An S von Clemens Brentano
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Wie war dein Leben |
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So voller Glanz, |
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Wie war dein Morgen |
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So kindlich Lächlen, |
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Wie haben sich alle |
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Um dich geliebt, |
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Wie kam dein Abend |
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So betend zu dir, |
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Und alle beteten |
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An deinem Abend. |
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Wie bist du verstummt |
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In freundlichen Worten, |
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Und wie dein Aug' brach |
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In sehnenden Tränen, |
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Ach da schwiegen alle Worte |
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Und alle Tränen |
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Gingen mit ihr. |
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Wohl ging ich einsam, |
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Wie ich jetzt gehe, |
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Und dachte deiner, |
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Mit Liebe und Treue |
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Da warst du noch da |
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Und sprachst lächlend: |
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Sehne dich nimmer nach mir, |
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Da der Lenz noch so freudig ist |
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Und die Sonne noch scheint |
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Am stillen Abend, |
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Wenn die Rosen nicht mehr glühen |
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Und die Töne stumm werden, |
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Will ich bei dir sein |
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In traulicher Liebe, |
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Und dir sagen, |
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Wie mir am Tage war. |
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Aber mich schmerzte tief, |
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Daß ich so einsam sei, |
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Und vieles im Herzen. |
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O warum bist du nicht bei mir! |
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Sprach ich, und siehst mich |
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Und liebst mich, |
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Denn mich haben manche verschmäht, |
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Und ich vergesse nimmer, |
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Wie sie falsch waren |
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Und ich so treu und ein Kind. |
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Da lächeltest du des Kindes |
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Im einsamen Wege, |
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Und sprachst: harre zum Abend, |
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Da bist du ruhig |
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Und ich bei dir in Ruhe. |
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Dein Herz wie war es da, |
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Daß du nicht trautest, |
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Viel Schmerzen waren in dir, |
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Aber du warest größer als Schmerzen, |
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Wie die Liebe, die süßer ist, |
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Als all ihr Schmerz. |
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Und die Armut, der du gabst, |
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War all dein Trost, |
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Und die Liebe, die du freundlich |
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Anderen pflegtest, |
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War all deine Liebe. |
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Einsam ging ich nicht mehr, |
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Du warst mir begegnet |
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Und blicktest mich an |
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Scherzend war dein Aug' |
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Und deine Lippe so tröstend |
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Dein Herz lag gereift |
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In der liebenden Brust. |
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Freundlich sprachst du: |
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Nun ist bald Abend, |
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Gehe, vollende, |
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Daß wir dann ruhen, |
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Und sprechen vom Tage. |
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Wie ich mich wendete |
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Ach der Weg war so schwer! |
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Langsam schritt ich, |
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Und jeder Schritt wollte wurzeln, |
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Ich wollte werden wie ein Baum, |
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All meine Arme, |
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Blüten und Blätter, |
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Sehnend dir neigen. |
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Oft blickte ich rückwärts |
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Hin, wo du warst, |
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Da lagen noch Strahlen, |
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Da war noch Sonne |
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Und die hohen Bäume glänzten |
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Im ernsten Garten, |
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Wo du gingst. |
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Ach der Abend wird nicht kommen |
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Und die Ruhe nicht, |
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Auf Erden ist keine Ruhe. |
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Nun ist es Abend, |
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Aber wo bist du? |
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Daß ich dir sage, |
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Wie der Tag war. |
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Warum hörtest du mich nicht, |
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Als du noch da warst? |
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Nun bin ich einsam, |
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Und denke deiner |
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Liebend und treu. |
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Die Sonne scheint nicht, |
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Und die Rosen glühen nicht, |
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Stumm sind die Töne |
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O! warum kömmst du nicht, |
103 |
Willst du nicht halten, |
104 |
Was du versprachst? |
105 |
Willst du nicht hören, |
106 |
Soll ich nicht hören, |
107 |
Wie der Tag war? |
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Wie war dein Leben, |
109 |
So voller Glanz, |
110 |
Wie war dein Morgen |
111 |
So kindlich Lächlen, |
112 |
Wie habe ich immer |
113 |
Um dich mich geliebt, |
114 |
Wie kömmt dein Abend |
115 |
So betend zu mir, |
116 |
Und wie bete ich |
117 |
An deinem Abend. |
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118 |
Am Tage hörtest du mich nicht, |
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Denn du warst der Tag, |
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Du kamst nicht am Abend, |
121 |
Denn du bist der Abend geworden. |
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Wie ist der Tag verstummt |
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In freundlichen Worten, |
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Wie ist sein Aug' gebrochen |
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In sehnenden Tränen, |
126 |
Ach da schweigen alle meine Worte, |
127 |
Und meine Sehnsucht zieht mit dir. |
Details zum Gedicht „An S“
Clemens Brentano
19
127
537
1778 - 1842
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An S“ stammt von Clemens Brentano, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der zwischen 1778 und 1842 lebte. Brentano wird oft mit der Epoche der Romantik in Verbindung gebracht, was sich auch in der Emotionalität und der Hinwendung zu Naturmotiven in diesem Gedicht widerspiegelt.
Bereits beim ersten Lesen bekommt man den Eindruck, dass das lyrische Ich in diesem Gedicht vermutlich eine enge und emotive Beziehung zur Adresse S unterhält. Das Gedicht ist voller Gefühl und Sehnsucht und es wird deutlich, dass das lyrische Ich eine tiefe Traurigkeit über die Abwesenheit des Gegenübers empfindet.
Inhaltlich geht es in diesem Gedicht darum, dass das lyrische Ich über eine geliebte Person reflektiert, welche sich offenbar in irgendeiner Form entfernt hat oder verstorben ist. Es handelt von der Liebe und Verehrung des lyrischen Ichs gegenüber der Person, genannt S, der Ehrfurcht vor deren Leben, ihrer Art und Charakter, und der tiefen Traurigkeit und Einsamkeit, die das lyrische Ich in deren Abwesenheit empfindet.
Formal betrachtet, besteht das Gedicht aus mehreren Strophen unterschiedlicher Länge mit Versen, die überwiegend aus kurzen, einfachen Sätzen bestehen. Die Art und Weise, wie die Verse organisiert sind, gibt dem Gedicht einen rhythmischen Fluss, der seinen emotionalen Gehalt unterstreicht.
Die Sprache des Gedichts ist einfach und direkt, was dazu beiträgt, die tiefen Emotionen des lyrischen Ichs zu vermitteln. Es verwendet bildhafte Ausdrücke wie „Wie war dein Leben, So voller Glanz,“ und „Wie kam dein Abend, So betend zu dir“ um die Präsenz und den Einfluss von S zu offenbaren. Auch Elemente der Natur, wie der Morgen, der Abend, die Sonne, die Rosen und der Tag, werden als Metaphern benutzt um die Emotionen des lyrischen Ichs zu repräsentieren.
Alles in allem ist es ein tief emotionaler und persönlicher Ausdruck von Trauer, Liebe und Verehrung, mit einer deutlichen Note von romantischer Empfindsamkeit, wie diese für die Zeit von Brentano typisch war.
Weitere Informationen
Das Gedicht „An S“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Clemens Brentano. Im Jahr 1778 wurde Brentano in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. In der Zeit von 1794 bis 1842 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Brentano ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 zeitlich eingeordnet werden. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Die zentralen Motive der Romantik sind das Schaurige, Leidenschaftliche, Unterbewusste, Fantastische, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Schriftsteller der Romantik sehnen sich nach der Einheit von Natur und Geist. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.
Das 537 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 127 Versen mit insgesamt 19 Strophen. Clemens Brentano ist auch der Autor für Gedichte wie „Zu Koblenz auf der Brücken“, „Ihr himmlischen Fernen“ und „Brautgesang“. Zum Autor des Gedichtes „An S“ haben wir auf abi-pur.de weitere 298 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Clemens Brentano sind auf abi-pur.de 298 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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