Altes Kamin-Stück von Heinrich Heine

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.
 
Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.
 
Und ein Kätzchen sitzt daneben,
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Wärmt die Pfötchen an der Glut;
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Und die Flammen schweben, weben,
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Wundersam wird mir zumut'.
 
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Dämmernd kommt heraufgestiegen
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Manche längst vergeßne Zeit,
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Wie mit bunten Maskenzügen
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Und verblichner Herrlichkeit.
 
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Schöne Fraun, mit kluger Miene,
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Winken süßgeheimnisvoll,
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Und dazwischen Harlekine
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Springen, lachen, lustigtoll.
 
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Ferne grüßen Marmorgötter,
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Traumhaft neben ihnen stehn
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Märchenblumen, deren Blätter
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In dem Mondenlichte wehn.
 
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Wackelnd kommt herbeigeschwommen
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Manches alte Zauberschloß;
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Hintendrein geritten kommen
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Blanke Ritter, Knappentroß.
 
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Und das alles zieht vorüber,
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Schattenhastig übereilt
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Ach! da kocht der Kessel über,
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Und das nasse Kätzchen heult.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Altes Kamin-Stück“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
129
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Altes Kamin-Stück“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Die genaue Veröffentlichungszeit ist nicht bekannt, aber es kann angenommen werden, dass das Gedicht in Heines reifer Schaffensphase entstand, etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Bei der ersten Lektüre erzeugt das Gedicht einen ruhigen, sinnlichen und nostalgischen Eindruck. Es beschreibt eine Szene in einem warmen, gemütlichen Zimmer, während draußen ein Sturm tobt. Das lyrische Ich sitzt in einem Sessel am Kamin, und während es das knisternde Feuer und den summen des Wasserkessels beobachtet, wird es von Erinnerungen und Fantasien überflutet. Die Szenerie ist gleichzeitig alltäglich und kontemplativ: Während das lyrische Ich die vertraute und beruhigende Präsenz des warmen Kamins und des Kätzchens neben ihm wertschätzt, tauchen in seinen Gedanken Bilder aus der Vergangenheit auf, die ihm sowohl Freude als auch Melancholie bereiten.

Die Struktur des Gedichts ist streng und regelmäßig, jedes der acht Strophen enthält vier Verse. Der Sprachstil ist lebhaft und detailreich, mit lebendigen Beschreibungen und konkreten Bildern, die zur Atmosphäre des Gedichts beitragen. Der Dichter verwendet auch zahlreiche Gegensätze und Kontraste, wie die Wärme des Innenraums gegenüber dem kalten Sturm draußen, oder die Ruhe des gegenwärtigen Augenblicks gegenüber der Aufregung und dem Aktivismus der vergangenen Zeiten. Dieser Kontrast zeigt die Dualität unseres Daseins und spiegelt die komplexen Emotionen wider, die die Erinnerung hervorrufen kann.

Form und Sprache des Gedichts unterstreichen seine thematischen Motive und seine Atmosphäre. Es ist sowohl ein Beispiel für Heines handwerkliches Können als Dichter, als auch ein tiefer Einblick in seine innere Welt und seine Gefühlswelt. Der letzte Vers, in dem das Wasser überkocht und das Kätzchen aufschreit, drückt die Einsicht aus, dass diese illusionäre Reise in die Vergangenheit nun vorbei ist und die Realität des Hier und Jetzt zurückkehrt. Damit endet das Gedicht auf einer Melancholie, die die Schönheit und die Traurigkeit des vorangegangenen Erlebnisses unterstreicht. Das Gedicht ist somit nicht nur eine poetische Beschreibung einer winterlichen Nacht am Kamin, sondern auch eine Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens und die Kraft der Erinnerung.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Altes Kamin-Stück“ des Autors Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Im Zeitraum zwischen 1813 und 1856 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 129 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“, „Ahnung“ und „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“. Zum Autor des Gedichtes „Altes Kamin-Stück“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.

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