Wir und sie von Friedrich Gottlieb Klopstock

1	Was that dir, Thor, dein Vaterland?
2	Dein spott' ich, glüht dein Herz dir nicht
3	Bey seines Namens Schall!
4	Sie sind sehr reich! und sind sehr stolz!
5	Wir sind nicht reich! und sind nicht stolz!
6	Das hebt uns über Sie!
7	Wir sind gerecht! das sind Sie nicht!
8	Hoch stehn Sie! träumen's höher noch!
9	Wir ehren fremd Verdienst!
10	Sie haben hohen Genius!
11	Wir haben Genius; wie Sie!
12	Das macht uns ihnen gleich!
13	Sie dringen in die Wissenschaft
14	Bis in ihr tiefstes Mark hinein!
15	Wir thun's! und thaten's lang!
16	Wen haben Sie, der kühnes Flugs,
17	Wie Händel Zaubereyen tönt?
18	Das hebt uns über Sie!
19	Wer ist bey ihnen, dessen Hand
20	Die trunkne Seel' im Bilde täuscht?
21	Selbst Kneller gaben Wir!
22	Wenn traf ihr Barde ganz das Herz?
23	In Bildern weint er! Griechenland,
24	Sprich du Entscheidung aus!
25	Sie schlagen in der finstern Schlacht,
26	Wo Schiff an Schiff sich donnernd legt!
27	Wir schlügen da, wie Sie!
28	Sie rücken auch in jener Schlacht,
29	Die Wir allein verstehn! heran:
30	Vor Uns entflöhen Sie!
31	O sähn Wir Sie in jener Schlacht,
32	Die Wir allein verstehn! einst dicht
33	Am Stahl, wenn er nun sinkt,
34	Hermanne unsre Fürsten sind!
35	Cherusker unsre Heere sind,
36	Cherusker, kalt, und kühn!
37	Was that dir, Thor, dein Vaterland?
38	Dein spott' ich, glüht dein Herz dir nicht
39	Bey seines Namens Schall!

Details zum Gedicht „Wir und sie“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wir und sie“ von Friedrich Gottlieb Klopstock, der in die Zeit der Aufklärung und des Sturm und Drang einzuordnen ist, thematisiert auf den ersten Blick Unterschiede oder Konflikte zwischen zwei Gruppen.

Inhaltlich stellt das lyrische Ich kontrastierende Charakteristika, Verhaltensweisen oder Leistungen von der Gruppe „Wir“ und der Gruppe „Sie“ dar. Jedoch bleibt grundsätzlich offen, wer die beiden Gruppen konkret darstellt. Das gedicht wirkt wie eine Art Diskussion oder Debatte, in der die Gruppe „Wir“ sich selbst als gerecht, nicht stolz, gleich großzügig und wissenschaftlich interessiert wie die andere Gruppe darstellt. Die Gruppe „Sie“ wird hingegen als stolz und ungerecht beschrieben. Zudem hebt das lyrische Ich besondere Leistungen der Gruppe „Wir“ hervor, wie beispielsweise besondere musikalische Fähigkeiten oder künstlerisches Talent, um eine Überlegenheit darzustellen.

Was die Form des Gedichts anbelangt, besteht es aus 13 Strophen zu je drei Versen. Die Versform ist somit ein terzett. Bezüglich des Reimschemas ist kein durchgehendes Schema erkennbar, was den fließenden, argumentativen Charakter der Äußerungen unterstützt.

Die Sprache des Gedichts ist altmodisch, was der Zeit Klopstocks entsprechend ist. Wiederkehrende Formulierungen wie „Wir sind…“ oder „Sie sind…“ erzeugen einen rhythmischen Fluss und bauen eine kontrastierende Struktur auf. Der Gebrauch der Ausrufezeichen verleiht bestimmten Äußerungen Nachdruck und zeigt die Emotionen des lyrischen Ichs.

Insgesamt kann das Gedicht als Ausdruck nationalen Bewusstseins oder auch als Aufruf zu einem stärkeren nationalen oder kulturellen Selbstbewusstsein gedeutet werden. Es spielt offensichtlich auf eine Konkurrenzsituation zwischen zwei Nationen oder Kulturen an und ruft zur Selbstreflexion und Selbstachtung auf.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wir und sie“ ist Friedrich Gottlieb Klopstock. Der Autor Friedrich Gottlieb Klopstock wurde 1724 in Quedlinburg geboren. In der Zeit von 1740 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Empfindsamkeit zugeordnet werden. Der Schriftsteller Klopstock ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 215 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 39 Versen mit insgesamt 13 Strophen. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock ist auch der Autor für Gedichte wie „Die höheren Stufen“, „Die Unschuldigen“ und „Losreißung“. Zum Autor des Gedichtes „Wir und sie“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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