Wilhelmine von Frank Wedekind

Warum drängst du dich in meine Träume?
Warum hemmst du meiner Schritte Lauf?
Warum füllst du alle Himmelsräume,
Blick’ ich nächtens zu den Sternen auf?
 
Stör’ ich deiner Seele heil’gen Frieden,
Warum machst du, Mädchen, dich so breit?
Und „Nicht doch!“ entgegnest du entschieden
Wie der Genius der Enthaltsamkeit.
 
Ach, so kann es nicht mehr lange dauern;
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Ach, es wälzt sich drohend Ach auf Ach;
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Laß dir deine Zimmertür vermauern,
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Oder fürchte den Zusammenkrach.
 
13 
II
 
14 
Und nun ist es doch gekommen,
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Trotz des stolzen Sinns im Köpfchen;
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Und wir haben von dem Töpfchen
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Kühn den Deckel abgenommen.
 
18 
Schwüler Paradieses-Brodem
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Stieg mir schmeichelnd in die Nase,
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Dennoch bangt’ ich wie ein Hase
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Vor dem Pechgeruch von Sodom.
 
22 
Zwei von heißer Glut erfüllte,
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Mitternächtlich helle Sterne
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Blinken träumend in die Ferne,
25 
Die sich scheu in Nebel hüllte.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Wilhelmine“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
25
Anzahl Wörter
136
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Frank Wedekind, der in der Epoche des Fin de Siècle, insbesondere in der deutschen Literatur des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, zu den führenden Köpfen zählte.

Auf den ersten Blick scheint die lyrische Stimme voller Rätsel und Faszination zu sein, geplagt von der zugleich begehrenden und ängstigen Anziehungskraft einer Frau namens Wilhelmine.

Inhaltlich scheint das Gedicht die Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und der titelgebenden Wilhelmine zu beschreiben. Sie ist eine ständige Präsenz in seinen Gedanken und Träumen und scheint seine Schritte und seinen Blick zum Himmel zu lenken. Obwohl sie sein Seelenfrieden stört, wehrt sie seine Avancen ab. Er prophezeit die Unvermeidlichkeit ihrer Verbindung und warnt sie vor der drohenden Gefahr. Schließlich begegnen sie sich, und obwohl er von der „schmeichelnden“ Anziehungskraft dieser Begegnung verzaubert ist, fürchtet er die Konsequenzen. Es endet mit einem ausgeprägten romantischen Bild, bei dem zwei Sterne, von „heißer Glut erfüllt“, in die unsichere Ferne blinzeln.

Formal weist das Gedicht eine klare Struktur auf, mit Strophen von meist vier Versen und einer Ausnahmestrophe mit nur einem Vers (Vers 13: „II“). Die kontinuierlichen Fragen und das Ausrufezeichen implizieren eine Dramatik und Intensität, die die Leidenschaft und gleichzeitig die Angst des lyrischen Ichs widerspiegeln. Durch die verwendeten Metaphern (Sterne, Himmelsräume, Paradieses-Brodem, Pechgeruch von Sodom) erzeugt das Gedicht einen starken Kontrast zwischen himmlischer Sehnsucht und irdischer Angst. Ebenso wird durch die bildhafte Sprache eine surreale, traumhafte Stimmung erzeugt, die den inneren Konflikt des lyrischen Ichs widerspiegelt.

Insgesamt interpretiere ich das Gedicht als eine Reflexion über die Ambivalenz von Begehren und Angst, die mit der Liebe einhergehen können. Es illustriert den inneren Kampf zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Furcht vor den möglichen Konsequenzen dieser Nähe.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Wilhelmine“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Frank Wedekind. Wedekind wurde im Jahr 1864 in Hannover geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1905 entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 136 Worte. Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „An Elka“, „An Francisca de Warens“ und „An Madame de Warens“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wilhelmine“ weitere 114 Gedichte vor.

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