Zwei Liebchen von Eduard Mörike

Ein Schifflein auf der Donau schwamm,
Drin saßen Braut und Bräutigam,
Er hüben und sie drüben.
 
Sie sprach: »Herzliebster, sage mir,
Zum Angebind was geb ich dir?«
 
Sie streift zurück ihr Ärmelein,
Sie greift ins Wasser frisch hinein.
 
Der Knabe, der tät gleich also,
Und scherzt mit ihr und lacht so froh.
 
10 
»Ach, schöne Frau Done, geb sie mir
11 
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!«
 
12 
Sie zog heraus ein schönes Schwert,
13 
Der Knab hätt lang so eins begehrt.
 
14 
Der Knab, was hält er in der Hand?
15 
Milchweiß ein köstlich Perlenband.
 
16 
Er legt's ihr um ihr schwarzes Haar,
17 
Sie sah wie eine Fürstin gar.
 
18 
»Ach, schöne Frau Done, geb' sie mir
19 
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!«
 
20 
Sie langt hinein zum andernmal,
21 
Faßt einen Helm von lichtem Stahl.
 
22 
Der Knab vor Freud entsetzt sich schier,
23 
Fischt ihr einen goldnen Kamm dafür.
 
24 
Zum dritten sie ins Wasser griff:
25 
Ach weh! da fällt sie aus dem Schiff.
 
26 
Fr springe ihr nach, er faßt sie keck,
27 
Frau Tone reißt sie beide weg:
 
28 
Frau Tone hat ihr Schmuck gereut,
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Das büßt der Jüngling und die Maid.
 
30 
Das Schifflein leer hinunterwallt;
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Die Sonne sinkt hinter die Berge bald.
 
32 
Und als der Mond am Himmel stand,
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Die Liebchen schwimmen tot ans Land,
34 
Er hüben und sie drüben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Zwei Liebchen“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
34
Anzahl Wörter
210
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Zwei Liebchen“ und stammt von dem deutschen Lyriker Eduard Mörike, der in der Zeit des Biedermeier und des Realismus von 1804 bis 1875 lebte.

Beim ersten Durchlesen fällt die einfache und volksliedhafte Sprache auf, die dennoch eine düstere Stimmung erzeugt. Die Handlung wirkt spielerisch, fast märchenhaft, endet aber tragisch.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um ein junges verliebtes Paar – eine Braut und einen Bräutigam – die auf einem Schiff auf der Donau unterwegs sind. Sie sitzen auf unterschiedlichen Seiten des Schiffes und tauschen liebevolle Gesten und Worte aus. Sie fischen im Wasser nach Geschenken für den jeweils anderen. Das Mädchen fischt ein Schwert, einen Helm und schließlich stürzt sie beim dritten Versuch ins Wasser. Der Jüngling springt hinterher, um sie zu retten, doch beide werden von der Strömung („Frau Tone“) mitgerissen und ertrinken. Das verlassene Schiff treibt weiter, während die Sonne untergeht. Am Ende des Gedichts werden die Leichen des Paares an Land gespült - wiederum auf beiden Seiten des Flusses.

Das lyrische Ich scheint von außen auf die Szene zu blicken und berichtet in einer neutralen, beobachtenden Perspektive. Durch den Verlauf wird die Unbeschwertheit und Leichtsinnigkeit der jungen Liebe in Kontrast zur gnadenlosen, tödlichen Natur gesetzt. Es scheint, als wollte Mörike auf die Vergänglichkeit des Lebens und die Unvorhersehbarkeit des Schicksals hinweisen.

Sprachlich und formal ist das Gedicht in den Stil des Volksliedes eingebunden, geprägt durch einen einfachen Sprachstil und einen wiederkehrenden Refrain. Jede Strophe besteht aus zwei oder drei Versen, die meist ein Ganzes bilden und oft mit einem Paarreim versehen sind. Die wiederkehrenden Worte „er hüben und sie drüben“ am Anfang und am Ende des Gedichts rahmen die Handlung ein und schaffen gleichzeitig eine symmetrische Struktur. Der einfache Stil und die klare, bildhafte Sprache tragen zur allgemeinen Verständlichkeit und Eindringlichkeit des Gedichts bei. Es entsteht ein flüssiger Rhythmus, der das Lesen erleichtert und zur Atmosphäre des Gedichts beiträgt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zwei Liebchen“ des Autors Eduard Mörike. Der Autor Eduard Mörike wurde 1804 in Ludwigsburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1820 und 1875. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Bei Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 210 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 34 Versen mit insgesamt 16 Strophen. Die Gedichte „Gebet“, „Im Frühling“ und „Septembermorgen“ sind weitere Werke des Autors Eduard Mörike. Zum Autor des Gedichtes „Zwei Liebchen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 171 Gedichte veröffentlicht.

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