Nachtgedanken von Heinrich Heine

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Thränen fließen.
 
Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
 
Mein Sehnen und Verlangen wächst.
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Die alte Frau hat mich behext,
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Ich denke immer an die alte,
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Die alte Frau, die Gott erhalte!
 
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Die alte Frau hat mich so lieb,
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Und in den Briefen, die sie schrieb,
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Seh’ ich wie ihre Hand gezittert,
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Wie tief das Mutterherz erschüttert.
 
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Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
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Zwölf lange Jahre floßen hin,
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Zwölf lange Jahre sind verflossen,
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Seit ich sie nicht an’s Herz geschlossen.
 
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Deutschland hat ewigen Bestand,
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Es ist ein kerngesundes Land,
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Mit seinen Eichen, seinen Linden,
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Werd’ ich es immer wiederfinden.
 
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Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr,
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Wenn nicht die Mutter dorten wär’;
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Das Vaterland wird nie verderben,
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Jedoch die alte Frau kann sterben.
 
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Seit ich das Land verlassen hab’,
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So viele sanken dort in’s Grab,
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Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
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So will verbluten meine Seele.
 
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Und zählen muß ich – Mit der Zahl
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Schwillt immer höher meine Qual,
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Mir ist als wälzten sich die Leichen
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Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!
 
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Gottlob! durch meine Fenster bricht
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Französisch heit’res Tageslicht;
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Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
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Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Nachtgedanken“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
237
Entstehungsjahr
1843
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht trägt den Titel „Nachtgedanken“ und wurde von Heinrich Heine geschrieben, einem deutschen Dichter, der von 1797 bis 1856 lebte. Dieser als Vertreter der Romantik identifizierte Autor war auch während der literarischen Epoche des Vormärz bzw. Jungdeutschland tätig.

Das Gedicht spricht zuerst den Leser auf emotionaler Ebene an, da das lyrische Ich deutlich die Sehnsucht nach seiner Heimat und seiner Mutter zum Ausdruck bringt. Eindrucksvoll werden Gefühle der Heimweh und Traurigkeit vermittelt.

Das lyrische Ich drückt aus, dass es in der Nacht an Deutschland denkt und dadurch den Schlaf verliert. Die Gedanken fließen in Form von Tränen und es ist klar, dass sich das lyrische Ich nach etwas sehnt. Das lyrische Ich spricht seine Mutter an und drückt seine Sorge und Sehnsucht nach ihr aus. Es erinnert sich an ihre Liebe und die Erschütterungen, die ihre Briefe ihm vermittelten. Das lyrische Ich bringt dabei seine Sorge zum Ausdruck, dass seine alte Mutter sterben könnte. Es zählt zudem die viele Menschen auf, die in der Heimat gestorben sind, seit es das Land verlassen hat. Letztendlich wird jedoch eine Erleichterung zum Ausdruck gebracht, als das lyrische Ich das französische Tageslicht durch sein Fenster bricht sieht und seine Ehefrau zu sehen bekommt, die ihm seine Sorgen nimmt.

Das Gedicht besteht aus zehn Strophen mit jeweils vier Versen, die alle im alternierenden Reimschema abab gereimt sind. Das Gedicht ist in einer klar verständlichen Sprache verfasst und zeigt einen emotionalen, fast schwermütigen Ton. Die wiederholte Benutzung bestimmter Begriffe wie „die alte Frau“, „meine Mutter“ und „Deutschland“ wird verwendet, um das Gefühl der Sehnsucht und der Verlustangst zu verstärken. Der Kontrast zwischen der dunklen deutschen Nacht und dem hellen französischen Tag zeigt außerdem eine Art Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nachtgedanken“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Geboren wurde Heine im Jahr 1797 in Düsseldorf. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1843 zurück. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 237 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Alte Rose“, „Altes Lied“ und „Am Golfe von Biskaya“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nachtgedanken“ weitere 535 Gedichte vor.

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