Zwei Wahnsinnige von Marie Eugenie Delle Grazie
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Zwei große Menschen schritten diese Pfade |
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Und oft steh'n Beide jäh mir vor dem Sinn: |
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Tasso, der Dichterfürst von Gottes Gnade, |
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Und Friedrich Nietzsche .... gleich war ihr Gewinn |
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Und Wahnwitz hieß er; Beide weltverlassen |
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Und unstät, der gepeinigt, der verlacht, |
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Getrennt wie Sternenbahnen ihre Straßen, |
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Doch beide mündend in die gleiche Nacht! |
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Hier Tasso, dem Natur ihr tiefstes Leben |
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Und Walten in die Dichterbrust gesenkt, |
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Ihr mystisch Ringen, ihr geheimstes Weben, |
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Das wie im Traume schafft, doch schaffend – denkt! |
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Doch ach! hinweg aus ihres Tempels Frieden |
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Flieht er zum Kreuz, das sie entgöttert hat, |
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Und keine Ruhe winkt ihm mehr hienieden |
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Und Grau'n umdräuen ihn auf jedem Pfad, |
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Und zum Gespenste wird, die ihn erlösen |
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Und retten sollte – seines Glaubens Macht, |
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Und zum Gespenst wird ihm das eig'ne Wesen: |
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Entsetzen packt ihn und Verzweiflung lacht |
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In seiner Brust und ein dämonisch Bangen |
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Schlägt ihm die Geierkrallen in's Gehirn, |
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Und Sünden, Frevel, die er nie begangen |
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Verfolgen ihn – bis er mit fahler Stirn, |
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Den Mund umzuckt von wahnwitzigen Fragen |
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Zur Heimat kehrt, als such' er nach der Spur, |
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Dem Hauch des Glück's, von jenen Wundertagen, |
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Dem Sonnen-Pfad der Zauberin Natur! |
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Umsonst! Armidens Gärten sind verschwunden, |
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Vergeblich schreit er jetzt nach ihrem Bann – |
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Er hat ihn mit dem Kreuze überwunden |
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Und unbarmherzig stiert das Kreuz ihn an! – |
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Kühn drang der Andere in ihre Tiefen, |
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Die Brust von prometheischem Trotz erfüllt, |
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Wo fromm in ihrem Bann die Menschen schliefen, |
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Da wollt' er wachen, lauschen, und enthüllt |
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Die Triebe seh'n, die heimlich sie bewegen, |
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Und mit ihr – uns! den kalten Forschersinn |
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Wollt' er als Maß an alle Tiefen legen |
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Und dann auflachen: „Lügner – Lügnerin!“ |
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Und aufgelacht hat er – ein gell Gelächter, |
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Das wie ein Blitz die Nacht des Wahn's erhellt, |
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Nur daß er, niederfahrend, den Verächter |
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Zuerst getroffen und den Stamm zerspellt, |
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Der kühn sich selbst entwurzelt .... zwischen Beiden |
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Und ihres Daseins glüher Flammenspur, |
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Liegt hell im Sonnenglanz der Ewigkeiten |
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Die alte, riesenhafte Sphinx – Natur! |
Details zum Gedicht „Zwei Wahnsinnige“
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1892
Realismus
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zwei Wahnsinnige“ der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Geboren wurde Delle Grazie im Jahr 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva). 1892 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Schriftstellerin Delle Grazie ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 321 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „Addio a Capri“, „Apoll vom Belvedere“ und „Arco naturale“ sind weitere Werke der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Zur Autorin des Gedichtes „Zwei Wahnsinnige“ haben wir auf abi-pur.de weitere 71 Gedichte veröffentlicht.
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