Aus der Gefängniszeit 1850-1856 von Louise Otto-Peters

Zöblitz, im Mai 1853

Ein Pfingsten kam – o welche Festesfeier!
Der schöne Mai im hellen Blütenkranz
Zerreist des Himmels düstern Wolkenschleier,
Und zeigte ihn in seinem blau’sten Glanz. –
 
Kann solche Wonne auch im Kerker wohnen?
Ist da auch Frühling, auch der holde Mai?
Glühn auf Gefangnenstirnen Flammenkronen,
Des heil’gen Geistes wunderbare Weih?
 
Und ist im Kerker holde Maienwonne,
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Geoffenbart in Lenz- und Liebeslust?
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Dreimal gesegnet hohe Pfingstensonne,
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Die solche Stätte zu erhelln gewußt!
 
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Der Riegel sprang und schloß er auch sich wieder
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Ich war bei Dir, und bot Dir meinen Gruß –
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Du neigtest lächelnd Dich zu mir hernieder
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Die Worte starben im Verlobungskuß.
 
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Der erste Kuß! – bei uns der Kerkermeister
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Kein Augenblick nur trauter Einsamkeit;
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Doch hemmte nichts die Wonne unsrer Geister –
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Der Raum war enge, doch die Herzen weit.
 
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Von Deiner Stirne sprach des Geistes Weihe
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Und Deine Rede war von Gott entflammt –
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Ich bat ihn nicht, daß er Dir Trost verleihe –
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Er gab Dir mehr – sein hohes Priesteramt.
 
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Ich hätte mögen vor Dir niederknieen,
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„Mein hoher Herr!“ Dich nennen demutvoll –
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Und ließ mich doch in deine Arme ziehen,
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Daß mir das Herz in süßer Wonne schwoll.
 
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Und vor uns eines neuen Kerkers Schauer,
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Und neuer Trennung unermeßnes Leid –
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Die Liebe, im Bewußtsein ew’ger Dauer
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Schwang doch sich siegreich über Raum und Zeit!
 
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Die Liebe triumphiert ob aller Schranken,
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Daran ein liebeleeres Herz zerschellt:
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Du mein! ich Dein! – kein Zweifel mehr, kein Wanken!
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Und siegreich überwunden ist die Welt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
239
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Louise Otto-Peters, eine deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Aktivistin in der Frauenbewegung. Sie wurde am 26. März 1819 geboren und starb am 13. März 1895. Den Titel des Gedichts „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“ deutet darauf hin, dass es während dieser Zeit entstanden ist, als es zu politischen Unruhen und Verhaftungen kam in Deutschland.

Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick einen starken Eindruck und erzählt von Hoffnung, Liebe und Glauben, die selbst in schwierigen Zeiten, sogar im Gefängnis, überdauern können. Es wirkt dabei zugleich melancholisch und optimistisch.

Im Inhaltlichen beschreibt das lyrische Ich die Wahrnehmung von Pfingsten und dem Frühling, und wie diese Naturbeobachtungen Einfluss auf das emotionale Befinden haben, auch wenn es sich in einem Gefängnis befindet.

In den weiteren Strophen wird eine romantische Beziehung offenbart, die auch im Gefängnis besteht. Das lyrische Ich teilt einen intimen Moment mit seinem oder ihrem Liebsten, inklusive eines Kusses. Die Betonung darauf, dass es der erste Kuss war, lässt vermuten, dass die Beziehung zu diesem Zeitpunkt neu war.

Die Schönheit und Zuneigung dieser Beziehung setzen sich auch in der Gefangenschaft fort. Das lyrische Ich erhebt den Partner dabei zu einer höheren, fast göttlichen Instanz, die Trost und Liebe bringt. Zudem wird betont, dass die Liebe über die räumlichen Grenzen des Gefängnisses hinausgeht und alle Hindernisse überwindet.

Formal besteht das Gedicht aus neun Strophen, jede mit vier Versen. Die Sprache ist poetisch und benutzt viele Naturbilder, um die Emotionen zu beschreiben. An vielen Stellen nutzt der Autor eine religiöse Sprache, um den lyrischen Ichs Gefühle und Empfindungen darzustellen. Es wird auch ein Gegensatz zwischen der engen Raum des Gefängnisses und der Unendlichkeit der Liebe gezogen.

Insgesamt ist das Gedicht ein starkes Zeugnis der Hoffnung und der Kraft der Liebe, auch in schwierigen Zeiten. Es zeigt eine innere Stärke und einen starken Glauben, der hilft, die Widrigkeiten zu überwinden. Gleichzeitig zeugt es auch von der politischen Situation zur damaligen Zeit.

Weitere Informationen

Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“. Otto-Peters wurde im Jahr 1819 in Meißen geboren. Im Jahr 1860 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 239 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Byron“, „An Georg Herwegh“ und „An Ludwig Börne“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“ weitere 106 Gedichte vor.

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