Nordwind im Sommer von Paul Boldt

1	Vom Meere duftend fliegt der Wind ins Land.
2	Die dunklen Parke flattern in der Brise.
3	Kleehügel blühen vor dem Duft der Wiese;
4	Der Himmel steht, sich selber unbekannt,
5	Ein weißer Fischer in den Roggenmeeren,
6	Wo Taubenflug aufspritzt, ein Wasserstrahl,
7	Wo Wolkenschatten rinnen in das Tal,
8	Fliegende Fische sind — die Roggenähren.
9	Der Weißklee schmeißt den Junitag zur Seite,
10	Und manchmal fliegen Reiher um den stummen,
11	Fischlosen See, auf dem die Bienen summen,
12	Und nehmen zögernd ihren Flug ins Weite.
13	Ich galoppiere vor dem Sonnenschein,
14	Auf weißem Pferde flatternd, Wind geworden,
15	Und Sonnenfetzen um den Hals, nach Norden.
16	Ich werde mittags an dem Meere sein.

Details zum Gedicht „Nordwind im Sommer“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nordwind im Sommer“ wurde von Paul Boldt verfasst, einem bedeutenden Vertreter des literarischen Expressionismus am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die erste Lektüre des Gedichts hinterlässt einen lebhaften Eindruck von Natur und Bewegung. Der Dichter erschafft ein Bild voller Licht, Farbe und kontrastierender Elemente, die durch die Kraft des sommerlichen Nordwinds zusammengeführt werden.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einer Reise, die das lyrische Ich unternimmt, möglicherweise symbolisiert diese Reise eine innere Reise der Selbsterkenntnis oder des persönlichen Wachstums. Das lyrische Ich galoppiert auf einem weißen Pferd durch die Landschaft, angetrieben vom Sommerwind und strebt dabei nach Norden, dem Meeresufer entgegen. Die Metapher des Windes könnte die Veränderungen darstellen, die das lyrische Ich in diesem Prozess durchläuft.

Formal betrachtet besteht das Gedicht aus vier vierzeiligen Strophen, die jeweils ein eigenständiges, aber miteinander verbundenes Bild erzeugen. Es ist in freien Versen verfasst, eine typische Form für expressionistische Dichtung, die den herkömmlichen metrischen und reimenden Strukturen entgegenwirkt und so den Konventionen der vorangegangenen Epoche, dem Realismus, trotzt.

Die Sprache des Gedichts ist reich an bildhaften und sensorischen Elementen, die eine starke Wirkung auf den Leser haben. Boldt verwendet eine Vielzahl von Naturbildern – von „duftendem“ Wind, über „flatternde“ Parks und „blühende“ Kleehügel, bis hin zu „weißen Fischern“ in „Roggenmeeren“. Diese Bildsprache dient dazu, die intensive und eindrucksvolle Atmosphäre des Gedichts zu erzeugen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Nordwind im Sommer“ ein typischer Ausdruck der expressionistischen Literatur ist, der eine lebendige, dynamische und zugleich introspektive Darstellung der Welt bietet. Das lyrische Ich begibt sich auf eine symbolische Reise, die durch die kraftvolle und bewegende Sprache und Bildlichkeit des Dichters lebendig wird. Es ist ein Gedicht, das eine starke Wirkung auf den Leser hat und zur Reflexion und Interpretation anregt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Nordwind im Sommer“ ist Paul Boldt. Boldt wurde im Jahr 1885 in Christfelde bei Preußisch-Friedland (Westpreußen) geboren. Im Jahr 1914 ist das Gedicht entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 103 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Paul Boldt sind „Abendavenue“, „Adieu Mädchenlachen!“ und „Andere Jüdin“. Zum Autor des Gedichtes „Nordwind im Sommer“ haben wir auf abi-pur.de weitere 49 Gedichte veröffentlicht.

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