es nun gleich selbst in „Banden“ ist.

Hinsichtlich der Form des Gedichts fällt auf, dass die Strophen unterschiedlich lang sind. So gibt es sowohl vierzeilige, als auch dreizeilige und zweizeilige Strophen. Die Metrik und das Reimschema sind ebenfalls recht variabel, was eine ungezwungene, fließende Atmosphäre schafft.

Die Sprache des Gedichts ist sehr emotional und bildhaft. Durch die Verwendung von Metaphern und symbolischen Ausdrücken wie „Freude tränen“, „Herz am Herzen“ oder „Sonnets leben“ wird eine eher abstrakte Ebene von Gefühlen und Zuständen geschaffen, die der konkreten Handlung zugrunde liegt. Dabei wird vor allem die sprachliche Bildlichkeit genutzt, um intensive Emotionen zu vermitteln.

Insgesamt bietet das Gedicht „Dem Befreiten“ von Louise Otto-Peters eine tiefgreifende Reflexion über Leid, Geduld, Hoffnung und letztlich Befreiung. Dabei wird die Macht der Liebe und der Poesie als befreiende Kräfte hervorgehoben. Darüber hinaus könnte das Gedicht auch als Kommentar zur gesellschaftlichen Situation der Frauen im 19. Jahrhundert gelesen werden, indem das lyrische Ich als Symbol für die unterdrückte und letztlich befreite Frau stehen könnte.

Weitere Informationen

Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Dem Befreiten“. Geboren wurde Otto-Peters im Jahr 1819 in Meißen. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1860 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 45 Versen mit insgesamt 14 Strophen und umfasst dabei 301 Worte. Die Gedichte „Am Schluß des Jahres 1849“, „Am längsten Tage“ und „An Alfred Meißner“ sind weitere Werke der Autorin Louise Otto-Peters. Zur Autorin des Gedichtes „Dem Befreiten“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.

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