Zum Keulenschwingen von Joachim Ringelnatz
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Die Merowinger sind weit verzweigt. |
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Es lebte ein Merowinger, |
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Den die Geschichte uns leider verschweigt, |
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Ein wackerer Keulenschwinger. |
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Mit beiden Händen und Leidenschaft |
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Schwang er die Keulen, die schönen. |
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Er schwang sie mit barbarischer Kraft |
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Unter leisem teutonischen Stöhnen. |
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Er teilte die Lüfte und teilte vorbei |
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Mit seiner gewuchtigen Keule. |
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Er schlug seiner Mutter die Backe entzwei, |
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Erschlug seine Kinder und Gäule. |
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Erschlug mit übernatürlicher Kraft |
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Des Königs wieherndes Vollblut. |
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Da wurde er aber fortgeschafft |
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In eine Zelle für Tollwut. |
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Man nahm ihm die Keule, er konnte nicht mehr |
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Sie schwingen in sausenden Kurven. |
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Die Zelle ward still und nahezu leer, |
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Man hörte nur Schritte schlurfen. |
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Doch eines Tages dröhnte es dumpf. |
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Der Wächter tät sich beeilen. |
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Da sah er einen niedrigen Rumpf |
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Mit seinen leibeigenen Keulen |
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Die Wände der Zelle verbeulen. |
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Da fing der Mann an zu heulen. |
Details zum Gedicht „Zum Keulenschwingen“
Joachim Ringelnatz
6
26
139
1923
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Zum Keulenschwingen“ stammt von dem deutschen Dichter Joachim Ringelnatz, der von 1883 bis 1934 lebte. Daher ist es zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einzuordnen, wobei Ringelnatz insbesondere im Kontext der literarischen Moderne zu verorten ist.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll und etwas absurd, was insbesondere durch die überspitzten Schilderungen des Keulenschwingens hervorgerufen wird.
Inhaltlich erzählt das Gedicht von einem Merowinger, einem Angehörigen eines germanischen Stammes, der besonders gut und leidenschaftlich Keulen schwingen kann. Allerdings hat seine Fähigkeit auch negative Seiten: Er verletzt damit Menschen in seiner Umgebung und sogar seine eigenen Kinder und Haustiere. Schließlich wird er eingesperrt und ihm wird die Keule weggenommen. Er scheint jedoch so stark mit dem Keulenschwingen verbunden zu sein, dass er selbst in seiner Zelle eine Möglichkeit findet, weiterhin Keulen zu schwingen, was den Wächter zum Weinen bringt.
Das lyrische Ich scheint eine ironische Distanz zu der dargestellten Figur des Merowingers zu einnehmen und stellt dessen obsessive Beschäftigung mit dem Keulenschwingen in einem lächerlichen Licht dar.
Die Form des Gedichts ist gekennzeichnet durch sechs Strophen, die jeweils aus vier oder aus sechs Versen bestehen. Die einfache, direkte Sprache und der lockere, teils humorvoll-skurrile Ton trägt zur unterhaltsamen Wirkung des Gedichts bei. Wortwahl und Rhythmus des Gedichts sind dennoch so gewählt, dass sie eine gewisse Dramatik und Intensität erzeugen. Besonders auffallend ist der Gebrauch von kräftigen, lebendigen Verben („schwingen“, „teilen“, „erschlug“), die die wilden, unkontrollierten Bewegungen des Merowingers bildhaft darstellen.
Insgesamt ist „Zum Keulenschwingen“ ein typisches Beispiel für Ringelnatz' humorvollen und dabei gleichzeitig gesellschaftskritischen Stil. Das Gedicht kann als eine Parodie auf übertriebenen Heldenmut und Heldentum gelesen werden, die letztlich in destruktivem Verhalten enden.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zum Keulenschwingen“ des Autors Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Im Jahr 1923 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 139 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Zum Autor des Gedichtes „Zum Keulenschwingen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
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