Herr Bacchus von Gottfried August Bürger

Herr Bacchus ist ein braver Mann,
Das kann ich euch versichern.
Mehr als Apoll, der Leiermann,
Mit seinen Notenbüchern.
 
Des Armen ganzer Reichtum ist
Die goldbemalte Leier,
Von der er prahlet, wie ihr wißt,
Sie sei entsetzlich theuer.
 
Doch borgt ihm auf sein Instrument
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Kein Kluger einen Heller;
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Denn frohere Musik ertönt
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Aus Vater Evan's Keller.
 
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Und ob Apoll sich gleich voran
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Mit seiner Dichtkunst blähet,
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So ist doch Bacchus auch ein Mann,
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Der seinen Vers verstehet.
 
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Wie mag am waldigen Parnaß
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Wol sein Diskant gefallen?
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Hier sollte Bacchus Kantorbaß
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Fürwahr weit besser schallen.
 
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Auf, laßt uns ihn für den Apoll
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Zum Dichtergott erbitten;
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Denn er ist gar vortrefflich wohl
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Bei großen Herrn gelitten.
 
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Apoll muß tief gebückt und krumm
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In Fürstensäle schleichen;
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Allein mit Bacchus gehn sie um,
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Als wie mit ihres Gleichen.
 
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Dann wollen wir auf dem Parnaß
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Vor allen andern Dingen
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Das große Heidelberger Faß
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Voll Nierensteiner bringen.
 
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Statt Lorbeerbäumen wollen wir
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Dort Rebenstöcke pflanzen,
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Und rings um volle Tonnen schier,
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Wie die Bacchanten, tanzen.
 
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Man lebte so nach altem Brauch
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Bisher dort allzunüchtern.
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Drum bleiben die neun Jungfern auch
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Von je und je so schüchtern.
 
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Ha, zapften sie sich ihren Trank
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Aus Bacchus Nektartonnen,
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Sie jagten Blödigkeit und Zwang
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In's Kloster zu den Nonnen.
 
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Fürwahr! sie ließen nicht mit Müh'
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Zur kleinsten Gunst sich zwingen,
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Und ungerufen würden sie
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Uns in die Arme springen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Herr Bacchus“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
228
Entstehungsjahr
1747 - 1794
Epoche
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorgelegten Gedichts ist Gottfried August Bürger, ein deutscher Dichter, der dem Sturm und Drang zugerechnet wird und von 1747 bis 1794 lebte. Das Gedicht ist also in das späte 18. Jahrhundert einzuordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll, es scheint eine Art Vergleich oder Wettstreit zwischen den Göttern Bacchus, dem Gott des Weines, und Apollo, dem Gott der Künste, darzustellen.

Im Inhalt vergleicht das lyrische Ich die beiden Gottheiten Bacchus und Apollo miteinander und stellt Bacchus dabei als überlegen dar. Apollo wird als arm und eingeschränkt dargestellt, während Bacchus als fröhlich, gesellig und beliebt beschrieben wird. Das lyrische Ich schlägt vor, Bacchus zu einem Gott der Dichter zu erheben und auf dem Berg Parnass, traditionell ein Ort der Dichtkunst, ein großes Fass Wein zu platzieren.

Das Gedicht besteht aus zwölf Vierzeilern, also insgesamt 48 Versen. Sprachlich ist es recht einfach und direkt gehalten, mit klaren Aussagen und einer gewissen Spottlustigkeit. Es verwendet humorvolle und satirische Elemente, um die Überlegenheit von Bacchus darzustellen und Apollo zu verspotten.

Im übertragenen Sinne kann das Gedicht als Plädoyer für Lebensfreude und Genuss gesehen werden, gegenüber strengeren Formen der Kunst und Gesellschaft. Es hebt das Vergnügliche und Lustbetonte hervor und kritisiert eine allzu nüchterne, zurückhaltende Lebensweise.

Interessant ist hier auch der historische Kontext: Zur Zeit der Entstehung des Gedichts galt Wein als Symbol für Genuss und Geselligkeit, aber auch für geistige Anregung, während die Musik Apollos eher als kultivierte, elitäre Kunstform angesehen wurde. Bürger bricht hier mit der damals gängigen Vorstellung und setzt den volkstümlichen Bacchus über den elitären Apollo – ganz im Sinne der Epoche des Sturm und Drangs, in der das Bürgertum gegen die absolutistische Oberschicht aufbegehrte.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Herr Bacchus“ ist Gottfried August Bürger. Bürger wurde im Jahr 1747 in Molmerswende im Ostharz geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1763 bis 1794 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Sturm & Drang zugeordnet werden. Bürger ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Jugend- und Protestbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Das vorliegende Gedicht umfasst 228 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „Die Schatzgräber“, „Auf die Morgenröte“ und „Lenore“ sind weitere Werke des Autors Gottfried August Bürger. Zum Autor des Gedichtes „Herr Bacchus“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 13 Gedichte vor.

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