Abschied von der Jugend von Annette von Droste-Hülshoff

Wie der zitternde Verbannte
Steht an seiner Heimat Grenzen,
Rückwärts er das Antlitz wendet,
Rückwärts seine Augen glänzen,
Winde die hinüberstreichen,
Vögel in der Luft beneidet,
Schaudernd vor der kleinen Scholle,
Die das Land vom Lande scheidet;
 
Wie die Gräber seiner Toten,
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Seine Lebenden, die süßen,
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Alle stehn am Horizonte,
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Und er muß sie weinend grüßen;
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Alle kleinen Liebesschätze,
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Unerkannt und unempfunden,
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Alle ihn wie Sünden brennen
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Und wie ewig offne Wunden;
 
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So an seiner Jugend Scheide
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Steht ein Herz voll stolzer Träume,
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Blickt in ihre Paradiese
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Und der Zukunft öde Räume,
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Seine Neigungen, verkümmert,
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Seine Hoffnungen, begraben,
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Alle stehn am Horizonte,
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Wollen ihre Träne haben.
 
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Und die Jahre die sich langsam,
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Tückisch reihten aus Minuten,
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Alle brechen auf im Herzen,
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Alle nun wie Wunden bluten;
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Mit der armen kargen Habe,
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Aus so reichem Schacht erbeutet,
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Mutlos, ein gebrochner Wandrer,
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In das fremde Land er schreitet.
 
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Und doch ist des Sommers Garbe
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Nicht geringer als die Blüten,
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Und nur in der feuchten Scholle
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Kann der frische Keim sich hüten;
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Über Fels und öde Flächen
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Muß der Strom, daß er sich breite,
39 
Und es segnet Gottes Rechte
40 
Übermorgen so wie heute.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Abschied von der Jugend“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
190
Entstehungsjahr
1797 - 1848
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abschied von der Jugend“ stammt von der Autorin Annette von Droste-Hülshoff und wurde im 19. Jahrhundert, innerhalb der Epoche der Romantik verfasst.

Im ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch und reflektiert. Es scheint, als würde das lyrische Ich über ein verlorenes oder sich veränderndes Lebensstadium klagen.

Inhaltlich handelt das Gedicht von der Erfahrung des Abschieds von der Adoleszenz und dem Übergang zum Erwachsensein. Das leidvolle Verlassen der Jugend wird dabei mit Bildern des Exils und der Entfremdung beschrieben. Vergangene Ereignisse, frühere Emotionen und unerfüllte Hoffnungen werden präsentiert als schmerzliche Verluste. Das Gedicht endet jedoch mit einer optimistischeren Strophe, die das Annehmen der neuen Lebensphase und den fortwährenden Zyklus des Lebens betont.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit jeweils acht Versen. Die Struktur ist stringent und folgt einem wiederkehrenden Muster. Die Sprache ist poetisch und imagereich, mit einer starken Betonung auf emotionalen Zuständen und Innenansichten. Es gibt viele Metaphern und Vergleiche, etwa das Bild des Verbannten oder der Wunden, die die Vergangenheit im Herzen hinterlässt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Abschied von der Jugend“ eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem herannahenden Alter und dem damit einhergehenden Verlust der Jugend darstellt. Der melancholischen Reflexion der Vergangenheit steht jedoch eine Haltung der Akzeptanz und des Optimismus gegenüber. Es wird betont, dass Veränderung und Weiterentwicklung Teil des Lebens sind und dass jede Lebensphase ihre eigene Bedeutung und Schönheit hat. Dies steht im Einklang mit der Romantik, die Individualität und emotionale Tiefe betont.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abschied von der Jugend“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff. 1797 wurde Droste-Hülshoff geboren. Im Zeitraum zwischen 1813 und 1848 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Biedermeier zuordnen. Bei der Schriftstellerin Droste-Hülshoff handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das 190 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Annette von Droste-Hülshoff ist auch die Autorin für das Gedicht „Am Letzten Tag des Jahres - Silvester“, „Am Fronleichnamstage“ und „Kurt von Spiegel“. Zur Autorin des Gedichtes „Abschied von der Jugend“ haben wir auf abi-pur.de weitere 123 Gedichte veröffentlicht.

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